Tschechien

MÖCHTEGERN-JAMES BOND LÄSST PRAGER REGIERUNGSPARTEI SCHLINGERN

(n-ost) - Wie ein Häufchen Unglück sitzt Jan Morava im Prager Parlament und erklärt mit belegter Stimme das Ende seiner politischen Karriere. Lange hat die nicht gedauert: Morava ist der jüngste Abgeordnete des tschechischen Unterhauses, gerade mal 29. "Ich war nie einer, der geniale Programme entwerfen wollte. Ich wusste aber, wie wertvoll Informationen sein können", versucht der groß gewachsene, gebeugt sitzende junge Mann sein Verhalten zu entschuldigen. Ein Verhalten, das seine Demokratische Bürgerpartei (ODS) die Regierung kosten könnte.Morava ist das erste, aber vermutlich nicht letzte Opfer einer politischen Räuberpistole, die selbst den einiges von ihren Politikern gewöhnten Tschechen den Atem verschlägt: Die Hauptrollen spielen darin ein investigatives Fernsehteam und der ODS-Abgeordnete Vlastimil Tlusty. Gemeinsam wollen sie nachweisen, mit welch schmutzigen Praktiken in Prag Politik gemacht wird.Tlusty rebelliert gegen Partei-und Regierungschef Mirek Topolanek, weil dieser ihn in seinem Kabinett nicht zum Finanzminister ernannt hat. Seit der Finanzexperte trotzig mehrfach gegen Regierungsvorlagen gestimmt hat, steht er unter dem Druck der ODS-Führung. Seine Rebellion sieht dann so aus: Tlusty stellt sich dem TV-Team als "Köder" zur Verfügung. Als verheirateter Mann lässt er sich mit einer vermeintlichen Gespielin in der Badewanne ablichten. Das TV-Team bietet die Bilder dann - getarnt als Detektivbüro - mehreren Politikern und windigen Partei-Lobbyisten als Material an, mit dem man den Rebellen Tlusty trefflich erpressen könnte. Der Abgeordnete Morava fällt auf die Geschichte herein und greift zu.Doch damit nicht genug: Morava hat seit geraumer Zeit eine Liaison mit der Tochter der grünen Abgeordneten Olga Zubova. Doch dahinter steckt eine Aufgabe: Die ODS hat ihn beauftragt, sich der jungen Frau zu nähern, um über sie an Informationen über die grüne Abgeordneten-Mama heranzukommen. Olga Zubova rebelliert nämlich auch. Gegen die eigene Parteiführung, gegen die Koalition mit der ODS und auch gegen den Vertrag über die US-Radarstation in Tschechien. Letzteres könnte die Ratifizierung dieses Vertrags gefährden.Morava beauftragt die angeblichen Detektive vom Fernsehen, Fotos von ihm und seiner Freundin zu machen. Die Mutter soll denken, die Tochter und auch sie würden bespitzelt. Dieser nicht eben angenehme Gedanke soll sie einschüchtern.Zwischenzeitlich versucht Morava, die Bilder von Tlustys vermeintlichem Seitensprung in der Badewanne in die Presse zu lancieren. Er geht zur größten Tageszeitung "Mlada fronta dnes". Doch die ist in die ganze Aktion eingeweiht, was Morava nicht ahnt.Als es zur Übergabe der Fotos mit Morava und seiner Freundin kommt, lassen die TV-Leute endlich die Katze aus dem Sack. Sie haben die ganze Intrige fein säuberlich gefilmt. Mit versteckter Kamera. Morava ist fassungslos. "Ich wollte mich nur interessant machen und wie James Bond dastehen", stammelt er. Und er habe allein gehandelt, fügt er noch rasch hinzu. Doch dem ist vermutlich nicht so. Zumindest ODS-Fraktionschef Petr Tluchor, der den Rebellen Tlusty seit langem loszuwerden versucht, soll von der Sache gewusst und Morava die ganze Zeit über gedeckt haben.Premier Topolanek ergreift die Flucht nach vorn: Morava habe nicht im Auftrag der ODS gehandelt. Topolanek spricht vom "Augiasstall", der ausgemistet gehöre. Und er meint damit die Medien und Tlusty. Morava sei nur ein armes "Opfer". Das sieht zumindest die Tochter der grünen Abgeordneten Zubova anders: "Ich bedaure, Dich getroffen zu haben", schreibt sie in einer E-Mail an ihren vermeintlichen Freund Morava. "Du bist ein böser und gemeiner Mensch."Die ODS distanziert sich von Morava, vor allem aber von Tlusty. Er und Morava sollen ihre Mandate aufgeben. Doch Tlusty denkt nicht daran. Er und andere Rebellen in der ODS fordern ihrerseits den Kopf des Fraktionschefs Tluchor. Anderenfalls würden sie die Fraktion verlassen.Jetzt ist guter Rat teuer in der ODS. Gehen die Rebellen endgültig von der Fahne, wackelt die ganze Regierung. Topolanek hat ohnehin nur eine Mehrheit dank zweier Überläufer von den oppositionellen Sozialdemokraten. Die Linken weiden sich derweil genüsslich an der Affäre, die TV Nova den baffen Tschechen am Sonntagabend zur besten Sendezeit in aller Schönheit vorgeführt hat.Die Wähler, so hoffen die Sozialdemokraten, werden bei den im Herbst anstehenden Wahlen für Teile des Senats und für die Kommunen ihr Urteil über die ODS und deren Machenschaften á la Morava sprechen. In jedem Fall wollen sie laut Presseberichten vom Dienstag nach den Wahlen einen Misstrauensantrag gegen die Regierung einbringen. Es wäre nicht der erste derartige Anlauf, das Kabinett Topolanek zu stürzen. Doch noch nie standen die Chancen dafür so gut.ENDE Nachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0


Weitere Artikel