Auf Wiedersehen, Püppchen
Auf dem Boden des Wohnzimmers von Ewa Gromada, 22, liegen viele bunten Transparente. Seit etwa sieben Stunden schreibt die Jurastudentin an der Uni Danzig und Aktivistin der Frauenbewegung „Femme Totale“ zusammen mit den anderen Mitgliedern der polnischen Bewegung „Kampagne gegen Homophobie“ mit Slogans auf die weißen Stoffbahnen: „Gleiche Löhne für Männer und Frauen“, „Wir wollen Ehemänner in Vollbeschäftigung“ oder „Starke Frauen, starke Wirtschaft“: Mit diesen Losungen wollen polnische Aktivistinnen am Internationalen Frauentag für Frauenrechte in Danzig demonstrieren.
Etwa 200 Demonstranten, darunter auch Homosexuelle, wollen sich am Tag der Frauen bei der Aktion „Manifa“ in Danzig für mehr Gleichberechtigung in der Gesellschaft einsetzen. Die Demos im Rahmen der „Manifa“ finden in diesem Jahr auch in Warschau, Breslau, Stettin und anderen großen polnischen Städten statt. „Viele in Polen denken, dass der Zeitpunkt, als Frauen vor 91 Jahren das Wahlrecht in Polen erhalten haben, das Ende des Kampfes bedeutete. Wir haben zwar eine formelle Gleichheit, aber keine materielle“, ärgert sich Ewa Gromada.
Den Eindruck von Ewa belegen offizielle Statistiken. „Frauen verdienen weniger, werden schneller als Männer gefeuert. Jetzt während der Finanzkrise wird das besonders deutlich.“ Ewa will zeigen, „dass jede Stimme bedeutend ist, dass es viele Menschen in Polen gibt, die mit dieser Lage nicht einverstanden sind“.
Neben der Gleichberechtigung als Hauptthema gibt es jedes Jahr zur „Manifa“ eine ganz bestimmte Botschaft. Im vergangenen Jahr ging es um Abtreibung. „In diesem Jahr wollen sich die polnischen Frauen quer durch Polen für künstliche Befruchtung stark machen“, erzählt Marta Tymińska, 22 Jahre alt, Studentin der Kulturwissenschaften und Psychologie an der Uni Danzig. Sie wollen gegen den Entwurf für ein bioethisches Gesetz des Abgeordneten Jarosław Gowin protestieren. Dieser sieht unter anderem das Recht auf eine künstliche Befruchtung nur für Ehepaare vor. „Dieser Gesetzentwurf ist für viele Menschen ungerecht“, findet Marta Tymińska.
Die Aktivistinnen Ewa Gromada („Femme Total“) und Anna Urbańzcyk („Kampagne gegen Homophobie“) Foto: Katarzyna Tuszynska
Ein weiteres Thema, das den polnischen Demonstrantinnen am Herzen liegt, ist die Diskriminierung Homosexueller. „Homophobie Stop“ lautet einer ihrer Slogans. Anna Urbańczyk von der „Kampagne gegen Homophobie” hält Polen in dieser Hinsicht immer noch ein rückständiges Land. Die Rechte der Homosexuellen werden täglich missachtet. „Die Homosexuellen, vor allem Männer, dürfen nicht auf der Straße Hand in Hand laufen oder sich küssen.“ Sie müssen sich oft mit ihrer Sexualität vor ihrer Familie und ihren Nachbarn verstecken. „Sich zu outen ist bei uns in Polen immer noch sehr schwierig.“Selbst Bewegungen wie die „Kampagne gegen Homophobie“ haben es in Polen nicht einfach. Alexandra Księżopolska, eine der Veranstalterinnen von „Manifa“, kann sich gut an die Frauentagsdemos der vergangenen Jahre erinnern: „Die Demonstranten werden mit Eiern, Steinen oder mit Eis oder Schnee beworfen.“
Für Alexandra ist „Manifa“ jedes Jahr ein großes Ereignis. Außer Frauen demonstrieren auch Homosexuelle, Vertreter der Grünen und andere Politiker mit. Jedes Mal kommt es zu Auseinandersetzungen. „Manifa ist kein friedlicher Feiertag, so wie man es sich wünschen würde.“Um diesem Tag dennoch einen friedlichen Charakter zu geben, werden neben der Demonstration auch Seminare, Konferenzen und kulturelle Ereignisse veranstaltet. In diesem Jahr werden Künstler aus Polen, Griechenland, der Slowakei und Italien Gemälde zum Thema Gleichberechtigung vorbereiten. In dem Projekt unter dem witzigen Motto „ Auf Wiedersehen Püppchen“ sollen Werke des amerikanischen Pop-Art-Künstlers Roy Lichtenstein als Inspiration dienen.
„Auf der einen Fläche werden die Künstler Werke von Roy Lichtenstein kopieren, auf der zweiten entsteht dann ihre eigene Interpretation. Es heißt dann – wie würde das Werk von Lichtenstein aussehen wenn er eine Frau wäre?“Die Murales von Roy Lichtenstein sind gigantische Comics. Der Künstler zeigt seine Figuren in der New Yorker Metro Station Times Square. Da wird der Mann als starker Macho dargestellt. Die Frau dagegen ist schwach, weint und wartet auf den Mann. Magda Czajkowska, Künstlerin aus Danzig, hat mit diesen Bildern im Kopf die Konzeption der „Manifa“-Workshops entwickelt. „Eine Bekannte fragte mich, ob ich etwas machen kann, um diese destruktiven Bilder von Lichtenstein zu verändern.
So entstand meine Idee: Wie würden die Bilder aussehen, wenn Lichtenstein eine Frau wäre.“Dabei sind auch die Sichtweisen von Männern gefragt. Der Künstler Michał Madura nimmt am diesjährigen „Manifa“-Workshop teil. Auch er will für Gleichberechtigung kämpfen. Doch er legt Wert darauf, Frauen den Vortritt zu lassen und ihnen die Tür zu öffnen. „Bei uns in Polen gehört das zum guten Ton“. So sehen es auch Alexandra und ihre Kameradinnen vom Kreis „Femme Totale“. Sie halten sich nicht für verrückten Feministinnen. „Ich halte es einfach für eine nette Geste, wenn der Mann der Frau Vortritt gewährt.“ Ihr gehe es schließlich nicht darum, diese Gesten zu bekämpfen. „Uns geht es vor allem um die berufliche Gleichberechtigung.“