Deutsches Ortsschild für Lubowice
(n-ost) – Es ist eine Premiere der besonderen Art. In Polen ist erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg ein offizielles Ortschild in deutscher Sprache neben dem polnischen aufgestellt worden. Das Dorf Lubowice in der südpolnischen Gemeinde Rudnik begrüßt Einwohner, Durchreisende und Besucher seit Donnerstag auch in seiner früheren deutschen Bezeichnung – Lubowitz.Die Region gehörte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges zum Deutschen Reich, die Gemeinde liegt nahe der Stadt Raciborz in Oberschlesien, unweit der polnisch-tschechischen Grenze. Bekannt ist das 300-Seelen-Dorf Lubowice vor allem als Geburtsort des deutschen Dichters Joseph von Eichendorff (1788-1857).308 Menschen leben offiziell dort, 77 von ihnen hatten bereits vor zwei Jahren darüber abgestimmt, ob die zweisprachigen Schilder angebracht werden sollen. Alle 77 sagten ja, was zugleich einem Votum von über 20 Prozent aller Einwohner entsprach – eine Grundbedingung für die Einführung der zweisprachigen Schilder. Der Gemeinderat segnete die Entscheidung ab und schickte einen entsprechenden Antrag an eine Kommission beim polnischen Innenministerium in Warschau, die im April dieses Jahres grünes Licht gab.Einer der Hauptinitiatoren der Schilder-Aktion ist Leonard Wochnik, örtlicher Sprecher der deutschen Minderheit. Er engagiert sich in der Eichendorff-Gesellschaft, die in Lubowice aktiv ist. „So ist es ein wenig europäischer. Die deutschen Bezeichnungen sind gegen niemanden gerichtet, und wenn es diese Möglichkeit gibt, warum sollte man sie dann nicht nutzen?“, fragt Wochnik.Ähnlich argumentiert Alojzy Pieruszka, der Gemeindevorsteher von Rudnik, zu der das Dorf Lubowice gehört. „Wir streichen die Vergangenheit nicht durch. Die Schilder werden ein Signal dafür sein, dass wir offen sind“, sagt er. Auch kritische Stimmen gebe es sicherlich, sagt Pieruszka, doch er glaubt eher, dass es zu keinen Auseinandersetzungen kommen wird.Tatsächlich sind in Lubowitz durchaus nicht alle einverstanden mit der neuen Zweisprachigkeit. „Wie soll das denn aussehen: ein polnischer Ort, aber ein deutscher Name? Diese Idee gefällt mir nicht besonders, es wird wieder das Gerede losgehen, dass Lubowice nichts mit Polen zu tun hat“, sagte ein Einwohner des Dorfes, der dort seit 20 Jahren lebt, gegenüber einer Lokalzeitung. Eine andere Polin stimmte ihm zu: „Wir leben in Polen, wozu dann diese Schilder?“Laut Initiator Wochnik kupferten die Lubowitz-Deutschen ihre Schilder-Idee von der Gemeinde Radlow in der südpolnischen Wojewodschaft Opolskie ab. Diese hatte bereits vor gut einem Jahr für einen gewaltigen deutsch-polnischen Medienwirbel gesorgt, als sich erstmals Einwohner einer polnischen Kommune mehrheitlich für die Anbringung deutscher Schilder aussprachen – und die zuständige Kommission einwilligte. Radlow wird sich ab dem 12. September dieses Jahres offiziell auch Radlau nennen.Wlodzimierz Kierat, der Gemeindevorsteher von Radlow, dürfte die feierliche Anbringung von 67 deutschen Schildern in seiner Gemeinde bewusst hinausgezögert und nach den Lubowitzern datiert haben. Denn bereits letztes Jahr hatte er geäußert, ein etwas maues Gefühl zu haben ob der großen Medienresonanz und möglicher negativer Folgen Der Vorstoß könnte ja auch missverstanden werden. Doch es gehe nicht darum, das Deutsche zu betonen, sondern die multikulturelle Geschichte der Orte.Zweisprachige Ortsschilder wie in Lubowice oder Radlow sind nach einem Gesetz aus dem Jahr 2005 dann möglich, wenn die Bevölkerung einer Gemeinde eine entsprechende Initiative ergreift. Gehören weniger als 20 Prozent der Einwohner der Minderheit an, so ist eine Befragung mit Mehrheitsentscheid notwendig, bei einem Anteil von mehr als 20 Prozent entfällt die Verpflichtung, die Bevölkerung zu befragen. Zudem können Gemeinden mit einem Anteil ihrer Minderheiten von mehr als 20 Prozent die Regionalsprachen – etwa Deutsch, Kaschubisch oder Litauisch – als amtliche Hilfssprachen einführen.Die meisten Gemeinden entschieden sich freiwillig für die Einbindung der Bevölkerung, um eine größere Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu erreichen, sagt der Parlamentsabgeordnete Ryszard Galla. Galla ist seit 2007 der einzige parlamentarische Vertreter der deutschen Minderheit in Polen – diese Repräsentation ist verfassungsmäßig garantiert.In Polen haben mittlerweile elf Gemeinden das Recht, Ortsschilder in der Sprache einer dort lebenden Minderheit anzubringen – acht in deutsch, zwei in kaschubisch an der polnischen Küste und eine in litauisch im Nordosten Polens. Bei der Wahl der künftigen deutschen Ortsbezeichnungen darf dabei nur auf jene zurückgegriffen werden, die historisch belegt sind und die bereits vor dem Jahr 1933 existierten – also bevor die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Namen, die in der Nazi-Zeit entstanden, sind nicht zugelassen.Nach einer allgemeinen Volkszählung in Polen im Jahr 2002 erklärten rund 153.000 Personen ihre deutsche Nationalität, von ihnen hatten 147.000 zugleich die polnische Staatsangehörigkeit. Die meisten dieser Personen, rund 106.000, leben in der südpolnischen Wojewodschaft Opolskie. Knapp 32.000 der deklarierten polnischen Deutschen leben in der Wojewodschaft Slaskie (Oberschlesien) – hier liegt auch Lubowitz.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0