MATHEMATIKERIN AUF DEM FUSSBALLPLATZ
(n-ost) - Jeden Tag um 8 Uhr morgens fängt für Katarzyna Nadolska ein hartes Training an. Sie steht bereits auf dem Laufband in einem Danziger Fitnessstudio. Im Hintergrund läuft Ricky Martins Lied vom French Cup im Fußball. Nach 40 Minuten Lauf wechselt Katarzyna den Raum und steigt aufs Fahrrad um. Noch eine Dreiviertelstunde anstrengendes Spinning und dann kann der Tag für Katarzyna beginnen. Der besteht in der Regel daraus, Schülern mathematische Fähigkeiten beizubringen. Doch regelmäßig steht Katarzyna Nadolksa auf dem Fußballplatz – als Schiedsrichterin der FIFA. Das schwarze Haar trägt Katarzyna zum Zopf gebunden. Sie ist schmal und gut durchtrainiert. Katarzyna Nadolska ist 35 Jahre alt. Doch der Trainingsanzug lässt sie jünger aussehen. Vor allem aber ihr Elan. Um FIFA-Schiedsrichterin zu sein, muss man neben perfekter körperlicher Kondition auch geistig top fit sein. „Im Frühsommer musste ich in Portugal viele schriftliche Prüfungen auf Englisch bestehen“, erzählt die Polin. Der erste Schritt: Man muss in der besten Gruppe angenommen werden. Das bedeutet viele Jahre mühsamer Arbeit und gute Noten von einzelnen Fußballspielen. Dazu noch Workshops und Schiedsrichterkurse. „In Portugal haben wir auch zusätzlich Schulungen für die Olympischen Spiele in Peking absolviert“ Schon als Kind war Katarzyna vom Fußball begeistert. Jedes Spiel war bei ihr ein großes Familienfest. Sie kann sich noch gut erinnern, als in ihrem Elternhaus im südpolnischen Radom „alle die Fußballspiele gemeinsam im Fernsehen anschauten. Eltern und Kinder“. Das hat sie geprägt. Als junges Mädchen fuhr sie manchmal mehrere hundert Kilometer, um Spiele der polnischen Nationalmannschaft live zu sehen. „So lange ich mich erinnern kann, war ich nach dem Fußball verrückt.“ Aus einer Zeitungsanzeige erfuhr sie von Schiedsrichterkursen. So hat es angefangen.Die polnische Schiedsrichterin hat inzwischen viele Erfahrungen gesammelt. Katarzyna war sowohl bei der Frauen EM als auch der WM in der Altersgruppe bis 19 Jahre mehrmals im Einsatz. Schon 2003 wurde sie bei einem Spiel für Erwachsene eingesetzt. Sogar im Finalspiel. Mehrmals unterstützte sie die Schiedsrichter bei den Männermannschaften auf der Linie sowie in der 1. und 2. polnischen Nationalliga. Regelmäßig wird sie in der 2. Fußballliga eingesetzt. Jerzy Kacprzak glaubt fest an Katarzynas Fähigkeiten. Er ist der stelletretende Leiter des Polnischen Fußballkomitees in Danzig. Dass Katarzyna von der Fußballorganisation FIFA für die Olympiade in Peking ausgewählt wurde, war für ihn keine Überraschung. „Sie ist einfach gut. Diese Nachricht hat uns sehr erfreut. Doch vor allem ist das eine riesige Auszeichnung für Kasia.“In der polnischen Fußballwelt ist Katarzyna gut bekannt. Jacek Kaminski ist Sportkommentator bei dem regionalen Sender „Radio Danzig“. Er hat über viele Spiele berichtet, in denen Katarzyna als Schiedsrichterin eingesetzt war. „Da sehe ich keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen als Schiedsrichter. Die Männer hören Kasia gut zu.“ Im Hauptberuf ist Katarzyna aber Mathematiklehrerin an einem Danziger Gymnasium und Mutter von zwei Kindern. Wenn sie um 8 Uhr morgens auf dem Laufband trainiert, hat sie davor schon ihre Kinder in die Schule gefahren. Katarzyna ist 7 Tage in der Woche im Einsatz. In der Woche im Klassenzimmer, am Wochenende auf dem Fußballplatz. „Viele Frauen in Polen müssen arbeiten und sind gleichzeitig nebenbei Hausfrauen. Man muss seinen Job lieben. Nur dann macht man ihn richtig.“ Das ist Katarzynas Erfolgsrezept. Und so schafft sie es mit einem fröhlichen Lächeln, alles unter einen Hut zu bekommen. „Fußball war immer meine große Leidenschaft. Da ich keine Spielerin geworden bin, habe ich mich entschieden, Schiedsrichterin zu werden.“Dabei fand sie auch ihr privates Glück. Bei einem Schiedsrichterkurs lernte Katarzyna ihren Mann Maciej Wierzbowski kennen. Maciej Wierzbowski ist seit rund 20 Jahren Schiedsrichter. Er ist sowie in Polen als auch im Ausland sehr anerkannt. Er gehört zum exklusiven Klub der polnischen Vertragsschiedsrichter, und davon gibt es nur drei in Polen.Beide haben bemerkenswerte Höchstleistungen zu verzeichnen. Während Maciej bei der Männer-WM gepfiffen hat, unterstützte Katarzyna vor vier Jahren bei Olymdia in Athen die Schiedsrichter auf der Linie. Zu Hause sind sie aber ein Team. Außer den Alltagsproblemen ist Fußball das Hauptthema in der Familie Nadolska – Wierzbowski. „Wir entwickeln gemeinsam Strategien. Wir besprechen unsere Fehler, damit wir sie künftig vermeiden können.“Im eher konservativen Polen bricht das polnische Schiedsrichterpaar auf dem Fußballplatz wie auch privat einige Stereotype. Während Katarzyna in Peking ist, schaut sich Maciej seine Frau mit der Familie zu Hause im Fernsehen an. „Ich bin stolz auf meine Frau und drücke ihr wie immer die Daumen. Mal ist sie dran, mal ich.“So viel Gleichklang gibt es auf manchen Fußballfeldern aber nicht. „Frauen haben es immer noch schwerer als Männer in dieser Branche“, sagt Maciej. Eine Schiedsrichterin werde immer noch als etwas Ungewöhnliches angesehen. „Katarzynas Beispiel zeigt, dass das Geschlecht beim Pfeifen aber keine Rolle spielt. Die richtige Entscheidung zählt, nicht das Geschlecht“.Maciej beobachtet seine Frau oft bei Fußballspielen. „Eine Frau kann Fußballer begeistern. Sie bemüht sich, ihre eigenen Emotionen zu zügeln.“ Es gibt immer noch ganz wenige Schiedsrichterinnen in der Welt. „Das stärkste Schiedsrichterinnen-Team sind die Deutschen“, so Katarzyna. Aber sie hat auch schon Kolleginnen in Norwegen, Rumänien, Spanien und Italien. Die charmanten Sitten von polnischen Kavalier-Fußballern könnten zumindest einige ihrer Kolleginnen im Ausland manchmal überraschen. Katarzynas Ehemann hat schon mehrmals kuriose Situationen erlebt. „Es kommt vor, dass die polnischen Fußballer der Schiedsrichterin bei der Begrüßung im Stadion einen Handkuss geben“, lacht Maciej.
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