„Die Medien sind die Opposition" / Interview mit Robert Fico
Zweieinhalb Jahre nach seinem Amtsantritt schwimmt der sozialdemokratische Ministerpräsident der Slowakei, Robert Fico, auf einer Erfolgswelle. Obwohl er mit einer kritischen Presse konfrontiert ist, stünde er bei Wahlen derzeit vor der absoluten Mehrheit. Auf den Reformen seines bürgerlichen Vorgängers Mikulas Dzurinda aufbauend, hat er das Land fit für die Einführung des Euro gemacht. Außenpolitisch gibt es da mehr Probleme: Das gilt beispielsweise für das komplizierte Verhältnis zum Nachbarn Ungarn. Mit dem Premier sprach Hans-Jörg Schmidt in Bratislava.
ostpol: Herr Premier, Sie führen den Euro jetzt ein. Müssen wir uns Sorgen um die Stabilität der Gemeinschaftswährung machen?
Robert Fico: Noch haben wir unsere slowakische Krone, der Euro kommt erst Anfang kommenden Jahres. Ich denke, die Entscheidung, der Euro-Zone beizutreten, war richtig. Wir haben alle Risiken und Vorteile seriös abgewogen – die Vorteile überwiegen. Wir sind zwar eine mutige Regierung, aber wir gehen hier nicht in ein Abenteuer, das eventuell den Euro schwächen würde.
Die Slowakei ist derzeit der Star unter den Reformländern. Hier werden jetzt zum Beispiel pro Kopf die meisten Autos auf der Welt produziert. Eine solche Monokultur birgt jedoch auch Risiken. Haben Sie Konzepte, damit die Slowakei nicht auf Dauer nur verlängerte Werkbank bleibt?
Fico: Auf der einen Seite ist das prima, dass wir in der Slowakei so viele Autos herstellen. Auf der anderen Seite haben wir wirkliche Befürchtungen, dass wir in der Folge einer Absatzkrise auf dem Automarkt in Probleme geraten könnten. Wenn es zu solch einer Krise käme, würden Volkswagen, Peugeaut, Citroen, Kia und Hyunday sehr wahrscheinlich ihre eigenen Interessen wahren und kaum an die Slowakei dabei denken. Deshalb haben wir beschlossen, die Investitionen zu diversifizieren. Ich begrüße beispielsweise große Investitionen von Samsung und Sony für die Produktion von LCD-Fernsehern.
Sie werden von einer großen Popularitätswelle getragen. Die steht im Gegensatz zu ihrem etwas gestörten Verhältnis zur einheimischen Presse. Woher kommt das?
Fico: Eigentlich müssten Sie die Medien fragen, weshalb sie ein gestörtes Verhältnis zu dieser Regierung haben. Die Medien wollen diese Regierung nicht und tun alles, was sie können, gegen sie. Aber ich will mich nicht darüber beschweren, schon gar nicht in einer ausländischen Zeitung. Aber es ist so, dass die slowakischen Medien die politische Opposition in diesem Lande darstellen. Die eigentliche Opposition im Parlament schläft oder macht Urlaub. Und die Zeitungen machen für sie die Drecksarbeit. Unter diesen Umständen äußere ich mich schon einmal rasant über die Medien.
Sie denken nicht, dass die Medien einfach nur ihren Job machen – nämlich berichten?
Fico: Die Slowakei ist in Bezug auf die Medien eines der freiesten Länder der Welt. Uns ist oft vorgeworfen worden, dass wir mit unserem Amtsantritt alles zunichte machen, was war. Und heute, zweieinhalb Jahre nach unserem Beginn haben wir eine der höchsten Wachstumsraten in der EU, eine Inflation auf durchschnittlichem Niveau, eine sinkende Zahl von Arbeitslosen. Wir erfüllen die unglaublich harten Maastricht-Kriterien, was ich mir auch von einigen alten EU-Ländern wünschen würde. Die Medien hier, ich wiederhole es, sind die klassische Opposition im Lande, wie man sie in kaum einem anderen Land so finden würde.
Das Verhältnis zum Nachbarland Ungarn ist alles andere als gut. War es unbedingt nötig, dass das Parlament im vergangenen Jahr die Benesch-Dekrete noch einmal für unantastbar erklärte, auf deren Grundlage nach dem Zweiten Weltkrieg auch zehntausende Ungarn ihr Hab und Gut und ihre Heimat verloren hatten? Fico: War es denn unbedingt nötig, dass zwei Spitzenpolitiker der ungarischen Mindertheitenpartei forderten, die Benesch-Dekrete zu vernichten? Diese Dekrete sind untrennbarer Bestandteil unserer slowakischen Rechtsordnung, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist. Nichts anderes hat die Resolution gesagt. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass wir das irgendwann anders sehen und hier Eingriffe vornehmen.
Auf der anderen Seite hat sich das slowakische Parlament schon Anfang der 1990er Jahre bei den Karpatendeutschen für das Unrecht aus der Nachkriegszeit entschuldigt. Weshalb ist ein solcher Schritt nicht gegenüber den Ungarn möglich?
Fico: Man kann das slowakisch-ungarische Verhältnis nicht nur aus dem Blick der 1940er Jahre bewerten. Die Geschichte unserer beiden Länder ist sehr kompliziert. Mal gehörten wir zusammen, mal wieder nicht. Und das hat die Beziehungen außerordentlich beeinflusst. Doch das ist Geschichte.
Wie sind Ihre Kontakte derzeit nach Ungarn?
Fico: Als der ungarische Premier anlässlich einer Visegrad-Tagung in Bratislava war, ist er mit allen Ehren empfangen worden. Mehr noch: Wir haben ein wichtiges bilaterales Dokument unterzeichnet über die gemeinsame Vergangenheit und die gemeinsame Zukunft. Das ist ein sehr gutes Dokument, auf dessen Grundlage wir unsere Dinge regeln. Und wir wollen es erweitern. Wir wollen weitere Brücken bauen – auch richtige Brücken an der Grenze. Wir wollen eine bessere Kommunikation, mehr Bildungs- und Kulturkontakte. Ich bin bereit, Herrn Gyurscany zu empfangen, wo auch immer, und mit ihm über alles zu reden.
Gilt Ihre freundliche Einladung auch für einen möglichen neuen ungarischen Premier Victor Orban?
Fico: Es ist Sache der Ungarn, wen sie wählen. Wir mischen uns da nicht ein, anders als sich manchmal große Staaten in fremde Dinge einmischen. Wir bewerten Wahlen nicht als demokratisch oder undemokratisch. Ich nehme aber die außergewöhnlichen Aktivitäten der ungarischen nationalistischen Bewegung Fidesz wahr, die auch den Status der ungarischen Minderheit bei uns berühren und unsere Beziehungen komplizieren könnten. Ich vertraue auf die EU und auf die Nato, die präventiv eingreifen könnten, so dass ein Konflikt vermieden werden könnte.
Sie vertreten häufig eine andere Meinung als Ihr eigener Außenminister, aber auch als die EU oder die Nato. Sie sind beispielsweise gegen das US-Raketenabwehrsystem in Tschechien und Polen, beim Kaukasus-Konflikt haben sie sich wie Tschechiens Präsident Klaus auf die Seite der Russen geschlagen. Sie lehnen die Anerkennung des Kosovo ab. Ihr eigener früherer Botschafter in Washington sagt, die Slowakei werde im Westen als besonders pro-russisch angesehen. Hat er Recht?
Fico: Wie überzeugend ist die Aussage eines Botschafters, der nicht mehr im Dienst ist und aus amerikanischer Brille die eigene Regierung kritisiert? Wann hat meine Regierung in der Außenpolitik einen Schritt unternommen, der nicht mit den Positionen von EU oder Nato übereingestimmt hätte? Wir haben gemeinsam mit der EU die Anerkennung Südossetiens und Abchasiens durch Russland verurteilt. Ich habe auf dem EU-Sondergipfel zum Kaukasus aber einige auch an das Kosovo erinnert, wo sie ganz anders geredet haben. Beim Kosovo ging es um eine grobe Verletzung des internationalen Rechts. Die Kosovaren hatten kein Recht, sich als Staat auszurufen. Deshalb haben wir auch das Recht, heute die Integrität und Souveränität Georgiens einzufordern.