Kosovo

Kosovo fehlen Investoren aus dem Ausland

Auch ein Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung wollen Ausländer keine großen Investitionen in Kosovo tätigen. Die unklare politische Lage, zu viele Negativschlagzeilen, eine inkompetente Regierung und zu wenig Rechtssicherheit sorgen für Zurückhaltung.

„Ich habe eine bessere Wirtschaftsentwicklung erwartet, nachdem sich mein Land vor einem Jahr für unabhängig erklärt hat“, gibt Shpend Ahmeti zu. Der Direktor des angesehenen Wirtschaftsforschungsinstituts GAP in Kosovos Hauptstadt Prishtina ist ernüchtert. Man könne die bedeutenden Auslandsinvestitionen fast an einer Hand abzählen, sagt er und macht dafür die viel zu zahlreichen Negativschlagzeilen über Kosovo verantwortlich: die äußerst angespannte Situation rund um die geteilte Stadt Mitrovica und das vor allem von Serben bewohnte Nordkosovo, der andauernde Streit mit Serbien um die Unabhängigkeit, die fehlende Rechtssicherheit, Korruption und organisierte Kriminalität. „Die Investoren, die wir so dringend bräuchten, nehmen Kosovo als ungelöstes Problem wahr“, so Ahmeti, der bitter lächelnd beifügt: „Am besten wäre es, wenn es keine Nachrichten mehr über uns gäbe.“

Auch die Tatsache, dass bislang weltweit nur 54 Länder Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt haben, ist für Investoren kein gutes Signal. Die Regierung von Premier Hashim Thaci hatte nach der Ausrufung der Unabhängigkeit am 17. Februar 2008 noch selbstbewusst verkündet, Kosovo werde innerhalb einer Jahresfrist die Anerkennung von mindestens hundert Ländern in der Tasche haben. „Vor allem, dass fünf EU-Staaten nichts von unserer Unabhängigkeit wissen wollen, macht es für uns sehr schwierig“, gibt Ahmeti zu bedenken. „Denn ohne die fünf werden wir niemals wirklich den Weg in Richtung Brüssel einschlagen können.“Die kosovarische Regierung scheint wegen des andauernden Kampfes um die Unabhängigkeit und des Ringens um Anerkennung den Blick für andere relevante Fragen verloren zu haben. Dieser Kampf werde aber auch oft als Ausrede vorgeschoben, um das eigene Unvermögen in vielen Politikfeldern zu kaschieren, kritisiert Besa Luzha, Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Prishtina.

Shpend Ahmeti beklagt, dass die Regierung auch nach einem Jahr noch keine Strategie vorgelegt habe, wie man ausländisches Kapital ins Land holen wolle. Ein bei einer internationalen Organisation in Prishtina tätiger Experte, der ungenannt bleiben will, bringt es auf den Punkt: „Wer in Kosovo investieren will, muss um einen Termin beim Premierminister oder seinem Vize nachsuchen, einen anderen Ansprechpartner gibt es nicht.“Dabei habe Kosovo durchaus Potential, findet Shpend Ahmeti. Die Hälfte des Ackerlandes in Kosovo liege brach. Und jedes Jahr würde Baumaterial im Wert von 20 Millionen Euro aus Serbien importiert. „Das könnten wir auch selbst herstellen“, meint der Wirtschaftsanalyst. Im Kosovo gebe es billige, junge und relativ gut ausgebildete Arbeitskräfte im Überfluss. „Hier ist ein idealer Standort für arbeitsintensive Jobs.“


Heimatüberweisungen und Finanzkrise

Die Heimatüberweisungen der kosovarischen Diaspora machen jährlich rund 200 bis 400 Millionen Euro und damit etwa 8 bis 15 Prozent des Brutto-Inlandproduktes von Kosovo aus. Es liegen noch keine Angaben vor, inwieweit sich die Finanz- und Wirtschaftskrise auf diese Zahlungen auswirkt. Im Nachbarland Albanien mit einer ebenfalls großen Diaspora ist allerdings bereits ein Rückgang um etwa 15 Prozent festzustellen.


Rund 70 Prozent der kosovarischen Bevölkerung sind unter 35 Jahre alt, jedes Jahr drängen etwa 30.000 bis 40.000 neue Arbeitskräfte auf den Markt. Die Erwerbslosigkeit liegt bei geschätzten 40 bis 50 Prozent, bei den jungen Leuten noch viel höher.„Auslandsinvestitionen beruhen in Transformationsländern oft auf Privatisierungen, aber dazu ist es in Kosovo wegen der lange ungeklärten Statusfrage bislang noch kaum gekommen“, sagt der Wirtschaftsexperte Peter Grasmann vom Internationalen Zivilbüro ICO in Prishtina. Bedeutend sind laut dem deutschen Ökonomen vor allem die großen Versorgungsunternehmen, zum Beispiel für Strom oder Telekommunikation.

Das Braunkohlekraftwerk in Obilic mitten auf dem von Legenden befrachteten Amselfeld ist vollkommen veraltet und kann die ständig steigende Nachfrage der geschätzten zwei Millionen Einwohner Kosovos nicht mehr befriedigen. Ständige Stromausfälle sind die Folge. Die Regierung versucht, die Anlage zu privatisieren und gleichzeitig die Rechte für den Bau eines neuen Kraftwerkes mit dem Namen „New Kosovo“ an einen ausländischen Investor zu vergeben. Es geht dabei um einen Milliarden-Deal. Doch bis jetzt ist dieser nicht zustande gekommen. Grund dafür sei, heißt es in Prishtina hinter vorgehaltener Hand, dass zuerst genügend Schmiergeld fließen müsse, vorher gebe es mit Obilic keine Fortschritte.

Verschiedene Beobachter in Prishtina sind übereinstimmend der Meinung, dass öffentliche Ausschreibungen das lukrativste Potential für Korruption und andere kriminelle Machenschaften bieten. Öffentlich dazu Stellung nehmen wollen sie aber nicht – zu gefährlich, heißt es. Er wolle diese Einschätzung so nicht bestätigen, aber auch nicht dementieren, kommentiert Rainer Kühn diplomatisch. Der Polizeidirektor aus Düsseldorf leitet innerhalb der EU-Rechtsstaatsmission EULEX die Polizei-Komponente mit fast 1400 internationalen Polizisten. Gerade in den Bereichen der organisierten Kriminalität oder der Finanzermittlung verfügt die EULEX, die sich primär als Beratungsmission definiert, allerdings über klare Exekutiv-Kompetenzen.

Shpend Ahmeti ist sicher, dass die Internationale Gemeinschaft über Unterlagen verfügt, die die Verstrickung von vielen mit der heutigen Regierung verbundenen Personen in Korruption und organisierte Kriminalität beweisen könnten. Das Material soll in den fast zehn Jahren, in denen die Vereinten Nationen in Kosovo das Sagen hatten, zusammengetragen worden sein. Doch Ahmeti glaubt nicht, dass diese Dossiers geöffnet werden: „Denn das hätte zur Folge, dass die Lage politisch sehr instabil werden könnte – und dazu ist man nicht bereit.“


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