Ukraine

Aachener Beutekunst auf der Krim

Im Museum von Simferopol warten 15 Kamerateams und Direktorin Larina Kudryaschowa auf den Besuch aus Aachen. Peter van den Brink und drei weitere Mitarbeiter des Suermondt-Ludwig-Museums sind auf die Krim gereist – mit einer schwierigen Mission. Sie wollen 80 Kunstwerke wiedersehen, die aus Aachen stammen und zur so genannten Beutekunst gehören. Die wertvollen Gemälde waren in die vermeintlich sichere Albrechtsburg Meißen bei Dresden ausgelagert worden. Nach 1945 brachte die Rote Armee neben der Sammlung der Dresdner Gemäldegalerie auch die Aachener Werke in die Sowjetunion. Seitdem waren sie verschwunden.

Im Simferopoler Museum hängt auch ein Gemälde von Gisbert Flogen / Arndt Lorenz, n-ost

Im vergangenen November entdeckte ein bayrisches Touristenpärchen die Aachener Gemälde im Museum von Simferopol. Seitdem wird in Deutschland und der Ukraine viel über den Verbleib der aufgetauchten Bilder diskutiert. Die Fronten der Regierungen sind verhärtet, Berlin besteht auf Rückgabe der Beutekunst, Kiew will die Bilder als Entschädigung für die Kulturgutzerstörung der Wehrmacht auf der Krim behalten.Trotzdem hat sich die Simferopoler Museumsdirektorin vor einem Monat entschieden, ihre Aachener Kollegen einzuladen. Der Empfang auf der Krim ist herzlich, doch zuerst wollen die zahlreichen ukrainischen Kamerateams wissen, warum die deutschen Kunstexperten hierher gereist sind. Suermondt-Ludwig-Direktor Peter van den Brink: „Wir wollen das Museum kennen lernen, die Kunstwerke genau betrachten und über mögliche Kooperationen verhandeln. Über die Rückgabe der Bilder wird nicht gesprochen!“Die Aachener Kunstexperten sind beim Rundgang überwältigt: Wertvolle niederländische Gemälde von niederländischen und deutschen Malern aus dem 17., 18., und 19. Jahrhundert hängen dichtgedrängt an den Wänden: Gerard Houckgeest, Jan Dirven und Pieter Bronkhorst. In der Restaurierungswerkstatt entdeckt das Team unverhofft ein riesiges Werk von Hendrik de Klerck: „Venus in der Schmiede des Vulkan“. Es ist eins der Hauptwerke des berühmten Malers.


Peter van den Brink und Larina Kudryaschowa vor dem Gemälde "Venus in der Schmiede des Vulkan"/ Arndt Lorenz, n-ost

Die ukrainische Direktorin Larina Kudryaschowa erklärt ihrem Aachener Kollegen Peter van den Brink, wie die verschollenen Bilder nach Simferopol gelangten: „Nachdem die Rote Armee die deutschen Kunstwerke in St. Petersburg zentral gelagert hatte, wurden große Teile der Aachener Sammlung 1950 nach Jalta gebracht, drei Jahre später kamen die Bilder in ein Depot des Simferopoler Museums.“ Dort lagerten sie viele Jahrzehnte.Bei ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren entschloss sich die neue Chefin, die Aachener Gemälde auszustellen. Für die deutsche Kunstszene ein Glücksfall, denn nur so konnten die Bilder wiederentdeckt werden. Direktor Peter van den Brink hofft nun, dass das Museum Simferopol ein Vorbild auch für andere Museen in der Ukraine und in Russland sein könnte. Wichtig ist für ihn, dass endlich die Depots geöffnet werden und bedeutende Kunst wieder öffentlich zu sehen ist.Die Simferopoler Museumsleitung erlaubt, dass sich die Aachener Museumsleute ungehindert umschauen dürfen. Restauratorin Ulrike Villwock untersucht akribisch den Zustand der Gemälde und fertigt Protokolle an. Kurator Heinrich Becker und ein Praktikant vergleichen Listen aus Aachen mit den in der Ausstellung hängenden Bildern. Drei Tage lang dürfen die Kunstexperten die Gemälde begutachten. Die ukrainische Restauratorin hilft sogar, die Rückseiten der Bilder nach alten Aachener Inventarnummern abzusuchen.




Peter van den Brink untersucht eines der Aachener Gemälde / Arndt Lorenz, n-ost

Larina Kudryaschowa hat nach Meinung ihres Kollegen Peter van den Brink eine tolle Idee: Die Beutekunst soll für eine Sonderausstellung nach Aachen gebracht werden, im Gegenzug stellt das Suermondt-Ludwig-Museum Werke für eine zeitgleiche Kunstschau in Simferopol zur Verfügung. Doch für viele Ukrainer ist das unrealistisch – die Gefahr sei zu groß, dass die Beutekunst in Deutschland sofort beschlagnahmt würde. Ob diese Doppelausstellung eine Utopie bleiben wird, soll ein Symposium zeigen, das von heute an bis zum Samstag im Suermondt-Ludwig-Museum mit Kunstexperten und Politikern stattfindet. Die Simferopoler Direktorin fährt dann das erste Mal nach Aachen, das sie bisher nur von Bildern kennt, die in ihrem Museum hängen.


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