Eine kritische Stimme soll verstummen
Noch ist er in der ungarischen Hauptstadt auf der Frequenz 95.3 zu hören: Der Sender Klubradio. Donnerstag früh erfährt man hier beispielsweise, dass eine weitere Ratingagentur ungarische Staatsanleihen nur noch als „Ramsch“ einstuft – und dass die Gaspreise in ungarischen Haushalten bald weiter steigen könnten. Bei Klubradio finden die Hörer kritische Nachrichten- und Analysesendungen – bei den staatlichen Radio- und Fernsehsendern werden gerade diese immer seltener. Klubradio gilt als letzte oppositionelle Funkstation des Landes, jeden Tag schalten 200.000 bis 400.000 Hörer ein.
Doch schon im März 2012 wird der Sender wohl verstummen. Denn bei der Neuausschreibung hat der ungarische Medienrat ihre Frequenz an ein bislang unbekanntes Unternehmen ohne jede Medienerfahrung vergeben. „Das war keine Ausschreibung, sondern eine Komödie“, wettert Klubradio-Chef Andras Arato. Der Medienrat habe einen hohen Anteil insbesondere ungarischer Musik und lokaler Nachrichten verlangt – was den Erfolg von Klubradio von Anfang an minimiert habe.
Von Orban ausgeschaltet?
Seit der Entscheidung schlagen die Wellen der Empörung im In- und Ausland hoch. Attila Mesterhazy, Chef der oppositionellen Sozialisten, beschuldigt den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, persönlich das Ende von Klubradio angeordnet zu haben. „Eine solch schwerwiegende Entscheidung hätte nicht ohne sein Einverständnis getroffen werden können“, ist sich Mesterhazy sicher.
Der ungarische Medienrat, der die Radiofrequenzen vergibt, war im Zuge der umstrittenen Reform des Mediengesetzes geschaffen worden. Ihre Mitglieder sind alle von der nationalkonservativen Regierungspartei Fidesz ernannt worden, die das Land seit dem Frühjahr 2009 mit einer Zweidrittelmehrheit regiert – und ihre Macht nach Ansicht vieler Kritiker benutzt, um die Medienlandschaft gleichzuschalten. Vertreter des Medienrates betonen hingegen ihre Unabhängigkeit und die Möglichkeit, die Entscheidung vor Gericht anzufechten.
Keine Hoffnung mehr für Klubradio
Auf das ungarische Verfassungsgericht hingegen können die Macher von Klubradio nicht mehr hoffen. Am Montag hatten die Richter zwar Teile des Mediengesetzes als verfassungswidrig verworfen – mit der Regulierung von Radio und Fernsehen hatten sich die Richter indes gar nicht befasst. Sämtliche richterliche Kritikpunkte bezogen sich auf Zeitungen und Online-Medien. Dort wurde der Quellen- und der Datenschutz für die Journalisten durch das Urteil zwar verbessert. Doch die Struktur des Medienrates, dessen Mitglieder von der Fidesz-Regierung auf neun Jahre ernannt worden sind, haben die Richter nicht angetastet.
Der ungarische Verfassungsrechtler Gabor Halmai sieht darin eine schwere Versäumnis. Denn ab Anfang 2012 haben Bürger, die von einem Gesetz nicht direkt betroffen sind, keine Möglichkeit mehr, eine Verfassungsklage einzureichen. Bislang konnte – ähnlich wie in Österreich und Deutschland – jeder Bürger Einspruch erheben, wenn er ein Gesetz für nicht verfassungskonform hielt.
Methoden wie zur Stalin-Zeit
In Zukunft wird das in Ungarn nicht mehr möglich sein. Dann müssten sich ein Viertel der Parlamentsabgeordneten zusammenfinden, um beispielsweise die Medien-Kontrollstrukturen höchstgerichtlich prüfen zu lassen. Wegen der Übermacht der Fidesz bräuchte es dazu nicht nur die Sozialisten und die ökologische LMP, sondern auch die rechtsextremen Jobbik-Abgeordneten – eine solche Koalition gilt als höchst unwahrscheinlich.
Die Empörung über die Medienpolitik der Orban-Regierung war in Teilen der ungarischen Gesellschaft schon vor der Klubradio-Entscheidung hoch. Sie entzündete sich beispielsweise an einem Interview in den Abendnachrichten. Im Hintergrund des Bildes war dort der ehemalige oberste Richter des Landes, Zoltan Lomnici, zu sehen – weil er jedoch offensichtlich als „unerwünschte Person“ in den staatsnahen Medien gilt, hatte man sein Gesicht im Fernsehen unkenntlich gemacht. Oppositionelle Medien sprachen daraufhin von „Methoden, wie sie seit stalinistischen Zeiten nicht mehr zum Einsatz gekommen sind“.