Späte Strafe für Kommunisten
Empfindliche Kürzung der Renten ehemaliger kommunistischer Funktionäre: Einige Polen halten das für späte Gerechtigkeit, andere sprechen von kollektiver Rache.
(n-ost) - Missmutig wird Wojciech Jaruzelski künftig auf seinen Rentenbescheid schauen. Denn auch den ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten und Generalsekretär der Kommunistischen Partei, der im Dezember 1981 das Kriegsrecht über Polen verhängt hatte, trifft das Gesetz, welches das polnische Parlament am vergangenen Freitag verabschiedet hat. Die Abgeordneten kürzten die Renten ehemaliger Funktionäre damit deutlich: Statt 2,6 Prozent erhalten diese in Zukunft nur noch 0,7 bis 1,2 Prozent für jedes Arbeitsjahr in der Zeit zwischen 1944 und 1990. Für Jaruzelski schrumpft die monatliche Rente als General dadurch von bisher 1800 auf 600 Euro. Rangniedere Mitarbeiter der kommunistischen Führung hingegen werden nun teilweise von nur noch 150 Euro im Monat leben müssen - von der polnischen Mindestrente also.Betroffen sind nicht nur Mitarbeiter der Sicherheitsdienste und des Militärrates für Nationalrettung, der Polen in der Zeit des Kriegsrechts 1981/82 regierte, sondern auch sämtliche Nachrichtendienstler und Militärfunktionäre, die „operationelle oder Ermittlungsverfahren durchgeführt haben“. Nicht einmal ehemalige Funktionäre, die sich nach 1990 mit positivem Ergebnis der „Durchleuchtung“ ihrer Vergangenheit gestellt hatten und daraufhin weiter für die Dienste tätig sein durften, nimmt das neue Gesetz von den Kürzungen aus. Einzig und allein diejenigen, die vor Gericht beweisen, dass sie in Nachrichten- und Sicherheitsdiensten einst verdeckt für die demokratische Opposition arbeiteten, dürfen ihre Rente behalten.Das polnische Parlament verabschiedete das neue Gesetz am Freitag mit einer überwiegenden Mehrheit der Abgeordneten von 366 zu 50 Stimmen. Sowohl die regierende Bürgerplattform und die Volkspartei als auch die oppositionelle Partei „Recht und Gerechtigkeit“ stimmten für das Gesetz, dagegen war allein die oppositionelle Linke. Mit der Neuregelung kehrten grundlegende Prinzipien der Gerechtigkeit in die polnische Gesellschaft zurück, argumentierte die Regierung, die das Gesetz eingebracht hatte.Es ginge nicht darum, ehemalige Funktionäre jetzt besonders hart zu bestrafen, betonte der Sprecher von Präsident Lech Kaczynski, Michal Kaminski, der selbst für die Partei „Recht und Gerechtigkeit“ arbeitet. „Wir wollen nur, dass diese Menschen heute nicht mehr Geld bekommen als alle anderen Rentner, die in jenen Zeiten mehr für Polen getan haben als die kommunistischen Funktionäre“, so Kaminski. Besonders stört die Befürworter der neuen Regelung, dass die ehemaligen Funktionäre ihre Sozialbeiträge nicht einmal in das Budget abgeführt hätten. „Es kann einfach nicht sein, dass die Opfer des Regimes zehnmal so wenig Geld bekommen wie ihre Folterknechte“, bekräftigt auch Sebastian Karpiniuk von der Bürgerplattform.Für die „Rückkehr zu einer falsch verstandenen kollektiven Verantwortlichkeit“ hält hingegen Janusz Zemke von den Linken das Gesetz. Seine Partei droht, vor dem Verfassungstribunal dagegen zu klagen. General Jaruzelski überlegt indes, ob er sich jetzt nicht doch noch für die Präsidentenrente entscheidet, auf die er vorher verzichtet hatte. Als ehemaliges Staatsoberhaupt würde er sogar mehr Geld bekommen, als jetzt ein emeritierter General. Andere Funktionäre hingegen haben eine solche Wahl nicht.In Polen kocht die Debatte darüber, wie ehemalige Mitarbeiter der kommunistischen Staats- und Sicherheitsdienste für ihre Taten haften sollen, immer wieder auf. Nach der politischen Wende Ende der 90er Jahre hatten die ersten polnischen Regierungen zunächst eine Strategie des radikalen Schlussstrichs verfolgt. Man wollte Blutvergießen wie in Rumänien vermeiden und verzichtete deshalb auf die Abrechnung mit den Funktionären von einst. Dieser friedliche Übergang wird jedoch von einem Teil der polnischen Bevölkerung immer wieder kritisiert. Unter der konservativen Regierung von Jaroslaw Kaczynski begann 2006 die Politik der so genannten Durchleuchtung, um führende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auf ihre Vergangenheit zu überprüfen. 2007 wurde sogar ein Prozess gegen Wojciech Jaruzelski und andere Mitglieder des Militärrates von 1981 eröffnet.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0