Lenin und Stalin in der Nationalgalerie
Im Hinterhof der albanischen Nationalgalerie treffen sie sich wieder: Lenin und Stalin, Marx und Engels. Möglicherweise gesellt sich auch noch der albanische Diktator Enver Hoxha hinzu. Das wünscht sich zumindest Rubens Shima, Direktor der Nationalgalerie in der albanischen Hauptstadt Tirana, der eine neue Ausstellung mit den Statuen aus kommunistischer Zeit plant.
In anderen Städten des ehemaligen Ostblocks sind Relikte, die an die kommunistische Zeit und ihre Köpfe erinnern, keine Seltenheit: So hat Chemnitz seinen bekannten Karl-Marx-Kopf, Marx und Engels stehen am Alexanderplatz in Berlin. Im Skulpturenpark in Budapest und im Grutas-Park in Litauen sind viele der früheren kommunistischen Helden versammelt. In Albanien jedoch war Vergleichbares in der Vergangenheit kaum zu finden. Lediglich Partisanendenkmäler stehen an manchen Straßenecken in Albanien. In den Städten sehen sie zum Teil noch recht gepflegt aus, außerhalb sind sie jedoch meist nicht mehr als demolierte Landmarken, die heute nur noch als Orientierungspunkt für Überlandbusse dienen.
Noch ist der Kopf der Leninstatue verhüllt - wegen eines Transportschadens / Hans-Ulrich Lempert, n-ost
Mit dem Sturz der vergoldeten Enver-Hoxha-Statue am 20. Februar 1991 im Zentrum Tiranas verschwanden auch alle anderen Denkmäler, die im Land während der Diktatur aufgestellt worden waren. Diesem radikalen Umgang mit der Vergangenheit stellt der Direktor der Nationalgalerie, Rubens Shima, nun eine Idee entgegen, die in Albanien höchst umstritten ist. Er will viele der alten Statuen wieder aufstellen. Als Erweiterung der Nationalgalerie soll im Hinterhof eine dauerhafte Ausstellung über kommunistische Denkmäler aufgebaut werden.
Deshalb sammelt Shima nun, was vom Kommunismus übrig geblieben ist: Statuen von Stalin und Lenin habe er in der Fabrik gefunden, in der sie früher hergestellt wurden. Andere Statuen befänden sich noch immer in den öffentlichen Gebäuden, in denen sie früher standen, in Magazinen oder Abstellräumen. Zu Lenin und Stalin sollen noch die Statuen von Karl Marx und Friedrich Engels kommen, um das Quartett der Chefideologen des Kommunismus, die in Albanien als die „vier Klassiker” bezeichnet werden, zu vervollständigen. Auch eine Statue von Hoxha würde der Museumsdirektor aufstellen, allerdings dürfte kaum noch eine auffindbar sein. Die Hoxha-Denkmäler, erklärt er, seien alle zerstört worden.
Stalinstatue auf dem Hinterhof der Nationalgalerie in Tirana / Hans-Ulrich Lempert, n-ost
Mit der neuen Ausstellung auch ein Stück Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur nachzuholen, hat Rubens Shima indes nicht bezweckt. Ihm gehe es stattdessen darum, Kunstgeschichte zu präsentieren. „Der Kommunismus hat in der Kunstgeschichte eine bedeutende, aber bis heute unterbewertete Rolle gespielt“, erklärt er und beklagt zugleich einen falschen Umgang mit der albanischen Geschichte. „In einer Stadt wie Tirana zu leben heißt, in einer Stadt ohne Geschichte zu leben”, sagt er. So falle nicht nur all das, was aus der kommunistischen Zeit stamme, Neubauten zum Opfer. „Uns fehlt eine Kultur des Denkmalschutzes, die historische Bauten in ihrer Substanz bewahrt.“
Wie ausgerechnet eine Ausstellung mit kommunistischen Statuen dies ändern soll, ist in der Bevölkerung umstritten. Jene Albaner der älteren Generation, die in der Diktatur gelebt und unter ihr gelitten haben, befürchten, dass mit der Aufstellung der Statuen eine erneute Glorifizierung der kommunistischen Führer einhergehen könnte, und lehnen die Ausstellung ab. Für die junge Generation hingegen sind die alten Denkmäler exotische Relikte einer vergangenen Zeit, vor denen sie gern posieren und sich fotografieren lassen.