Kosovo

EU statt Russland

Nachdem Russland Südossetien und Abchasien als unabhängige Staaten anerkannt hat, ist in der serbischen Kosovo-Politik nichts mehr wie zuvor. Hatte sich Belgrad bislang mit Verweis auf die strikte Einhaltung des internationalen Rechts Seite an Seite mit Moskau gegen die Unabhängigkeit Kosovos gewehrt, muss die serbische Regierung diesen Kampf nun wohl ohne Russland weiterführen. Für Rada Trajkovic ist das keine Überraschung: "Die Serben hatten die Illusion, dass ihnen die 'orthodoxen Brüder' aus Russland helfen. Tatsächlich ist für Moskau aber das strategische staatliche Interesse entscheidend - und nicht die Glaubensrichtung."

Rada Trajkovic ist Direktorin des Gesundheitszentrums in der zehn Kilometer südlich von Prishtina gelegenen Serbenenklave Gracanica, wo eines der bedeutendsten serbisch-orthodoxen Klöster aus dem 14. Jahrhundert steht. Die 55-jährige Ärztin gehört der Spitze des so genannten Serbischen Nationalrates des Kosovo an und ist eine der prominentesten, aber auch umstrittensten Stimmen unter den noch zirka 130.000 im Kosovo lebenden Serben.

Im Gespräch mit dieser Zeitung warf Trajkovic Russland vor, Serbien und das Kosovo-Problem für den Versuch benutzt zu haben, auf dem Balkan an Einfluss zu gewinnen. "Mit einer Reihe von provozierten Zwischenfällen auf dem Gebiet des Kosovo sollten die Serben die NATO destabilisieren." Der ehemalige Ministerpräsident Vojislav Kostunica habe diese "russische Politik" getragen. Dessen ungeachtet sei es heute "sehr wohl möglich, dass Russland bald die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennt. De facto haben sie es mit ihrem Verhalten in Georgien bereits getan", so Trajkovic.

Für Rada Trajkovic ist klar, dass sich Serbien von Russlands Einfluss befreien und ganz auf die EU, "den natürlichen Partner Serbiens", ausrichten sollte. Und dies bedeute auch, die EU-Rechtsstaatsmission Eulex für das Kosovo zu akzeptieren: "Wir Serben sind doch die größten Opfer der mangelnden Rechtsstaatlichkeit im Kosovo." Mit dem Einverständnis der kosovarischen Regierung will die EU 1900 Polizisten, Staatsanwälte, Richter und Zollbeamte ins Kosovo schicken. Sie sollen die Behörden beim Aufbau von multiethnischen Justiz-, Polizei- und Zollstrukturen unterstützen und in diesen Bereichen auch Aufgaben der UN-Mission Unmik übernehmen, die ihre Präsenz im Kosovo massiv reduziert.

Die Eulex sollte bis Ende des Jahres voll einsatzfähig sein. Dennoch sind erst wenige hundert internationale Eulex-Mitarbeiter im Kosovo eingetroffen. Dieses Zögern der EU hängt vor allem mit dem Widerstand Serbiens gegen die Eulex zusammen. Belgrad ist nur bereit, eine EU-Mission im Kosovo zu akzeptieren, wenn sie durch einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates abgesegnet ist. Moskau stützt diese Position.Rada Trajkovic jedoch ist optimistisch, dass die serbische Regierung der Eulex früher oder später doch noch zustimmen wird."

Die Eulex nützt gerade den Serben. Belgrad sollte alles dafür tun, dass unser Leben hier leichter wird, sonst werden wir alle zu Verlierern." Trajkovic ist sich bewusst, dass sie mit ihrer offenen Haltung gegenüber der Eulex derzeit nur eine Minderheit der Kosovo-Serben hinter sicher weiß. Doch langsam scheint sich die Stimmung zu wandeln. Anders ist es kaum zu erklären, dass sich mittlerweile schon mehrere internationale Eulex-Angehörige in Gracanica eingemietet haben - von Anfeindungen keine Spur.

Obwohl auch für die neue serbische Regierung die Anerkennung der Kosovo-Unabhängigkeit ausgeschlossen ist und Kontakte mit Eulex-Vertretern noch immer tabu sind, hat sich der Umgang mit dem Thema Kosovo seit dem Abgang von Vojislav Kostunica als Ministerpräsident spürbar verändert. Das zeigt sich besonders im Ministerium für das Kosovo. Dieses wird nun von Goran Bogdanovic geleitet, der den Scharfmacher und Kostunica-Vertrauten Slobodan Samardzic im Ministeramt ablöste. Dem im Kosovo geborenen Bogdanovic steht der als gemäßigt und pragmatisch geltende Oliver Ivanovic aus der nordkosovarischen Stadt Mitrovica als Staatssekretär zur Seite. Ivanovic, der auch fließend Albanisch spricht, ist ein enger Weggefährte von Rada Trajkovic und baut wie sie auf Kompromisse und den Dialog.

Die kosovarische Regierung in Prishtina ist überzeugt, dass die Eulex zu einem Erfolg wird. "Wenn sich Belgrad nicht einmischt, werden die Kosovo-Serben die EU-Mission akzeptieren", sagte Vizepremier Hajredin Kuci, um gleich selbstbewusst anzufügen: "Aber wir müssen Belgrad nicht fragen, denn Serbien ist ein anderes Land." Kurz nach der Unabhängigkeitserklärung Kosovos am 17. Februar hatten einige kosovo-serbische Führer bei Kundgebungen ihre Leute aufgerufen, die Eulex zu boykottieren und jeden Kontakt mit deren Vertretern zu vermeiden. Die Menge ließ dabei den damaligen russischen Präsidenten Putin hochleben und schwenkte russische Fahnen. Bislang haben 48 Staaten Kosovos Unabhängigkeit anerkannt, zuletzt am Dienstag (7. Oktober) Portugal.

Hofft die Kosovo-Regierung nach den Ereignissen in Georgien nun auf eine baldige Anerkennung durch Russland? Natürlich sei es das Ziel Prishtinas, auch die Unterstützung Moskaus zu bekommen, erklärte Hajredin Kuci. "Ich bitte die russische Regierung und den russischen Präsidenten hier und jetzt, die Republik Kosovo anzuerkennen. Das wäre ein sehr gutes Signal für die Weltpolitik, aber auch für Stabilität und Frieden in der Region." Doch er wolle Kosovo nicht mit Südossetien und Abchasien vergleichen. "Es handelt sich bei uns um einen Einzelfall, und wir verbinden unser Schicksal nicht mit Krisen anderswo in der Welt", sagte Kuci.

Mit genau diesem Argument - nämlich dass die Fälle nicht verglichen werden könnten - hatte der russische EU-Botschafter Wladimir Tschischow kürzlich die Anerkennung Kosovos durch sein Land abgelehnt. Dafür darf Prishtina auf die baldige Anerkennung durch die beiden Nachbarstaaten Mazedonien und Montenegro hoffen. Die kosovarischen Pässe haben dort bereits jetzt Gültigkeit.


Weitere Artikel