Polen

Belgier konzipieren neues Weltkriegs-Museum in Polen

Polen bekommt ein neues Museum über den Zweiten Weltkrieg und das Konzept dazu stammt aus Belgien. „Unmöglich!“, rufen die National-Konservativen und fürchten, dass die Sicht auf Polen als Opfer aufgeweicht werde. „Wunderbar“, sagen die Verantwortlichen und hoffen, die internationale Perspektive auf das ebenso internationale Kriegsgeschehen werde es besser erklären.

Der Streit um das neue Museum in Danzig wird vor allem aus national-konservativen Kreisen angefacht, ihrer Meinung nach sollte die polnische Perspektive auf den Zweiten Weltkrieg im Mittelpunkt des Erinners stehen. „Es gibt nur eine polnische Geschichte und wir sind darin die Opfer“, meint Dorota Arciszewska-Mielewczyk, die Vorsitzende der „Polnischen Treuhand“, die das belgische Konzept von Anfang an kritisierte. „Wir müssen ein polnisches Museum haben, über die europäische Sicht der Geschichte soll man in Brüssel diskutieren.“

Der bereits amtierende Direktor des künftigen Museums, Janusz Marszalec, hält dagegen: „Wir wollen ein lesbares, klares Modell ausarbeiten.“ Er hält es für problematisch, dass jeder die Kriegsereignisse nur aus seiner eigenen Perspektive betrachtet. Das neue Museum des Zweiten Weltkriegs soll mehrere Sichtweisen zulassen und „den Polen ermöglichen, breit gefächert ihre eigene Sicht zu präsentieren, ohne die Perspektive der anderen Nationen auszulassen“.

Das beste Konzept kam aus Belgien

Die Würfel sind in seinem Sinne gefallen: Das Museum zeigt das Thema Krieg aus internationaler Perspektive. Die Nationalisten verstehen trotzdem nicht, warum ausgerechnet eine belgische Firma das Konzept für das Museum erstellt. Was auf den ersten Blick wie ein Affront gegen die polnische Seele aussieht, ist bei genauerem Hinsehen geltendes europäisches Recht. „Alle Konzepte waren anonym. Sie wurden mit Nummern gekennzeichnet, so dass die Mitglieder der Jury nicht wussten, ob es ein polnischer, belgischer oder niederländischer Beitrag ist“, erklärt Tomasz Żuroch-Piechowski vom Museum das Wettbewerbverfahren. „Damit wollten wir Spekulationen über die Herkunft der Entwürfe vermeiden.“ Die Konzepte lagen entweder auf Polnisch oder Englisch vor. Das belgische Konzept war sogar auf Polnisch geschrieben, und das erstaunte alle. „Niemand hatte erwartet, dass man sich als Ausländer auch sprachlich so perfekt vorbereiten könnte. Die Belgier müssen mit jemandem zusammengearbeitet haben, der fließend polnisch spricht und viel über die Geschichte weiß.“

Die Jury, die über die eingereichten Entwürfe entschied, war hochkarätig besetzt. Dazu gehörten unter anderem der international erfolgreiche Regisseur Andrzej Wajda, der Schriftsteller und Professer Stefan Chwin und der US-amerikanische Historiker Andrew Nagorski. Sinn und Zweck dieser Zusammensetzung sei es gewesen, nicht nur Historiker über dieses für Polen so wichtige Projekt entscheiden zu lassen. „Historiker haben einen anderen Blick auf das Weltgeschehen“, sagt Tomasz Żuroch-Piechowski. „Sie setzen mehr auf das geschriebene Wort.“ Wichtig war es für die Jury „Bilder sprechen zu lassen“. So will man auch junge Menschen für das Thema gewinnen.

Der Krieg im Alltag der Zivilbevölkerung

Die verschiedenen Abteilungen des Museums beleuchten auch die Zeit unmittelbar vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Die Entstehung der totalitären Regime in Europa wird nachgezeichnet: der Nationalsozialismus in Deutschland, der Faschismus in Italien und der Stalinismus in der Sowjetunion. International für Aufsehen hat bereits jetzt die Idee gesorgt, sich den polnischen Partisanen und dem Widerstand gegen die deutsche Besetzung zu widmen. Dafür lassen die Macher Zeitzeugen sprechen. „In diesem Raum stehen Puppen in Lebensgröße“, sagt Żuroch-Piechowski. „Wenn sich ein Besucher ihnen nähert, kann er sich die Erlebnisse ehemaliger Widerstandskämpfer anhören.“

Die Ereignisse an den Fronten sollen in dem neuen Museum nicht im Vordergrund stehen. Ein Ausstellungsthema zum Beispiel ist ein Vergleich der Schicksale von Zivilisten in verschiedenen Ländern, auch in Deutschland. Selbstverständlich werden die Deutschen als Aggressor gezeigt, aber auch die Deutschen weit hinter der Front. „Diese Menschen haben auch gelitten“, sagt der Museumsleiter Janusz Marszalec. „Die Bombardierungen der Alliierten haben sie schwer getroffen.“

Starke visuelle Sprache

Das belgische Konzept setzt stark auf Symbolik. Den Eingangsbereich dominiert unter anderem eine gigantische Hakenkreuzfahne. Sie stellt die Ankommenden in den Schatten. „Damit soll gezeigt werden, dass ganz Europa im Schatten eines totalitären Systems stand und viele Schicksale bis heute ungeklärt sind“, so Tomasz Żuroch-Piechowski. Es werden auch Bilder von Lech Walesa gezeigt, dem Danziger Streikführer, auf den Schultern der Arbeiter der Lenin-Werft. Das soll symbolisieren, dass die Folgen des Kriegs in Mittel- und Osteuropa viel länger zu spüren waren als im Westen, nämlich bis zum Fall des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989. „Erst dann haben wir unser Selbstbestimmungsrecht wiederbekommen.“

Für Kinder wird das Museum eine spezielle Abteilung haben. „Das Museum des Zweiten Weltkriegs soll zum Nachdenken anregen, aber nicht erschrecken“, sagt Żuroch-Piechowski. „Kinder und Jugendliche dürfen kein Trauma bekommen, sondern das Problem besser verstehen.“

Eröffnung 2014 geplant

Nachdem die konzeptionelle Ausgestaltung des Museums jetzt klar ist, wird Ende Januar kommenden Jahres auch der Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Das Museum soll übrigens an historischer Stelle in der Nähe der Danziger Werft gebaut werden. Die Baukosten sind mit 360 Millionen Zlotych veranschlagt, das sind rund 90 Millionen Euro. Ab 2012 soll dann gebaut werden und die Eröffnung ist geplant für den 1. September 2014, dem 75. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs.


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