Erneuerbare Energien vernachlässigt
In Polen werden Solarzellen und Windräder bisher kaum zur Stromerzeugung genutzt
(n-ost) - Die Photovoltaikanlage auf dem Dach und an der Fassade der Technischen Universität Warschaus fügt sich gut in das Panorama einer modernen Stadt. In den Jahren 2006 und 2007 wurden die verschiedenen Module angebracht, Geld dafür gab es aus dem Ecofund, der einen Teil der polnischen Staatsschulden in Umweltschutzinvestitionen im Lande umwandelt. Das Photovoltaikzentrum an der Technischen Universität in Warschau ist technisch gut ausgestattet, neben den Modulen verfügt das Forschungszentrum über verschiedene Testeinrichtungen für Solarzellen.Aber nicht nur die technische Entwicklung gehört zu den Aufgaben des Zentrums, sondern auch die Aufklärung der Öffentlichkeit. Institutsleiter Stanisław Pietruszko wähnt sich damit auf einem schwierigen Posten. „Die Regierung sieht Photovoltaik nicht als wirtschaftliche Energiequelle an“, erklärt er. Polen ist zwar nicht gerade ein Sonnenland, ungünstiger als im Norden Deutschlands ist die Sonnenstatistik aber auch nicht. Und im westlichen Nachbarland wird bei der gleichen Einstrahlung durchaus in die Photovoltaik investiert. Anders in Polen.Außer auf dem Universitätsdach sind indes kaum Solarzellen auf polnischen Hausdächern zu sehen. Hauptsächlich wird die Photovoltaik bisher für Insellösungen genutzt. Vielleicht sind es die bürokratischen Prozeduren, die die PV-Betreiber vor dem Anschluss zurückschrecken lassen. „In Polen braucht man 20 Genehmigungen für den Netzanschluss und den Verkauf von Strom“, schreibt Pietruszko in einer Einschätzung der aktuellen Situation in den neuen EU-Mitgliedsstaaten.Die geringe Bedeutung der Solarenergie hat sowohl mit der Vergangenheit der polnischen Energiewirtschaft als auch mit der aktuellen Gesetzgebung zu tun. Insgesamt spielten die erneuerbaren Energien vor den Beitrittsverhandlungen zur EU eine zu vernachlässigende Rolle. Noch heute deckt die Steinkohle die Hälfte des Primärenergiebedarfs ab, ergänzt von Braunkohle, Erdöl und Erdgas. Der Strom kommt sogar zu 95 Prozent aus der Kohleverbrennung. Die erneuerbaren Energien erreichen mittlerweile knapp 5 Prozent des Primärenergieverbrauchs.Doch die Situation wandelt sich: Wind, Biomasse, Geothermie und Solarenergie bieten große Entwicklungsspielräume, die zum Teil auch genutzt werden. Allerdings kommen die Triebkräfte hierzu nicht immer aus dem eigenen Land. „Die Diskussion über erneuerbare Energien ist durch das Pflichtprogramm aus Brüssel geprägt“, schätzt Grzegorz Wiśniewski, Direktor des Instituts für Erneuerbare Energien (IEO) die Lage im Land ein. Sein Institut verfasst unter anderem Expertisen für die polnische Regierung, findet aber dort nur bedingt Gehör.In den Richtlinien der Energiepolitik bis 2020, die im Jahr 2000 verabschiedet wurden, wird die wichtigste Priorität noch der Energiesicherheit eingeräumt, die hauptsächlich durch eine Diversifizierung der Importe von Erdöl und Erdgas erreicht werden soll. „Polen hat kein bedeutendes Potential für erneuerbare Energien“, heißt es in dem Dokument auch. Durch den EU-Beitritt hat sich aber einiges in der Energiestrategie verschoben.Um die erneuerbaren Energien zu fördern, hat die polnische Regierung ein Zertifikatssystem eingeführt, kombiniert mit Quoten für grünen Strom. Energieversorger müssen seit 2007 nachweisen, dass 4,8 Prozent ihres Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen, im Jahr 2010 soll der Anteil auf 7,5 Prozent erhöht werden. Ein Teil der Kraftwerksbetreiber erfüllt die Quote durch Beifeuerung von Biomasse. Außerdem sind Stromhändler verpflichtet, eine bestimmte Anzahl so genannter Grüner Zertifikate zu erwerben. Die Erzeuger erneuerbarer Energien müssen ihren Strom zum üblichen Marktpreis verkaufen, zusätzlich erzielen sie aber Erträge durch den Verkauf ihrer Zertifikate.Zwar können auf diese Weise zum Teil recht gute Preise erzielt werden, kostspielige Technologien wie die Photovoltaik lohnen sich aber kaum. Der Zertifikatehandel ist insgesamt eher auf große Stromerzeuger ausgerichtet. Außerdem ist es für kleine Energieerzeuger wie etwa Hauseigentümer schwierig, entsprechende Kredite aufzunehmen. Wegen des Risikos wären die Zinsen hoch, oder es wäre bei fehlenden Sicherheiten sogar unmöglich, einen Kredit zu bekommen, so Wiśniewski. Zinsvergünstigte Kredite sind bei der Photovoltaik der kleinere Teil des Problems, meint hingegen PV-Spezialist Pietruszko. „Ohne Bonus zahlt sich die Photovoltaik niemals aus, egal ob der Zinssatz beim Kredit nun fünf oder zehn Prozent beträgt.“ Er hofft daher auf die Einführung eines Einspeisetarifs wie in der Tschechischen Republik.Etwas mehr als bei der Photovoltaik tut sich bei der Nutzung der Solarthermie. Die autonome Wärmeproduktion, sei es aus Biomasse oder mittels Solarthermie, ist recht populär unter polnischen Hausbesitzern, meint Grzegorz Wiśniewski. „Hausbesitzer investieren auch ohne Subventionen immer mehr in Solarenergie, da die Energiepreise in den letzten Jahren in die Höhe geschnellt sind.“ Einer Analyse des IEO zufolge gibt es derzeit etwa 40 Anbieter für Kollektoren und Zubehör am polnischen Markt, etwa die Hälfte davon stammt ursprünglich aus Polen. Die Branche hätte sich zunächst entwickeln können, weil sie vor allem ins benachbarte Deutschland exportiert habe. So ist heute eine gute Basis geschaffen, um auch den polnischen Markt zu versorgen. Die Wachstumsraten in dem Sektor liegen laut IEO derzeit bei 30 bis 35 Prozent. Zahlreiche Hersteller konzentrieren sich in der Woiwodschaft Schlesien, einige andere arbeiten im benachbarten Kleinpolen.Während es die Solarthermie schon „made in Poland“ gibt, beschränken sich die Aktivitäten in der Photovoltaik auf Forschung und Entwicklung. Photovoltaik-Module sind meist nur in einer Art Gemischtwarenladen der erneuerbaren Energien zu haben. So bieten viele Händler gleichzeitig kleine Windräder, Solarthermiekollektoren, Wärmepumpen und PV-Module an.In der Windbranche herrscht hingegen Aufbruchstimmung, auch ausländische Investoren haben die günstigen Standorte an der Ostseeküste für sich entdeckt. Mitte 2008 waren nach Angaben des polnischen Windenergieverbands Windparks mit 350 Megawatt installiert, weitere vier Großprojekte mit insgesamt 285 Megawatt befinden sich in Bau. Im Vergleich zu Deutschland sind diese Zahlen verschwindend gering: Hierzulande haben Windparks eine potenzielle Leistung von 22.000 Megawatt. Polens Regierung strebt zumindest 2.000 Megawatt bis 2010 an.Die meisten Projekte konzentrieren sich auf die windreichen Standorte in Pommern und Westpommern. In der Mitte und im Osten sind die Windräder hingegen selten. Zwar gibt es Pioniere wie Wiesław Pasztaleniec aus dem südpolnischen Chwałowice, der sich aus Überzeugung sechs gebrauchte Windräder aus Dänemark auf seine Felder gestellt hat. Neue Anlagen hätte er sich nicht leisten können.Doch dieser private Erfindungsreichtum ist nicht die Regel. Grzegorz Wiśniewski vom Institut für Erneuerbare Energien sieht ein großes Problem gerade für die Windenergie bei der Einspeisung ins Stromnetz. „Es gilt der Grundsatz: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wenn die Kapazität erschöpft ist, muss man auf den Netzausbau im Rahmen allgemeiner Investitionsmaßnahmen warten.“ Sein Institut sendet bei aller Kritik auch eine positive Botschaft: Die Potentiale für 15 Prozent erneuerbare Energien bis 2020 sind vorhanden, allerdings würde dies Investitionen in Höhe von rund 60 Milliarden Słoty (17,7 Milliarden Euro) erfordern.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0