Mit Trippelschritten in die EU
Zagreb hat ausgeflaggt: Von jedem Regierungsgebäude weht die kroatische Nationalflagge mit dem roten Schachbrett. Nun ist daneben auch überall die blaue EU-Flagge mit den gelben Sternen zu sehen. In manchem Ministerium scheint man allerdings auf Nummer sicher zu gehen und rahmt die neue EU-Flagge mit gleich zwei kroatischen ein.
Auch auf den Straßen der kroatischen Hauptstadt weiß nicht jeder so genau, was er von der EU zu halten hat. Petar verteilt auf dem zentralen Ban-Jelacic-Platz Kaufhauskataloge. Europa? „Ich denke, es ist noch zu früh für uns. Unsere Wirtschaft ist noch nicht stark genug. Gegen die deutsche haben wir doch gar keine Chance.“
Dabei kommt der Beitritt später als erwartet. Rund 20 Jahre nach der Unabhängigkeit von Jugoslawien haben der kroatische Staatspräsident Ivo Josipovic und die scheidende Regierungschefin Jadranka Kosor den EU-Beitrittsvertrag am Freitag in Brüssel unterzeichnet. Die Verhandlungen hatten bis Juni 2011 gedauert, so lange wie bei keinem Land bisher. Nach den Erfahrungen mit Rumänien und Bulgarien hatte die EU-Kommission in den Beitrittsverhandlungen mit Kroatien bei Themen wie Korruptionsbekämpfung und Unabhängigkeit der Gerichte sehr viel genauer hingesehen. Hinzu kam Jahre lang die mangelnde Kooperation Zagrebs mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.
Als Beitrittsdatum steht im Vertag nun der 1. Juli 2013. Das 4,3 Millionen-Einwohner-Land wird dann der 28. Mitgliedsstaat der EU werden – wenn die Kroaten es auch wollen. Denn vor den endgültigen Beitritt hat die kroatische Verfassung noch ein Referendum gesetzt.
„Ja, es gibt eine Europaskepsis, natürlich“, sagt Dragan Bagic vom Meinungsforschungsinstitut Ipsos Puls. „Diese Skepsis gab es in allen Beitrittsländern, auch in Kroatien. Aber die Mehrheit der Kroaten ist für den Beitritt.“ Bagics monatliche Umfrage-Charts zeigen: Die Befürworter haben seit Jahren eine stabile Mehrheit. Und bei denen, die auch wirklich abstimmen wollen, ist der Abstand noch deutlicher: Im November hätten 61 Prozent für einen Beitritt und nur 32 Prozent dagegen gestimmt. „Ich bin ziemlich sicher, dass das Referendum im März positiv ausfällt“, sagt Bagic. Alles andere wäre schlecht – das Referendum ist bindend.
Meinungsforscher Bagic nennt es das „Euroskepsis-Paradox“: Die politische Elite Kroatiens ist fast geschlossen für den Beitritt. Radikale Beitrittsgegner haben auch bei den jüngsten Wahlen vor einer Woche kaum Stimmen erhalten. „Das zeigt, dass es die Euroskeptiker doch nicht so ernst meinen“, meint Bagic. Deren Argument laute meist so: „Kroatien ist eigentlich ein reiches Land mit vielen Ressourcen. Aber sein Staat und seine Wirtschaft sind noch zu schwach. Das macht das Land verwundbar.“
Ganz so verkehrt ist der Instinkt des Volkes vielleicht nicht: Zoran Aralica, Ökonom am Zagreber Institut für Wirtschaftsforschung EIZ, erklärt es anders, meint aber etwas Ähnliches: „Wenn die Grenzen geöffnet werden, werden einige kroatische Unternehmen Schwierigkeiten bekommen, weil der Wettbewerb dann härter wird.“ Vor allem Lebensmittelpreise sind in dem Adriastaat höher als in anderen neuen EU-Mitgliedsländern, etwa in Tschechien. „Nach dem Beitritt könnte es daher ein, zwei Jahre wirtschaftlich schwierige Jahre geben für die Unternehmen der Lebensmittelindustrie.“
Dennoch sieht Aralica den Beitritt positiv, auch weil er längerfristig Chancen für exportorientierte Firmen eröffne. Diese könnten dann auf die Förderprogramme der EU zugreifen: „Kroatien muss hier etwas tun, damit es nicht in die Griechenland-Falle rutscht“, so Aralica. Hier habe das Land großen Nachholbedarf, weil es die technologische Entwicklung lange vernachlässigt habe.
Zeljko sammelt am Busbahnhof im Grenzort Slavonski Brod im Osten des Landes Plastikflaschen von den Fahrgästen, um ein paar Kuna Pfandgeld einzulösen. Was er von Europa hält? „Ach, das endet genau so wie damals Jugoslawien. Das sieht man doch, das funktioniert doch nicht.“ Dann stimmt er beim Referendum wohl dagegen? „Nein, nein, ich stimme schon dafür. Ich hoffe, ja dass die Zeiten besser werden. Aber ich glaube es eigentlich nicht.“