Polen

Rechter Funktionär leitet öffentliches Fernsehen

Piotr Farfał zum Rundfunkchef berufen / Mehrere leitende Redakteure bereits entlassen

(n-ost) - Die ersten Amtshandlungen des neuen Chefs des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Polen haben es in sich: Nach nur wenigen Tagen im Amt hat der 31-jährige Piotr Farfał gemeinsam mit seinem neuen Vize Tomasz Rudomino eine wahre Säuberung durchgeführt. Unter den Geschassten sind im Prinzip alle Entscheidungsträger des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, darunter die Chefin des Ersten TV-Senders „jedynka“, der Personalchef, die Programmleiterin und vier weitere leitende Führungspersonen. Vor wenigen Tagen hat nun auch der Chef der Hauptnachrichtensendung seinen Posten verloren.Der Jurist Piotr Farfał, der in den 90er Jahren für einige rechte Blätter nationalistische Artikel geschrieben hatte und danach Funktionär in der rechten Allpolnischen Jugend war, wurde bereits 2006 in den Aufsichtsrat des öffentlich-rechtlichen Fernsehens berufen. Dieser war nach dem Wahlsieg der rechtskonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und dem Wahlerfolg der rechtsnationalen Liga Polnischer Familien (LPR), in der Farfał nun Mitglied war, neu besetzt worden.Ende Dezember setzte der Aufsichtsrat samt Farfał den von der PiS lancierten, seit 2007 amtierenden Chef des öffentlichen Fernsehens TVP Andrzej Urbanski ab. Der Aufsichtsrat war bei dieser Wahl nicht vollständig besetzt, weil einige PiS-Leute aus Protest gegen vorherige Entscheidungen den Rat verließen. Ein Gericht bestätigte aber die Rechtmäßigkeit der Berufung Farfałs, die zunächst bis März 2009 gelte.Zur Begründung seiner ersten Personalentscheidungen sagte Farfał, dass beispielsweise der Chef der Hauptnachrichtensendung „eine andere Sicht auf die Nachrichtensendung hatte als die derzeitige Geschäftsführung“. Auch die Chefin der Informationsagentur und die Leiterin des Nachrichtensenders TVP Info wurden entlassen. „Hier gab es schon viele Revolutionen, aber so viele Personalwechsel an so vielen Fronten hat es noch nicht gegeben“, sagte ein Mitarbeiter des TVP anonym gegenüber der Tageszeitung „Rzeczpospolita“. Farfał hat zugleich damit begonnen, wichtige Posten der Führungsebene an Mitstreiter der LPR zu vergeben – und zwar sowohl im redaktionellen als auch im administrativen Bereich.Von seinen politischen Ansichten spricht Farfał indes lieber nicht – mehr liegt ihm daran, sich als kluger Manager zu präsentieren. Sowohl Farfał als auch Rudomino bemühen sich, den wirtschaftlichen Aspekt ihrer Tätigkeit zu betonen und sich als politisch neutral zu präsentieren. Indes entstammen die beiden neuen mächtigen Macher, Farfał und Rudomino,  zwei populistischen Parteien, die bei den jüngsten Parlamentswahlen im Oktober 2007 vom Wähler abgestraft worden und klar an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert waren. Rudomino war Mitglied bei der populistischen Partei Samoobrona (Selbstverteidigung), mit der er nun zerstritten ist.Der Skandal um Farfał hat jedoch tiefere Wurzeln und gründet in dem äußerst reformbedürftigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dieser ist faktisch nicht öffentlich-rechtlich, sondern staatlich. Es gibt zwar einen festgelegten Programmauftrag, die so genannte „Mission“, doch Entscheidungsträger werden ausschließlich vom Parlament, dem Senat und dem Präsidenten bestimmt. Es gibt keinerlei Mitsprache anderer gesellschaftlicher Gruppen, wie dies etwa im deutschen System der Fall ist.Durch diese Politisierung der Medien komme es nach Meinung von Miroslaw Chojecki von der Gesellschaft für Pressefreiheit dazu, dass die besten Journalisten die öffentlich-rechtlichen Medien meiden. „Die öffentlichen Medien wollen gar nicht die besten Journalisten beschäftigen, sondern diejenigen, die gefügig sind“, sagt Chojecki, der als Produzent von Dokumentarfilmen mit verschiedenen TV-Sendern, auch den staatlichen, zusammenarbeitet.Auf Farfał eingeschossen haben sich vor allem linksliberale Medien wie die Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“. Das Blatt weist immer wieder auf Farfałs rechte Vergangenheit hin, als er unter anderem Artikel für das Blatt „Szczerbiec“ verfasste, das von der rechtsradikalen Partei Nationale Auferstehung Polens (NOP) herausgegeben wird. Der einflussreiche Publizist Jacek Zakowski erbost sich vor allem über die gelassene Selbstverständlichkeit, mit der die politische Klasse die Ernennung Farfałs hinnehme. Er verlangt, dass der Präsident und die Regierung sofort ein Gesetz auf den Weg bringen, das die Entscheidung rückgängig mache.Tatsächlich ist es von Seiten der regierenden Bürgerplattform (PO) von Premier Donald Tusk erstaunlich ruhig zu dem Thema. Ein Insider der TVP sagte gegenüber einer Zeitung, dass man ihn wohl zunächst die schmutzige Arbeit machen lassen wolle – also wirtschaftliche Einschnitte, die auch die PO bejahe. Danach werde man Farfał zurückdrängen.Um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu entpolitisieren, planen etliche Organisationen aus dem Medienbereich ein Gesetzesprojekt. Es sieht vor, Personen aus dem künstlerisch-medialen Bereich und auch die Gewerkschaften an den Entscheidungsgremien zu beteiligen. Es soll als Bürgerprojekt ins Parlament eingebracht werden, notwendig sind 100.000 Unterschriften. Die Macher zeigen sich zuversichtlich. Doch bei einem Erfolg dürften sie mit den Vorhaben der Regierung auf Kriegsfuß stehen.Denn die Regierung plant in ihrem Gesetz die Abschaffung der Rundfunk-Gebühren, die Finanzierung soll nach ihrem Willen aus Steuermitteln erfolgen. Die geplanten Neuerungen dürften zu kaum weniger Politisierung führen, die Abhängigkeit vom Staat wäre noch größer. Das Gesetz soll schnell kommen, schließlich stehen im Juni 2009 die kommenden Europawahlen an – zu diesem Zeitpunkt möchte man die Führungsgremien im öffentlichen Rundfunk mit eigenen Leuten besetzen.Miroslaw Chojecki sieht indes die Sache um Farfał gelassener als das polnische Mediensystem selbst. „Ich denke, dass man Piotr Farfał nicht danach beurteilen sollte, was er als 20-jähriger Rotzbube gesagt oder gedacht hat, sondern was er als neuer Leiter des öffentlichen Fernsehens tun wird“, sagt der Gründer und Ehrenvorsitzende der polnischen Gesellschaft für Pressefreiheit. Er glaube nicht, dass der neue TV-Chef faschistische Ansichten propagieren werde, so Chojecki.Jan Opielka

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