Einheitspreis für Vaclav Havel
(n-ost) - Irgendwann hat das Büro von Vaclav Havel aufgehört, die Preise zu zählen, mit denen der einstige tschechoslowakische und spätere tschechische Präsident überhäuft wird. Havel selbst hat sehr genau darauf geachtet, dass diese Ehrungen nicht überhand nehmen. Den Point-Alpha-Preis des Kuratoriums Deutsche Einheit nahm er am Dienstag in Prag dennoch ohne Bedenken entgegen. Zumal an einem Ort, der vor 19 Jahren Geschichte geschrieben hat: Damals schaute die ganze Welt in den Garten der bundesdeutschen Botschaft an der Moldau, wo sich tausende Menschen aus der damaligen DDR drängten, die mit dem Ostberliner Regime abgeschlossen hatten und nur noch ein Ziel hatten: in den Westen des noch geteilten Landes zu kommen.Die Auszeichnungsfeier in der Botschaft fand in dem Saal statt, der auf den Balkon mündet, von dem aus seinerzeit Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher den Fluchtwilligen mitteilte, dass ihre Ausreise in die Bundesrepublik möglich sei. Er sprach diesen einen Satz nicht zu Ende -- der letzte Teil ging im Jubel der erschöpften Menschen unter. Genscher, der gestern die Laudatio auf Havel sprach, erinnerte daran, dass jener 30. September 1989 nicht nur ein historischer Tag für die Deutschen, sondern für ganz Europa gewesen sei. In Prag sei der erste Stein aus der Mauer gebrochen. Und dies sei nur möglich gewesen, weil sich schon damals auch tschechische Bürgerrechtler wie Vaclav Havel engagiert hätten.Havel erinnerte in seiner Dankesrede an die Solidarität vieler Prager mit den Botschaftsflüchtlingen von 1989. "Es war aber mehr als Solidarität. Es war auch eigenes Interesse, weil klar wurde, dass es früher oder später auch in meinem eigenen Land Freiheit geben würde." Er habe die Botschaft damals selbst besucht und Menschen getroffen, die die Angst überwunden hatten und die sich gegenseitig halfen. "Auch meine Mitbürger wurden hier zu besseren Menschen", sagte der frühere Präsident.1989 habe sich, so Havel, erfüllt, was die Dissidenten in der Tschechoslowakei schon in den 1970er und 1980er Jahren vorausgesagt hatten: "Ohne eine freiheitliche Vereinigung Deutschlands wird es nie eine freiheitliche Vereinigung Europas geben." In Deutschland hätten diese Worte seinerzeit Verlegenheit ausgelöst, weil man dort kaum an die Wiedervereinigung glaubte. "Doch wir haben Recht behalten", fügte der Ex-Präsident hinzu.Den Preis nahm Havel in der für ihn typischen Art entgegen - ein bisschen unsicher und sehr bescheiden. Eher verlegen lauschte er auch den Grüßen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Prag gesandt hatte. Vor Havel waren vom Kuratorium 2005 Michail Gorbatschow, George Bush sen. und Helmut Kohl mit dem Point-Alpha-Preis geehrt worden.Die Festveranstaltung war für die Redner aus Deutschland übrigens Grund genug, auch daran zu erinnern, was Deutsche vor genau 70 Jahren den Tschechen angetan hatten - mit dem Münchner Abkommen, das Hitler die Annexion des Sudetenlandes erlaubte. Dies sei der Anfang vom Ende der damaligen Tschechoslowakei gewesen. Niemand hätte sich seinerzeit vorstellen können, dass Tschechen und Deutsche jemals als friedliche Nachbarn, vereint in EU und NATO, zusammenleben würden. Havel nahm dies auf, als er sagte: "Manche Ideale haben sich zwar als entfernter erwiesen, als wir gedacht hatten. Aber die Richtung - Frieden und Freiheit - ist geblieben. Wir wollen uns darüber freuen."ENDE Nachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0