Bayerisches Weißbier in Danzig
Ihr hat das Weißbier in Danzig gefehlt. Deshalb ist die Bayerin Ute Kisielewski auf die Idee gekommen, eine jahrhundertealte Tradition in der polnischen Ostsee-Stadt Danzig (Gdansk) wieder aufleben zu lassen: die des Bierbrauens. Vor 400 Jahren hat jeder Danziger rund einen Liter Bier am Tag getrunken. Im Gegensatz zum Leitungswasser, das oft als Ursache vieler Krankheiten galt, war das Bier für sie das wichtigste Getränk.
Daran wollen Ute Kisielewski und ihr Mann Bogdan anknüpfen. Auf der Danziger Speicherinsel, direkt am Fluss Motlau, haben sie ihre Brauerei „Brovarnia Gdańsk“ eingerichtet.Brauereimeister Michał Grossman gießt eine dunkle, flüssige Substanz aus einem grauen Blecheimer in einen riesigen Gärbehälter. Über einem blauen T-Shirt und Jeans trägt der 39-Jährige eine grüne lange Gummischürze und an den Füßen Gummistiefel. Der Boden ist nass. Mit einem riesigen Schöpflöffel aus Blech prüft er die Konsistenz der dunklen Flüssigkeit. Dann schaut er auf ein großes Thermometer in der Ecke. An diesem Tag wird dunkles Bier hergestellt. Das Bier in der „Brovarnia Gdańsk“ wird auf natürliche Weise produziert.
Die Brauereikessel der „Brovarnia Gdańsk“. Foto: Katarzyna Tuszynska
„Die Hefe braucht etwas Sättigung mit Sauerstoff”, erklärt Grossman und schüttet die Hefe in die Gärbehälter. Die Hefe wird extra aus Deutschland nach Danzig importiert. Michał muss sie wie einen Kuchenteig gehen lassen. Einmal am Tag verrührt er sie gründlich. „Erst dann lässt man sie in der Flüssigkeit arbeiten. Die Hefe wandelt den einfachen Zucker in Alkohol und Kohlendioxid um.“ Viele Jahre lang hat der Pole Bier nach seinem eigenen Rezept zu Hause hergestellt.
Doch Michał hat schon immer davon geträumt, eines Tages in einem echten traditionellen Brauhaus arbeiten zu können. „Meine Träume wurden erfüllt“, freut er sich.Seit der Stadtgründung im Jahre 997 war Bier das berühmteste Getränk in Danzig. Im 16. Jahrhundert gab es in der Stadt etwa 380 Brauhäuser. Jährlich hat man 250.000 Tonnen Bier getrunken. Das Bier wurde damals meist aus Hafer, Gerste und Hopfen hergestellt. „Die Danziger tranken das Bier zu Hause, Reisende genossen es in Gasthäusern und Seefahrer in den Tavernen am Hafen“, erzählt der Danziger Historiker und Ehrenbürger von Danzig, Professor Andrzej Januszajtis.Das berühmteste und das stärkste war damals das Joppenbier.
Man produzierte auch Doppelbier, Weißbier und Schwarzbier. Professor Andrzej Januszajtis zählt noch weitere Sorten auf: „das Dünnbier, das sogenannte Kroling oder das Schiffsbier.“ Das letzte war für seine niedrige Qualität bekannt, so der Danziger Professor.
Die „Brovarnia Gdańsk“ wurde in einem alten Speicher in der Szafarnia eingerichtet. Foto: Katarzyna Tuszynska
Die Gasthausbrauerei an der heutigen „Szafarnia“, früher Schäfereistraße, hat ebenfalls Biersorten nach jahrhundertealten Rezepten im Angebot. Das Bier wird nach dem alten Bayrischen Reinheitsgebot aus dem 16. Jahrhundert produziert. „Diese Biersorten kann man in Danzig nur hier kosten“, behauptet Ute Kisielewski, eine dunkelhaarige, zierliche Frau im bunten Kleid und mit einer großen Sonnenbrille.
Sie wohnt seit 15 Jahren in Polen.Im 16. Jahrhundert gab es sogar auch eigene spezielle Biervorschriften. Diese Regeln hat Andrzej Januszajtis in einem Buch aus dem Jahr 1900 gefunden. Die Vorschriften galten damals im berühmten Danziger „Arturs Hof“. „Welcher in der Banke trinken will, dem soll der Schenke zur Probe des Biers eine Probe geben. Der aber weiter trinken will, soll er seinen Wirt zahlen.“ Oder: „Ebenmäßig soll auch in der Zapferkammer kein Bier zu trinken vergönnt noch zugelassen werden, weil es zu aller Hand Verdacht gibet und der ältern Leuten zu Schaden gereichet.“Heutzutage hat sich einiges verändert. An der Theke in der Danziger Gasthausbrauerei „Brovarnia“ ist die Atmosphäre ganz locker. Der polnische Brauer Michał Grossman schenkt das frische, kalte Weizen direkt aus dem Fass ein. „Wie man hier sieht, mag das Weizenbier den Schaum.“
Das bekommt auch der Biertrinker zu spüren: Erst kommt viel Schaum beim Trinken hoch. Dafür spürt man beim Trinken die junge Hefe ganz stark. Kein Wunder. „Diese Sorte hat jetzt etwa 16 Tage für die Reifung gebraucht“, sagt Grossman.Die Gasthausbrauerei im alten Danziger Speicher ist bei Touristen wie auch bei Einheimischen beliebt. „Das war meine Idee. Um das Alte ein bisschen mit dem Modernen in Verbindung zu bringen“, freut sich Ute Kisielewski.
Das neue Brauaus wurde mit Glas, hellen Farben und viel Holz gestaltet. „Auch die grauen Möbel wurden aufgefrischt, damit es nicht zu bayerisch wirkt“, so die Wahl-Polin.