„Wir sind bereit, Gas weiterzuleiten“ / Interview mit dem stellvertretenden Außenminister der Ukraine Konstantin Jelisejew
Noch immer wird kein russisches Gas durch die Ukraine nach Westeuropa geleitet. Am Samstag wollen sich Vertreter Russlands, der Ukraine und der EU in Moskau zu einem Gasgipfel treffen. Im n-ost-Interview erläutert Konstantin Jelisejew, stellvertretender Außenminister der Ukraine und zuständig für die Verhandlungen im Gasstreit mit Russland, die ukrainische Position.
Ostpol: Worin liegt aus Ihrer Sicht der Kern des Konflikts mit Russland?
Jelisejew: Es ist ein ökonomischer Konflikt mit einem politischen Hintergrund. Während der vergangenen 17 Jahre hat Russland versucht, die ukrainische Gas-Infrastruktur, also die Transit-Pipelines, unter Kontrolle zu bringen – so, wie es in Weißrussland gelungen ist. Das ist auch im aktuellen Konflikt der Kern. Zweitens versucht Russland, politischen Druck auf die Ukraine aufzubauen und uns als Transit-Land zu diskreditieren.
Die Ukraine und Russland beschuldigen sich gegenseitig, das Gas nicht zu liefern oder nicht weiterzuleiten.
Wie ist aus Ihrer Sicht der aktuelle Stand?
Jelisejew: Es gibt keine gültigen Verträge – wir kennen den Preis nicht, zu dem Gas über die Ukraine in die EU geschickt werden soll. Aber wir sind bereit, Gas weiterzuleiten. So versorgen wir etwa die Republik Moldau aus unseren eigenen Reserven. Was wir derzeit sehen, ist eine beispiellose anti-ukrainische PR-Kampagne durch Russland. Gas wurde zu einer politischen Waffe.
Wie bewerten Sie die Rolle der EU in der aktuellen Krise?
Jelisejew: Die EU darf nicht zu einem politischen Instrument Russlands werden, sie muss einen neutralen Standpunkt behalten. Was die EU derzeit tut, ist, dass sie die Schuld beiden Parteien – also Russland und der Ukraine – gleichermaßen zuschiebt. Das ist nicht gut. Zu Beginn des Konflikts hat die EU eine Position des Abwartens eingenommen. Sie hätte von Anbeginn aktiver sein sollen. Dadurch hat sie den kritischen Punkt, eine solche Situation wie jetzt zu vermeiden, verpasst.
Was erwarten Sie von der EU?
Jelisejew: Was wir von der EU erwarten, ist eine klare Position. Die EU sollte daran arbeiten, eine Wiederholung dieser gegenwärtigen Krise in der Zukunft zu verhindern. Was wir dazu brauchen: Eine klare Perspektive für die Integration in die EU. Die Ukraine muss ein Mitglied der Europäischen Union werden. Wir brauchen sichtbare und vertrauensvolle Schritte Brüssels in diese Richtung.
In welche Richtung verhandelt die Ukraine derzeit?
Jelisejew: Die Ukraine sollte bilaterale Verträge mit den Abnehmern schließen. Also: Die Ukraine kauft das gesamte russische Gas an der russischen Grenze und leitet es auf dieser Basis an die Abnehmer im Westen weiter.
Und gegenüber Russland?
Jelisejew: Wir wollen direkte Verträge zwischen der ukrainischen Naftogaz und der russischen Gazprom - ohne Zwischenhändler wie RosUkrEnergo. Dieser tut natürlich alles, um auch in einem zukünftigen Abkommen eine Rolle zu spielen. Aber ich hoffe, dass es einen Vertrag ohne RosUkrEnergo geben wird. Zugleich brauchen wir eine Übergangsfrist von drei Jahren, bis alle Tarife auf Weltmarktniveau angehoben werden. Also die Preise für Gas auf der einen und die für Transit auf der anderen Seite.
Es gibt Spekulationen, dass die ukrainischen Pipelines veräußert werden könnten – an Russland oder teilweise auch an die USA. Was hat es damit auf sich?
Jelisejew: Das ukrainische Pipeline-Netz ist Eigentum des ukrainischen Staates. Eine Veräußerung – ob an Russland oder die USA – ist laut ukrainischem Recht verboten. Eine US-Beteiligung ist reine Spekulation.
Was bedeutet der derzeitige Konflikt für die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine?
Jelisejew: Alle Seiten müssen aus dem Konflikt ihre Lektionen lernen: Die EU, die Ukraine, Russland. Was für uns relevant ist: Wir müssen unsere Infrastruktur modernisieren, das würde die Kapazitäten für den Transit massiv steigern. Aber die russische Seite versucht, die Ukraine als Transitland zu diskreditieren und das Augenmerk auf Alternativen wie Southstream und Northstream zu lenken.
Wie geeint ist die ansonsten so zersplitterte ukrainische Führung in dem jetzigen Konflikt?
Jelisejew: Das Hauptziel Russlands war es, die ukrainische Führung zu spalten. Aber gerade in diesem Streit steht die Ukraine sehr geeint da. Präsident und Premierministerin haben eine Reihe gemeinsamer Erklärungen abgegeben. Unsere Führung ist geeint. Interne Konflikte sind im Übrigen ein Nebeneffekt demokratischer Prozesse.