Studentenzimmer für Klimaretter
Posen beweist bei der Organisation der UN-Klimakonferenz Improvisationstalent - doch für die Fußball-EM 2012 wird dies nicht ausreichen.
(n-ost) - Menschen von den Malediven schlendern im polnischen Posen (Poznan) über neu gepflasterte Fußgängerwege, Delegierte von den Pazifischen Inseln machen mit ihren exotischen Trachten in der Einkaufsmeile Furore: Noch nie hat Posen solch einen Ansturm von ausländischen Gästen erlebt. Rund 10.000 Teilnehmer sind derzeit anlässlich der UN-Klimakonferenz in Poznan zu Gast, darunter 186 Regierungsdelegationen.Die Studentin Julia Otten hat die Stadt indes mit Beginn der Konferenz verlassen. Die deutsche Studentin der Akademia Ekonomiczna musste ihr Zimmer im Studentenwohnheim räumen, um Platz für die Gäste zu schaffen. Obwohl ihr ein anderes Zimmer angeboten wurde, fuhr sie nach Hause – wie hunderte andere ausländische Studenten auch. In ihren Betten schlafen jetzt die Gäste der Klimakonferenz. Julia Otten stört das nicht: „Mir ist die Art und Weise, wie die Polen das alles organisieren, sehr sympathisch“, sagt sie.Sie weiß, dass den Teilnehmern des Klimagipfels nur knapp 6.000 Hotelplätze zur Verfügung standen. Seit fast einem Jahr sollen die meisten Hotelzimmer ausgebucht gewesen sein. Mit dem typisch polnischen Talent zur Improvisation wurde dieses Problem gelöst: „Poznań hat auch Privatzimmer, Pensionen und Studentenwohnheime“, beruhigte vor der Konferenz Małgorzata Dutka vom Posener Convention Bureau. An den größten Unis wird im Dezember nicht studiert, so konnten hunderte Studentenzimmer genutzt werden.Nach Schätzungen sollen während der Fußballeuropameisterschaft 2012 fünf mal so viele Besucher nach Posen kommen. Die Modernisierung und der Ausbau der Hotels in Posen war eine der Bedingungen, die die Uefa den Gastgebern stellte. Zwei Wochen vor dem Klimagipfel prüften ihre Vertreter den Standard der Hotels. Laut Medienberichten versicherten die Organisatoren, bis 2012 neue Objekte, darunter neun fünf-Sterne Hotels einzurichten. Improvisieren ist dann nicht mehr möglich.Deshalb ist die Klimakonferenz für Posen ein willkommener Testlauf. Die Klimaexperten tagen auf dem Gelände der Posener Messen. Für die EM reicht es jedoch nicht aus, auf vorhandene Immobilien zurückzugreifen. Die für die Meisterschaft geplanten Investitionen sollen die Infrastruktur des Landes erheblich verbessern. 38 Milliarden Euro stehen dafür zur Verfügung. Doch Experten sind sich einig: Polen schafft es nicht, alle Projekte zu verwirklichen. An den Bau tausender Kilometer Autobahnen oder die rechtzeitige Modernisierung des maroden Bahnnetzes glaubt in Polen kaum noch jemand.Für die EM-Städte Warschau, Danzig, Breslau und Posen lassen sich nur noch einzelne Projekte, die absolute Priorität haben, realisieren. So will Posen zwei Milliarden für die Entwicklung der Infrastruktur ausgeben. Autobahnzubringer, Hauptbahnhof, Flughafen, Hotels und S-Bahnlinien sind das Minimum. Der Ausbau der Arena laufe auf Hochtouren und das Objekt habe eine gute Chance, als erstes EM Stadion 2010 fertiggestellt zu werden, heißt es aus der Stadtverwaltung. Die übrigen Stadien existieren immer noch auf dem Papier. 2011 soll eine neue Autobahnstrecke Posen mit der deutschen Grenze verbinden.Schleppende Prozeduren, wiederholte öffentliche Ausschreibungen und Unentschlossenheit der Regierenden verzögern die Realisierung der Investitionen. Bei der Veranstaltung des Klimagipfels ging es eher um Organisatorisches. Trotzdem wiederholt der Bürgermeister von Posen Ryszard Grobelny: „Die Organisation der Klimakonferenz ist schwieriger als die Vorbereitungen für die EM 2012.“ Vor dem Klimagipfel hätte die Stadt lediglich zehn Monate Zeit gehabt. Bis zum ersten Anpfiff der EM sind es noch dreieinhalb Jahre. Unverdrossen versichern die Oberbürgermeister der EM-Städte jedoch, sie würden rechtzeitig vorbereitet sein.Es gilt jedoch nicht nur, rechtzeitig vorbereitet zu sein, sondern für einen perfekten Ablauf der EM zu sorgen. Dazu gehören auch Sicherheitsvorkehrungen wie derzeit bei der Klimakonferenz: Tausend Polizisten sichern den friedlichen Verlauf der Verhandlungen. Am 11. Dezember werden die Sicherheitsdienste ihren größten Test bestehen müssen: Am vorletzten Tag der Konferenz kommen rund 150 Minister, der UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon, Friedensnobelpreisträger Al Gore sowie mehrere Regierungschefs in die Stadt.„Alle Behörden, nicht nur die Polizei, machen während der Klimakonferenz wichtige Erfahrungen“, sagt Ryszard Grobelny und nennt Beispiele. So hat die Stadtverwaltung beschlossen, die Gäste vor unfairen Taxifahrern zu schützen. Rund 150 Mitarbeiter des Finanzamtes kontrollieren täglich, ob die Fahrgäste auf direktem Weg und nicht zu falschen Tarifen an ihr Ziel gebracht werden.Mit solchen Maßnahmen will Posen ein angenehmes Klima für internationale Veranstaltungen schaffen. Wie 1929, als Posen von Warschau die Organisation der Allgemeinen Landesausstellung (PeWuKa) übernahm. Mit vier Millionen Besuchern, darunter 200.00 aus dem Ausland, 112 neu erbauten Gebäuden und Einrichtungen war die Ausstellung die größte Veranstaltung in der bisherigen Geschichte Polens. Der Magistrat hofft darauf, dass die Organisation der Klimakonferenz und der EM 2012 der Stadt einen ähnlichen Imagegewinn bringt wie die PeWuKa.
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