Tschechien

Faux pas gleich zu Beginn

Prag vergaloppiert sich zum Auftakt seiner EU-Ratspräsidentschaft

(n-ost) - Tschechiens Außenminster Karl Fürst Schwarzenberg nahm es scheinbar locker: „Das kann jedem mal passieren.“ Doch im Stillen dürfte er gewusst haben, dass er seine Mission zur Beruhigung des aktuellen Nah-Ost-Konflikts getrost abhaken können wird. Die Suppe versalzen hatte ihm der Sprecher des tschechischen Premiers für die Zeit der Prager EU-Ratspräsidentschaft, Jiri Frantisek Potuznik. Der hatte den Einmarsch israelischer Bodentruppen in den Gaza-Streifen als eindeutig „defensive Aktion“ bezeichnet und somit klar Partei für Israel ergriffen.Kaum war diese Erklärung über die Ticker der internationalen Nachrichtenagenturen gelaufen, erhob sich ein Proteststurm. Die in der arabischen Welt einflussreiche Gaddhafi-Stiftung verlangte eine umgehende Entschuldigung der Tschechen. Anderenfalls werde Libyen die diplomatischen Beziehungen zu Prag abbrechen. Stirnrunzelnd äußerten sich auch Vertreter Großbritanniens und Frankreichs zu der aus ihrer Sicht einseitigen Parteinahme des tschechischen EU-Ratsvorsitzes. Seither rudert Prag zurück.Zwar blieb die geforderte Entschuldigung bislang aus; aber sowohl Premier Mirek Topolanek als auch Außenminister Schwarzenberg sprachen von einem „schweren Fehler“ und einem „Missverständnis“. Der gescholtene Sprecher bot seinen Rücktritt an, darf aber wohl im Amt bleiben. Schwarzenberg sagte, der Einsatz israelischer Bodentruppen komme für ihn nicht überraschend. „Doch auch das unveräußerliche Recht eines Landes, sich zu schützen, rechtfertige nicht Aktionen, unter denen in erster Linie die Zivilbevölkerung zu leiden habe.“ In seiner Grundeinstellung blieb der für klare Worte bekannte Schwarzenberg aber hart: „Die Schuld an dem Krieg trägt allein die Hamas.“Damit dürfte er auch selbst seiner EU-Nahost-Mission keinen Gefallen getan haben. Zu der war er am Sonntag gemeinsam mit EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner sowie den Außenministern Frankreichs und Schwedens, Bernard Kouchner und Carl Bildt, aufgebrochen. Die Einbindung Kouchners begründete Prag übrigens hinter vorgehaltener Hand damit, dass man so aus erster Hand wisse, was Präsident Nicolas Sarkozy zeitgleich in der Krisenregion unternehme. Äußerst fragwürdig ist nach dem diplomatischen Faux pas auch, ob die Tschechen es schaffen werden, den ersten EU-Israel-Gipfel zu organisieren.Ungeachtet der eher geringen Erfolgsaussichten der EU-Troika versucht sich Prag weiter im Krisenmanagement. Regierungschef Topolanek sprach am Montag von einem eigenen Plan zur Befriedung der Lage im Gaza-Streifen. Einzelheiten nannte er nicht, verriet aber, dass er seine Vorstellungen mit europäischen Spitzenpolitikern wie auch mit US-Präsident George W. Bush und dem israelischen Premier Ehud Olmert konsultiere. Im Kern gehe es darum, eine Waffenruhe zu erreichen.Die im Grunde eindeutig pro-israelische Haltung der Tschechen könnte Zweifel nähren, ob Prag sich in seiner Präsidentschaft tatsächlich als guter Makler und Vermittler im Namen der EU präsentieren kann. Die führende slowakische Zeitung „Sme“ nannte die tschechische Außenpolitik am Montag „in vielen Punkten exzentrisch“. Prags Problem sei, dass es mitunter Wahrheiten sehr drastisch äußere. Das müsse an sich nicht schlecht sein für die EU. „Eine solche Haltung setzt jedoch voraus, dass Prag international auch Respekt und Autorität genießt. Und die kann man leichter verlieren als gewinnen.“ Die konservative Prager Zeitung „Lidove noviny“ spottete, „wir müssen erst noch lernen, typisch europäisch politisch korrekt zu lügen“.Die Deutlichkeit in der Ansprache könnte in der Tat zu einem Problem der Prager EU-Präsidentschaft werden. Seit Jahren liegen die Tschechen beispielsweise mit den Spaniern in Sachen Kuba im Clinch. Menschenrechtsverletzungen des Castro-Regimes wogen für Prag – aus eigener bitterer Erfahrung heraus – immer schwerer als Handelsfragen. Schwarzenberg selbst war viele Jahre Vorsitzender der Helsinki-Föderation für Menschenrechte und nahm 2005 eine Ausweisung aus Kuba in Kauf, weil er sich mit Castro-Gegnern treffen wollte.Pikant dürfte auch das von Prag angedachte Gipfeltreffen der EU mit den Staaten Osteuropas werden. Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko ist bislang für Prag – im Gegensatz zu vielen anderen in der EU – ein absolut rotes Tuch.Hans-Jörg Schmidt
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