NS-SYMBOLE AN DER GRENZE
(n-ost) – Am Eingang riecht es nach Bratwurst und gegrillten Rippchen. Es wird Bier gezapft und deutsche Heimatmelodie macht den Gästen den Verzehr angenehm. Auf dem Markt in Kostrzyn nad Odrą / Küstrin an der Oder ist das gesamte Angebot – von Lebensmitteln über Schuhe bis zu Anglerausrüstung – an die Kundschaft aus Deutschland gerichtet. Darunter finden sich aber auch T-Shirts mit dem Aufdruck „Landser“ – dem Namen einer deutschen Neonazi-Band. Am Stand von Marian Kalicki gibt es noch mehr Nazi-Propaganda: Das eine T-Shirt mit der Aufschrift „Deutsche Wut“ stellt einen Wehrmachtsoldaten dar. Das andere zeigt einen zerschlagenen SS-Totenkopf. Der Preis: fünf Euro pro Stück. Seit fünf Jahren besitzt Marian Kalicki den Stand mit „Teenager“- Bekleidung, wie er sagt. „Das Geschäft läuft katastrophal, wir wollen nur ein Paar Euro dazu verdienen“, sagt Marian Kalicki und zeigt auf die „Landser“-Trikots. Früher habe sich „Landser“ ganz gut verkauft. „Heute gehen im Durschnitt vier oder fünf T-Shirts pro Woche weg“, sagt Henryk, ein anderer Trikot- Händler auf dem Küstriner Grenzmarkt.
Ein Trikot-Stand auf dem Markt in Słubice. Dort sind Shirts und Jacken mit in Deutschland verbotenen Symbolen zu haben. Foto: Marcin Rogozinski
Kalicki ist der einzige Verkäufer, der seinen Familiennamen preisgibt. Wegen der Nazi-Bekleidung habe er sich nichts vorzuwerfen. Er sagt, er habe keine Ahnung davon, dass „Landser“ eine der bekanntesten Musikgruppen aus dem neonazistischen Milieu ist und im März 2005 vom Bundesgerichtshof als erste Musikband zu einer „kriminellen Vereinigung” erklärt wurde. Der Händler wisse auch nichts davon, dass die Gruppe in Deutschland verboten und ihr Leader zu drei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt wurde. Die Aufschrift „Deutsche Wut“ hat er aber zugedeckt. Damit sie niemanden ärgert. Manchmal schimpfen ältere deutsche Kunden gegen die Nazi-Trikots. Die Jungen nehmen sie lieber mit. Am Musik-Stand in der mittleren Reihe des Marktes im polnischen Słubice stehen sie ganz vorne auf dem Regal. „Rock Gegen Oben” und „Das Reich kommt wieder” heißen die „Landser“ Alben. Beide Cover sind mit kämpfenden Wehrmachtssoldaten illustriert. Der Kiosk-Besitzer spielt die Musik ohne Zögern von einem tragbaren CD-Player vor. Hetzende Texte des Songs „Polackentango“ dringen in die Ohren. Eine CD kostet zwölf Euro. „Für den illegalen Verkauf ist das teuer“, erklärt leise der Verkäufer, der die Texte nicht verstanden haben will. Doch er weiß, dass es sich um so genannten Nazi-Rock handelt. In Polen sei der ja legal. An mehreren Ständen hängt die in Deutschland umstrittene Bekleidung von „Thor Steinar“. Die Marke gilt als ein Erkennungsmerkmal der rechtsextremen Szene. Das ursprüngliche Logo von „Thor Steinar“, eine Kombination von zwei Runen, sieht nach Auffassung von Experten „dem Symbol einer verfassungsfeindlichen Organisation zum Verwechseln ähnlich“. Es wurde in Deutschland verboten. Bundesweit werden die „Thor-Steinar“-Läden boykottiert. Die Bürgerproteste in Frankfurt an der Oder haben im April 2008 zur Schließung einer Filiale auf dem Frankfurter Bahnhofsplatz geführt. Doch die Händler auf der gegenüberliegenden Oder-Seite in Slubice haben die Kunden übernommen. Von Aktivisten unbehelligt treiben sie ihr Geschäft.Die Ständebesitzer auf den Grenzmärkten in Kostrzyn, Słubice oder Gubin werden entweder von polnischen Vermittlern beliefert oder sie besorgen das Nazi-Sortiment selbst. „Bei den Vietnamesen in Stettin“, verrät Henryk seine Großhandelsquelle. Niemand fragt bei dem Handel nach der Legalität der vermittelten Inhalte. Die Juristen sprechen von einer Lücke im polnischen Rechtssystem. Der ehemalige Vorsitzende der polnischen Kommission zur Verfolgung der Verbrechen gegen die polnische Nation, Witold Kulesza, sprach sich in polnischen Medien für eine Verschärfung der Vorschriften aus. In Polen ist die Verbreitung der nationalsozialistischen Ideologie strafbar. Der Verkauf von Nazi-Devotionalien ist dagegen nicht verboten. „Ich weiß nicht, ob es sich im Fall des Verkaufs der Musik und Bekleidung mit „Landser“-Aufdruck in Polen um die Verbreitung Nazi-Inhalten handelt“, sagt Robert Witkowski. „Mit einem Verbrechen haben wir nur dann zu tun, wenn jemand für die faschistische Ideologie neue Anhänger gewinnen will.“ Auch Vertreter der Stadtbehörden verweisen auf das lückenhafte Recht in Polen. Der Bürgermeister von Gubin in der polnischen Niederlausitz wisse auch nichts davon, dass auf dem von der Stadt verwalteten Markt im Nachbarland verbotene Artikel verkauft werden. „Ich kenne mich in dieser Musikszene überhaupt nicht aus“, sagt Bartłomiej Bartczak. „Wenn die Händler sich dessen bewusst sind, dass es um Nazi-Inhalte geht, ist ihr Tun moralisch zu verurteilen. Das ist eine Aufgabe für unsere Gesetzgeber“. Im Juni 2008 rief Brandenburger Innenminister Jörg Schönbohm die polnische Regierung auf, die Produktion und den Verkauf von Nazi-Devotionalien zu stoppen.Die Polizei hat mehrmals die Marktstände an der deutsch-polnischen Grenze auf Verkauf der NS-Symbole überprüft. Laut Staatsanwaltschaft verstoße der Verkauf jedoch nicht gegen das polnische Recht. Auch der Verkauf von CDs mit der Musik und T-Shirts mit Abbildungen der Gruppe „Landser“ ist in Polen nicht verboten. „Da gilt nicht das deutsche Recht“ – sagt Artur Chorąży, Sprecher der Polizei in Gorzów. „Der Name der Band sowie die Darstellungen auf den Trikots sind kein faschistisches Symbol.“
Solange das heutige Recht gilt, werden die deutsche Neonazis die Märkte im polnischen Grenzgebiet weiter nach NS-Schnäppchen durchwühlen.
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