Das Ende der Staatlichen Sicherheit
In Tschechien und der Slowakei wurden die Geheimdienste nach dem Kommunismus völlig neu aufgebaut(n-ost) – Jan Ruml gehörte zu den prominentesten Dissidenten der kommunistischen Tschechoslowakei. Mit dem Geheimdienst machte er schmerzlichen Erfahrungen. „Meine eigenen Freunde waren auf mich angesetzt, unsere Wohnung war komplett verwanzt“, erinnert sich der Mittfünfziger an den Repressionsapparat. Die Staatliche Sicherheit „Statni bezpecnost“, kurz StB, unterstand direkt dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei und war dessen wichtigstes Instrument zur Machtsicherung. Gegründet 1945, existierten formal vier Hauptabteilungen, die mit den Geheimdiensten in anderen Ländern korrespondierten: zivile Inlands- und Auslandsaufklärung und die Pendants auf militärischem Gebiet. Der Schwerpunkt aber lag eindeutig auf dem „Kampf gegen den inneren Feind“, wie es in der Geheimdienstsprache hieß. Allein 70 Prozent der Abhörprotokolle wurden von der StB gegen die eigene Leute verwendet.„Der tschechoslowakische Geheimdienst hatte längst nicht das gleiche Arsenal an Agenten wie die Staatssicherheit der DDR. Ende 1989 wurden rund 30.000 inoffizielle Mitarbeiter gezählt. Aber auch die StB wurde nach sowjetischem Vorbild aufgebaut und bildete ein komplexes, schwer durchschaubares System“, sagt der tschechische Historiker Pavel Zacek, Direktor der „Behörde zum Studium totalitärer Systeme“, die Anfang Februar dieses Jahres eingerichtet wurde. Die mit der Birthler-Behörde vergleichbare Einrichtung führt erstmals alle Akten nicht nur der Staatssicherheit, sondern auch der Polizei und der Armee zusammen. Zacek hatte zuvor bereits die „Behörde zum Gedächtnis des Volkes“ in der Slowakei mit aufgebaut. Während die Akten in Tschechien in verschiedenen Institutionen schon seit Mitte der Neunziger Jahre für die Öffentlichkeit zugänglich waren, wurde dies durch das „Gedächtnis des Volkes“ in der Slowakei erst 2002 möglich. Allerdings ist ein Teil der Akten auf immer verloren. „Sie wurden kurz nach der Wende vernichtet. Das betraf vor allem aktuelle operative Vorgänge. Auch wurden in der militärischen Aufklärung, die lange noch in den alten Strukturen weiter existierte, viele Akten beiseite geschafft“, so Zacek. Die verbliebenen Akten sind heute teils auf die beiden nach der Wende neu entstandenen Staaten Tschechien und die Slowakei aufgeteilt. „Wo Doubles oder Mikrofiches existierten, sind sie heute oft in Institutionen beider Länder zu finden. Es gibt aber viele Akten, die jeweils nur in einem Staat vorhanden sind“, schildert Zacek die besonderen Bedingungen nach der Teilung der Tschechoslowakei 1993.„Interessant ist, dass die StB nie auf eine gesetzliche Basis gestellt wurde“, beschreibt Jan Ruml den konspirativen Status des kommunistischen Geheimdienstes. Der ehemalige Dissident war nach 1989 führend an der Auflösung des Geheimdienstes beteiligt. Der spätere Innenminister arbeitete 1990 für einige Monate als Staatssekretär für Geheimdienste. „Im Unterschied zu anderen postkommunistischen Staaten haben wir in der Tschechoslowakei die Geheimdienste von Grund auf neu aufgebaut“, erzählt Ruml. Dennoch wurden auch hier Vorwürfe laut, in den Geheimdiensten arbeiteten weiter die alten Leute. „Vor allem in der Gegenspionage haben wir darauf geachtet, dass die früheren Kader entlassen wurden“, sagt Ruml. Die Lücke füllten Dissidenten wie er und junge, unbelastete Leute, die mit dem Aufbau eines Geheimdienstes bis dahin wenig zu tun hatten. Ein Manko, das durch Länder wie Großbritannien, die USA und Deutschland ausgeglichen wurde, indem sie Mitarbeiter schulten und eigene Fachleute nach Prag schickten. Nach deutschem Vorbild nannte sich der erste tschechoslowakische Inlandsgeheimdienst nach der Wende Amt für Verfassungs- und Demokratieschutz.Um sicherzustellen, dass frühere StB-Kader keine führenden Positionen in der staatlichen Verwaltung erhalten, wurde 1991 das so genannte Lustrationsgesetz erlassen, das alle Kandidaten einer Prüfung auf Basis der Staatsicherheitsakten unterzog. „Auch wenn das Gesetz seine Mängel hat, trug es doch wesentlich zu einer Säuberung der staatlichen Stellen bei“, findet Zacek. Ehemalige StB-Kader spielen in Tschechien heute keine entscheidende Rolle mehr, so die allgemeine Einschätzung. Anders sieht es in der Slowakei aus, in der das Lustrationsgesetz nach der Staatstrennung nicht übernommen wurde. Prominentester Politiker unter Verdacht ist der frühere Premierminister Vladimir Meciar, der heute eine der Koalitionsparteien von Premier Robert Fico führt. Insgesamt jedoch arbeiten die Geheimdienste in Tschechien und der Slowakei heute nach dem Vorbild demokratischer Staaten und unterliegen parlamentarischer Kontrolle. ENDEDieser Artikel ist exklusiv bestellt und kann nicht nachgedruckt werden. Bei Interesse am Thema melden Sie sich bitte im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0