Messerstich für Serbien
Freude und Erleichterung in Prishtina, Wut und Unverständnis in Belgrad: Montenegro und Mazedonien haben die einstige serbische Provinz Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt. Brisant: Beide Länder grenzen sowohl an Kosovo als auch an Serbien.Alle Warnungen Belgrads an seine Nachbarstaaten nützten nichts – im Gegenteil, es kam knüppeldick für die serbische Führung: In einer abgestimmten Aktion haben die beiden ehemaligen jugoslawischen Republiken Montenegro und Mazedonien am Donnerstagabend Kosovos Unabhängigkeit anerkannt und angekündigt, volle diplomatische Beziehungen mit Prishtina aufzunehmen.
Dies geschah nur einen Tag nachdem die UN-Generalversammlung in New York einem Begehren Serbiens zugestimmt hatte, die Rechtmäßigkeit der einseitigen Unabhängigkeitserklärung Kosovos vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) der UN in Den Haag überprüfen zu lassen. Die Freude über den "großen Sieg", wie Staatspräsident Boris Tadic den diplomatischen Erfolg Serbiens bei den UN nannte, war nach der Kosovo-Anerkennung durch die beiden Nachbarländer jedoch nur noch eine Nebensache.
Belgrad erklärte die Botschafter Montenegros und Mazedoniens zu unerwünschten Personen und forderte sie auf, innerhalb von 48 Stunden das Land zu verlassen. Außenminister Vuk Jeremic bezeichnete die Entscheidung Montenegros als "Schlag, den Podgorica unserem Land versetzt hat". Kosovo-Minister Goran Bogdanovic warf der kleinen Nachbarrepublik vor, "erstmals in der Geschichte Serbien verraten" zu haben.
Bereits einige Tage zuvor hatte Jeremic von einem "Messerstich in den Rücken" gesprochen, sollte Montenegro Kosovo anerkennen. Doch sowohl der montenegrinische Außenminister Milan Rocen als auch sein mazedonischer Amtskollege Antonio Milososki betonten, die Entscheidungen ihrer Staaten seien nicht gegen Serbien gerichtet, sondern dienten der Beschleunigung der europäischen und euroatlantischen Integration ihrer Länder. Beide streben eine rasche Mitgliedschaft in EU und Nato an. Um auf diesem Weg voranzukommen, scheinen Skopje und Podgorica eine Verstimmung mit Belgrad in Kauf zu nehmen.
Vielvölkerstaaten
Rund ein Viertel der zwei Millionen Einwohner Mazedoniens sind ethnische Albaner. Ihre politischen Parteien forderten schon seit langem mit Nachdruck die Anerkennung des zu über 90 Prozent von Albanern bewohnten und ebenfalls rund zwei Millionen Einwohner zählenden Kosovo. Montenegro, wo gerade 650.000 Menschen leben, löste sich in einem Referendum im Mai 2006 aus der Union Serbien und Montenegro heraus und wurde ein unabhängiger Staat. Rund ein Drittel der montenegrinischen Bevölkerung fühlt sich als Serben. Nicht nur sie, sondern auch große Teile derjenigen Bürger, die sich als Montenegriner bezeichnen, stehen der Unabhängigkeit Kosovos kritisch bis ablehnend gegenüber. Serbische Parteien in Montenegro haben bereits Proteste gegen die Anerkennung Kosovos durch ihre Regierung angekündigt. Mindestens fünf Prozent der montenegrinischen Bürger sind Albaner.
Am Mittwoch hatte der US-amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates bei seinem Besuch in Mazedonien die dortige Führung zu einer raschen Anerkennung Kosovos aufgefordert. Bislang haben insgesamt 50 Staaten Kosovo anerkannt, darunter die USA, Deutschland und 21 weitere EU-Staaten.
Der kosovarische Ministerpräsident Hashim Thaci bedankte sich bei Montenegro und Mazedonien ausdrücklich für die Anerkennung. Diese stärke "Frieden, Stabilität und regionale Zusammenarbeit und beschleunigt gleichzeitig die Integration unserer Staaten in die euroatlantischen Strukturen", sagte er auf einer außerordentlichen Pressekonferenz.
Die serbische Regierung hat, abgesehen von der Ausweisung der Botschafter, bislang nicht mit konkreten Maßnahmen reagiert. Im Vorfeld war immer wieder von einer möglichen Wirtschaftsblockade gegenüber den beiden Ländern die Rede gewesen. Doch Fachleute sind sich einig: "Den größten Schaden würde dabei die serbische Wirtschaft selbst davontragen", sagte der Ökonom Vasilije Kostic dem Sender Radio Slobodna Evropa mit Verweis auf die wichtigen Absatzmärkte, welche die Nachbarländer für serbische Produkte darstellten. Auch den Aufruf des populistischen Parlamentsabgeordneten Dragan Markovic an die Serben, künftig für ihren Badeurlaub nicht mehr an die montenegrinische Küste zu fahren, halten Experten für völlig wirkungslos und realitätsfremd.
Trotz aller Frustration über die jüngsten Entwicklungen setzte Belgrad auch ein Zeichen der Entspannung: Außenminister Jeremic kündigte die Rückkehr der serbischen Botschafter in sämtliche Staaten an, aus denen diese aus Protest gegen die Anerkennung Kosovos abgezogen worden waren. Bereits vor zweieinhalb Monaten waren die serbischen Botschafter in die entsprechenden EU-Staaten zurückgekehrt.