AUSSENPOLITISCHES FINGERHAKELN IN PRAG
(n-ost) - Vaclav Klaus hatte am Mittwochvormittag ausnahmsweise Zeit zur Muße. Der tschechische Präsident war zwar von Premier Mirek Topolanek zur Regierungssitzung eingeladen worden, doch Klaus schlug das Angebot aus. Das Kabinett beriet unter anderem darüber, wie und in welcher Zusammensetzung die tschechische Delegation auf dem anstehenden EU-Sondergipfel über den Kaukasus-Konflikt auftreten soll. "Da sich unsere Ansichten in dieser Sache grundsätzlich unterscheiden, würde meine Anwesenheit die Haltung der Regierung kaum grundsätzlich beeinflussen können", ließ Klaus erklären.In der Tat sprechen der Präsident und die Regierung in dieser außenpolitischen Grundfrage mit zwei Zungen. Während die Regierung im Einklang mit den anderen Staaten im Westen das Vorgehen Russlands nachdrücklich verurteilt, sieht Klaus den eigentlichen Schuldigen des Konflikts in Georgien. Die Führung dort habe den militärischen Überfall Moskaus provoziert, sagte Klaus. Nahezu alle anderen tschechischen Spitzenpolitiker fühlten sich dagegen angesichts der Bilder mit den russischen Panzern an die Niederschlagung des Prager Frühlings vor 40 Jahren erinnert.Außenminister Karl Fürst Schwarzenberg, der seine Worte immer sehr sorgsam wählt, bedauerte vorsichtig die Haltung des Staatsoberhauptes. Es wäre besser gewesen, wenn sich die führenden Politiker in dieser Sache konsultiert hätten, bevor sie sich in der Öffentlichkeit äußerten, sagte der Minister. Als das bei Klaus nicht fruchtete, legte die größte Regierungspartei, die liberalkonservative ODS, deren Ehrenvorsitzender Klaus noch immer ist, nach: Der Präsident liege mit seiner Einstellung völlig daneben.Vaclav Klaus gibt gern die Richtung vor. Jetzt kollidiert die wieder einmal mit der, die die Regierung anstrebt.Dienstagabend bemühten sich Klaus, Topolanek, Schwarzenberg und der für Europa zuständige Vizepremier Sasa Vondra bei einem Treffen auf der Prager Burg um eine Annäherung - vergeblich. Klaus war lediglich bereit, der Regierung in der Einschätzung zu folgen, dass die "Anerkennung" der beiden abtrünnigen georgischen Provinzen durch Moskau nicht gutzuheißen sei.Es ist nicht das erste Mal, dass der Präsident und die Regierung außenpolitisch über Kreuz liegen. Das wäre an sich nicht von Bedeutung. Die Väter der tschechischen Verfassung haben allerdings dem Präsidenten eine spezielle außenpolitische Rolle zugestanden: Er vertritt das Land nach außen. Eine Konstellation, die sich auch schon zu Vaclav Havels Zeiten als nicht glücklich erwies. Damals wie heute gibt es in Prag gleich drei Instanzen, die in der Außenpolitik das Sagen haben: das Außenministerium, die Regierung und der Präsident.Klaus hatte zwar beim Antritt seiner ersten Amtszeit betont, dass er keine eigenständige außenpolitische Linie verfolgen werde. Doch die Tatsachen sprechen eine andere Sprache. Mit völligem Unverständnis etwa reagierte er auf die Anerkennung Kosovos durch die Regierung. Er schäme sich dafür, erklärte er dem serbischen Botschafter, den er extra zu diesem Zweck auf die Prager Burg eingeladen hatte.Mit Schrecken sehen Diplomaten in Prag dem ersten Halbjahr 2009 entgegen. Dann übernimmt Tschechien die EU-Ratspräsidentschaft. Das Sagen wird dann zwar Premier Topolanek haben. Aber Klaus sehnt sich auch nach diplomatischem Rampenlicht. Allerdings weiß niemand, welche Rolle man Klaus übertragen könnte. Der Präsident schießt nämlich auf gleich mehreren Feldern quer.Besonders schwer wiegt das klare Nein von Klaus zum Reformvertrag von Lissabon, den er nach dem verunglückten Referendum der Iren freudig für tot erklärt hat. In Prag schließt man nicht aus, dass Klaus dem Dokument - wenn es denn zuvor die beiden Parlamentskammern passiert hat - seine Unterschrift verweigert.Angesichts der Haltung des tschechischen Präsidenten zum Kaukasus-Konflikt dürfte den meisten anderen EU-Politikern auch nicht der Sinn danach stehen, Klaus als Verhandlungsführer beim turnusmäßigen EU-Russland-Gipfel zu akzeptieren. Kaum vorstellbar zudem, dass Klaus die EU in die Gespräche mit dem neuen amerikanischen Präsidenten führen könnte. Die Union will von den Amerikanern dabei noch einmal nachdrücklich eine engere Zusammenarbeit gegen den Klimawandel einfordern. Klaus aber ist einer der wenigen Staatsmänner in Europa, die eben diesen Klimawandel schlichtweg bestreiten und als "Blödsinn von irgendwelchen Grünen" bezeichnen.Die Planer der Prager EU-Ratspräsidentschaft sind nach dieser Entwicklung nicht um ihre Aufgabe zu beneiden. "Das wird die Quadratur des Kreises", stöhnt man schon jetzt im Außenministerium.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0