Präsidenten unter Beschuss
Der georgische und der polnische Präsident sind am Sonntag in Südossetien beschossen worden. Michail Saakaschwili und Lech Kaczynski waren gerade unterwegs zu einem Flüchtlingslager an der Grenze zu Ossetien. Kurz vor der Grenze feuerten Unbekannte drei Serien aus einem Maschinengewehr in Richtung der Kolonne. Die Sicherheitsleute des georgischen Präsidenten hätten sofort geantwortet, sagten Zeugen. Verletzt wurde niemand, die Kolonne fuhr nach Tiflis zurück.
Wer geschossen hat und ob es ein Zufall war, ist derzeit offen. Russland und Georgien werfen sich gegenseitig eine Provokation vor. Ungewöhnlich war, dass in der Kolonne das Auto mit Journalisten, das normalerweise immer am Ende fährt, direkt vor dem Vorfall die anderen Wagen überholte, so dass die Journalisten von Anfang an Zeugen der Situation waren. So konnten Aufnahmen von dem Beschuss kurze Zeit später an die Medien weitergeleitet werden. Einer der Journalisten erklärte später, das Manöver sei geplant gewesen.
Für Saakaschwili und Kaczynski stehen die für den Vorfall Verantwortlichen fest. Präsident Kaczynski sprach von einer Gruppe von bewaffneten Männern, „die auf Russisch geschrieen haben“. „Sie haben das Feuer eröffnet, nachdem wir die Autos verlassen haben“, erzählte Kaczynski. „Es zeigt, dass der Sechs-Punkte-Plan, der zum Frieden führen sollte, von der russischen Seite gar nicht befolgt wird“, so der polnische Präsident. Er rief sowohl alle EU-Länder als auch die Alliierten außerhalb der EU zu entschiedenen Verhandlungen mit Russland auf. Saakaschwili sagte zu den Vorfällen: „Normalerweise gibt es dort keine Kämpfe. Wenn jemand geschossen hat, dann nur die Russen, die sich dort rechtswidrig aufhalten.“
Russland wies die Anschuldigungen umgehend zurück. „Ein Beschuss durch unsere Soldaten ist vollkommen ausgeschlossen”, sagte der Vertreter des russischen Stabes in Südossetien dem Radiosender „Echo Moskwy“. Der Chef des südossetischen Geheimdienstes Boris Attojew bestätigte zwar am nächsten Tag, dass seine Beamten die Kolonne angehalten hätten, allerdings betonte er, es sei nicht geschossen worden. Die Fahrgäste seien nur informiert worden, dass die Grenze geschlossen ist und sie einen anderen Weg nehmen sollten.
Experten in Polen vermuten, dass es sich eher um eine zufällige Schießerei gehandelt habe, nicht um ein Attentat oder ein gezieltes Handeln gegen die Präsidenten. Professor Jan Maliski vom Warschauer Ostforschungszentrum betonte, wenn es sich um einen Attentat gehandelt hätte, wären mit großer Wahrscheinlichkeit die Autos schwer beschossen worden – dies war nicht der Fall. Vom Außenministerium gab es keine offizielle Stellungnahme, es bestätigte nicht einmal die Nachricht über den Beschuss des polnischen Präsidenten.
Inoffiziell wurde jedoch bekannt, dass die polnische Regierung nicht besonders erfreut über das Engagement von Kaczynski in Georgien ist. Es berge „ein unnötiges Risiko, um Popularität zu gewinnen“, sagte anonym ein Beamter. Der letzte Besuch von Lech Kaczynski in Georgien wurde zu Hause breit kritisiert. Er hatte damals mehrere mittelosteuropäische Staatsoberhäupter zu einer Reise während des russisch-georgischen Krieges im August 2008 aufgerufen.Der Besuch am Sonntag in dem Flüchtlingslager war ursprünglich gar nicht geplant, hieß es gestern. Offiziell war Lech Kaczynski zu den Feierlichkeiten zum 5. Jahrestag der Rosenrevolution gereist. Damals löste Saakaschwili, als Held der Rosenrevolution gefeiert, Eduard Schewardnadse als Präsident Georgiens ab. Heute werden Saakaschwili von der Opposition autokratisches Regieren und die unnötige Eskalation des Konflikts mit Russland im August 2008 vorgeworfen.