Tschechien

Weltberühmtes Stift kämpft ums Überleben

Nach der Ernennung zum Kulturdenkmal hofft Kloster Tepl beim Wiederaufbau auf Hilfe der EU

(n-ost) - Als Jan Kovačik als junger Mann in Prag in den verbotenen Orden der Prämonstratenser eintritt, empfindet er das Wirken im Verborgenen als Widerstandskampf gegen das kommunistische Regime. Heute sieht sich Kovačik, der seinen Ordensnamen Pater Augustin nicht mehr verheimlichen muss, einem ganz anderen Abenteuer gegenüber: der Bewahrung von Kloster Tepl (tschechisch Teplá), eines böhmischen Barockerbes bei Marienbad. Nicht gegen sich, sondern an seiner Seite hat der Administrator des Klosters nun den Staat. Die tschechische Regierung hat das Stift zum nationalen Kulturdenkmal ernannt.Dieser Titel bietet nun die Möglichkeit, an europäische Subventionen zur Renovierung des Klosters zu gelangen. Denn als das Kloster Tepl 1990 an den Prämonstratenser-Orden zurückgegeben wurde, war es verwüstet. 28 Jahre lang hatte es zuvor als Kaserne gedient. Lediglich die Barockkirche Mariä Verkündigung und die Bibliothek, die wertvolle alte Handschriften aus ganz Europa enthält, blieben dem Zugriff der Soldaten entzogen. 106 Brüder zählte das Stift zu seinen Blütezeiten, 16 gehören heute der Gemeinschaft an. Pater Augustin, der seit 1997 in Tepl lebt, ist der siebte Klosterleiter mit den Funktionen und Rechten, aber ohne die Insignien eines Abtes.



Pater Augustin mit einem Buch in deutscher Sprache. Foto: Beate Franck


Seit ihrer Rückkehr haben die Prämonstratenser zwar wieder ein Dach über dem Kopf, an den baufälligen Gebäuden aber auch eine schwere Last zu tragen. Rund 50 Millionen Kronen (rund zwei Millionen Euro) haben die Investitionen für Renovierung und Restaurierung bisher verschlungen. Wiederhergestellt sind unter anderem das Gloriet, das Oratorium und mehrere Säle im Konventgebäude. „Das hat uns großen Eifer und viel Kraft gekostet“, sagt Pater Augustin.Der katholische Prämonstratenser-Orden, dem in Böhmen 130 Brüder angehören, ist mittellos. Wohl fließen Zuschüsse des Kultusministeriums und des Kreises Karlsbad, doch das Kloster muss dabei stets einen Eigenanteil von bis zu 30 Prozent tragen. „Das ist uns nur gelungen dank unserer Wohltäter und Helfer“, erklärt Pater Augustin. „Ich danke Gott, dass wir so viele Freunde haben.“ Von ihnen sitzen etliche in der Oberpfalz, in Bayern und in Baden-Württemberg. Mit ihren Spenden geben sie dem Klostervorsteher das Gefühl, „nicht wie ein Bettler dazustehen“.Deutsche sorgen zudem zu einem Großteil für den Unterhalt des Klosters. Rund 45.000 Touristen besuchen jährlich das Stift, zwei Drittel davon kommen aus dem Nachbarland. Mit den Einnahmen werden Strom und Gas sowie die Löhne der Mitarbeiter bezahlt. Für die Touristen hat sich das Kloster wiederum in Schulden gestürzt. Für 80 Millionen Kronen (über drei Millionen Euro) ist eine Scheune zu einem Hotel umgebaut worden. Bei der Kreditaufnahme hatte man mit der Rückerstattung des ursprünglichen Besitzes an Wald und Grund gerechnet. Die Tilgung aber drückt als zusätzliche Finanzlast bis heute, denn geschehen ist das nicht.



Das Barockkloster Tepl bei Marienbad. Foto: Beate Franck


Der Administrator sieht die bislang gescheiterte Rückgabe als ein trauriges Zeichen dafür, dass auch nach 18 Jahren Demokratie in Tschechien das Verständnis für Aufgaben und Leistung der Kirche fehle. Die Ernennung zum nationalen Kulturdenkmal wertet Pater Augustin indes nicht als Akt der Wiedergutmachung, sondern als Signal einer beginnenden Anerkennung von staatlicher Seite: „Es ist ein gutes Gefühl, wenn der Staat die Kirche so wahrnimmt, dass sie Gutes für die Gesellschaft bringen kann.“Gutes für die Gesellschaft bringen will die kleine Gemeinschaft der Patres nicht nur über eine weitere Renovierung der kulturhistorisch wertvollen Gebäudeteile. Sie sollen zum größten Teil Besuchern zugänglich gemacht werden. „Wir sind offen für alles. Wir bemühen uns, das Kloster zu einem kulturellen, geistigen und kirchlichen Zentrum zu machen“, bekräftigt Pater Augustin.Wiederaufbau-Arbeit müssen die Patres des Stifts allerdings noch auf einem ganz anderen Gebiet der Verwüstung leisten, wo Mörtel und Kelle nichts ausrichten. Das einst größtenteils katholische Egerland ist nach dem Urteil des Pilsener Bischofs František Radkovsky heute „eine der ungläubigsten Regionen Europas“ – und für die Prämonstratenser ein Missionsgebiet. Nur langsam wachse das Interesse an geistigen Werten, räumt Pater Augustin ein. „Eine kleine Flamme ist geblieben. An uns ist es, sie zu schüren.“ Lediglich sechs der Brüder wohnen noch ständig im Stift, die übrigen betreiben Seelsorge in Asch, Eger oder Marienbad. Doch noch ist es so, dass die eifrigsten „Schäfchen“ eben aus Deutschland in die Klosterkirche pilgern – zu Wallfahrten ebenso wie zum sonntäglichen Gottesdienst.Das Gefühl, ein „Widerstandskämpfer“ zu sein, ist Pater Augustin deshalb auch als Mann von 50 Jahren geblieben. Mit dem Ende des kommunistischen Regimes hat das Abenteuer für ihn nicht aufgehört, die Ansprüche an den Ordensbruder sind gestiegen. „In Freiheit ist es schwieriger, sich zum Glauben zu bekennen als in der Unterdrückung. In der Freiheit gibt es viel mehr Feinde für den Glauben als im totalitären System“, hat er erfahren. „Christliche Ideale im Alltag zu leben, ist schwer.“ Doch dann lächelt er verschmitzt: „Aber es ist möglich. Es heißt ja auch: ,Du sollst deine Feinde lieben’.“



200 Jahre alt ist das Fresko "Das letzte Abendmahl". Foto: Beate Franck

INFO-KASTENDie Gründung des Stifts im Jahre 1193 geht auf den frommen Grafen Hroznata zurück, dessen Sarg und Gebeine in der Klosterkirche Mariä Verkündigung als Reliquien aufbewahrt werden. Die Hallenkirche, eine der ältesten des Landes im romantisch-gotischen Stil, wird an der Wende zum 18. Jahrhunderts im Inneren im Barockstil neu gestaltet – ebenso wie die meisten Klostergebäude.
Christoph Maurus Fuchs aus Tirschenreuth malt 1816 im Speisesaal des Konvents das Wandfresco „Das letzte Abendmahl“. In der Blütezeit des Klosters werden deutsche Ansiedlungen gefördert.
Abt Karl Reitenberger gründet 1808 den Kurort Marienbad. Nach der gewaltsamen Vertreibung der deutschen Chorherren 1946 wird das Stift Tepl 1950 vom kommunistischen Regime aufgelöst und bis 1978 als Kaserne genutzt. Nur die Kirche und die Bibliothek überstehen diese Zeit in gutem Zustand.
Die Stiftsbibliothek ist mit 100.000 Bänden die zweitgrößte Tschechiens. Wertvollstes Buch ist der „Codex Teplensis“ aus dem 14. Jahrhundert, die älteste vollständige Übersetzung des Neuen Testaments ins Mittelhochdeutsche.Beate Franck
ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0


Weitere Artikel