Alternative Kunst in der Kulturhauptstadt
„Hier könnte es sein.“ Tapiwa Chapo zeigt auf eines der vielen leer stehenden Häuser in der Unterstadt von Maribor. Seine leise Stimme übertönt nur mit Mühe den Verkehrslärm der breiten Straße, die vom Hauptplatz in den nicht restaurierten Teil der Altstadt führt. Von den grauen Fassaden bröckelt der Putz. Einige der für Maribor so typischen roten Ziegeldächer sind bereits eingestürzt.
Der Maler und Bildhauer Tapiwa stammt aus Simbabwe, hat in London studiert, und zog vor zehn Jahren mit seiner slowenischen Ehefrau in ein kleines Dorf bei Maribor. „Die Leute kannten Afrikaner nur aus dem Fernsehen“, erzählt er lachend. „Die wollten mich anfassen, um zu prüfen, ob ich wirklich echt bin“. Inzwischen haben sie sich an ihren „Tscherni“, ihren Schwarzen, gewöhnt. „Dwa Piva“, zwei Bier, nennen sie den großgewachsenen, schlanken Tapiwa hier oft, weil es leichter auszusprechen ist als sein simbabwischer Name.
Weil die afrikanische Kultur für viele Slowenen so exotisch ist, träumt Tapiwa von einem afrikanischen Kulturzentrum in Maribor, das 2012 zusammen mit dem portugiesischen Guimaraes „Europäische Kulturhauptstadt“ sein wird. Sehr gerne würde Tapiwa zum Kulturhauptstadtjahr sein „African Village“ eröffnen, in dem er und die Hand voll weiterer Schwarzafrikaner Kunst, Kultur und sogar Medizin aus Afrika vorstellen wollen. „Jeder, der etwas über Afrika wissen möchte, kann dann zu uns kommen.“
Kunst ist für Tapiwa vor allem Begegnung und Austausch. Nur wo? Räume sind teuer in der 120.000-Einwohner-Stadt Maribor. Luxus brauchen die Künstler nicht, nur Platz. Die Stadt habe Interesse am Afrika-Zentrum bekundet, seine Anfragen nach Räumlichkeiten aber nie beantwortet, klagt Tapiwa. „Die wissen selbst nicht, welche Häuser ihnen gehören“, vermutet er.
„Ausgefallene Ideen sind hier nicht so gefragt, vor allem wenn sie Geld kosten“, berichtet Barbara, eine junge Tourismusexpertin, die sich in Maribor bestens auskennt. Lange Zeit sei die von der Stadt gegründete Kulturhauptstadtgesellschaft mit sich selbst beschäftigt gewesen. „Es ging um Posten, Pöstchen und die Frage, wer die Gesellschaft leiten darf. Projektvorschläge von außerhalb blieben lange liegen.“
Die im finanzschwachen Slowenien ohnehin nicht auf Rosen gebettete freie Kunstszene erwartet nach diesen Erfahrungen nicht viel von der Europäischen Kulturhauptstadt, auch wenn die neue Leiterin Suzana Ziliz-Fiser Besserung gelobt. Doch wegen der wirtschaftlichen Probleme im Land wurde der Kulturhauptstadt-Etat zuletzt auf magere 8,5 Millionen Euro zusammengestrichen – während in der Bewerbung noch 50 Millionen Euro für das Programm angesetzt waren.
Drüben, auf der anderen Seite der breit und träge dahinfließenden Drau, hat die jugoslawische Armee ein riesiges Fabrikgelände mit drei großen, alten Hallen und reichlich freien Flächen hinterlassen. Nach dem Abzug der Soldaten besetzten junge Leute 1994 die schon zum Abbruch freigegebene ehemalige Brotfabrik. „Pekarna“, Bäckerei, nennt sich das alternative, autonome Kulturzentrum, das sie dort aufgebaut haben. „Kultur statt Kommerz“, fasst Pekarna-Leiter Gregor Kos das Konzept zusammen.
Sloweniens inzwischen größte kulturelle Nichtregierungsorganisation veranstaltet bis zu 300 Events im Jahr: Darunter Tagungen, Konzerte, Festivals und Theateraufführungen. In den Hallen proben Bands und einen Nebenraum haben die Pekarna-Leute zum Club umgebaut. Weil die meisten DJs ehrenamtlich auflegen, kosten die Partynächte hier – anders als in anderen Clubs – keinen Eintritt.
„Wir sind völlig pleite“, klagt der 35-jährige Gregor Kosi. Nur wenige Projekte werden überhaupt von Stadt, Land oder Europäischer Union geförderte – meistens allerdings zu wenig und zu spät. Obwohl die Kulturhauptstadtgesellschaft zumindest Gastateliers für auswärtige Künstler und sieben weitere Projekte auf dem Pekarna-Gelände im kommenden Jahr mitfinanziert, ist Kosi skeptisch: „Ich sehe nicht, dass etwas Dauerhaftes dabei herauskommen wird.“ An der Mentalität der Verantwortlichen werde sich nichts ändern.