UNESCO droht auch Prag
Nun also auch Prag. Zwar ist es dort keine Brücke, die die UNESCO stört, aber die Drohung liegt auch an der Moldau in der Luft: Wenn ihr so weiter macht, ist der Weltkulturerbe-Titel weg.In Prag geht es um fünf Hochhäuser, die sich unweit des Zentrums, im Stadtteil Pankrac, bald mehr als 100 Meter gen Himmel recken sollen. Sie wären nicht die ersten dort, an der Ausfallstraße zur Autobahn nach Brünn. Dort sind vor Jahren schon zwei Hotelriesen hingeklotzt worden, die alles andere als schön sind. Damals hat sich niemand daran gestört. Doch nun, da sie die neuen Pläne begutachtet hat, sagt die UNESCO Nein. Noch nicht offiziell, aber immerhin schon auf ihren Internetseiten.
Die Unesco droht Prag mit der Aberkennung des Weltkulturerbe-Titels. Grund sind neue Hochbauten im Prager Stadtviertel Pankrac, die die weiche Silhouette der Altstadt stören. Foto: Björn Steinz
Francesco Bandarin, der Chef des Weltkulturerbezentrums, war Anfang März nach Prag geeilt, um nach dem Rechten zu sehen. Sage und schreibe vierzig Studien ließ er sich vorlegen. Sie begutachteten Bauprojekte für Häuser, die höher als 80 Meter werden sollen. Bandarin hatte die Prager Stadtväter schon vor einem reichlichen Jahr gewarnt: „Pankrac gehört zwar nicht zur Zone des Weltkulturerbes. Aber wir haben diese Auszeichnung seinerzeit auch für das Gesamtpanorama der Stadt verliehen.“ Bandarin sprach damit den tschechischen Kritikern des Pankracer Projekts aus der Seele. Die kämpfen seit 1999 gegen die Pläne.
Nach seinem Besuch in Prag machten sie nochmals Druck. Das Ergebnis ist die jetzige handfeste Drohung.Beim Frühjahrsbesuch Bandarins in Prag hatte Prags Oberbürgermeister Pavel Bem noch zu beschwichtigen versucht: „Die Stadt wird auch außerhalb des historischen Zentrums regulierend eingreifen.“ Doch es blieb bei diesen Worten. Nicht nur die Stadt hat dem Projekt zugestimmt. Auch das Kulturministerium und die Prager Denkmalschützer hatten keine Einwände. So eine Dreieinigkeit ist selten. Die Denkmalschützer liefen in der Vergangenheit wiederholt Sturm gegen Bausünden, konnten sie aber in der Regel nicht verhindern.Das älteste Prager Viertel Ungelt, gleich beim Altstädter Ring, ist ein trauriges Beispiel für eine unsanfte Sanierung. Rein äußerlich wird kein Betrachter etwas an den sanierten Gebäuden auszusetzen haben, die in der „Wendezeit“ vor dem völligen Zerfall standen.
Doch hinter die Fassaden darf man nicht schauen. In Nacht- und-Nebenaktionen wurden von den zumeist ausländischen Investoren wertvolle Prager Kastendecken herausgerissen, um modernen Lichtschächten Platz zu machen. Den Frevel bezahlten die Investoren aus der Portokasse. Nach der Vermietung der Objekte hatten sie diese „Sonderausgaben“ schnell wieder drin.Ausländische Hotelketten gehören zu den Investoren in Pankrac. Sie haben bislang auf die Drohung der UNESCO nicht reagiert. Erfreut sein werden sie jedenfalls nicht. Wenn die geplant mehr als 100 Meter hohen Gebäude jetzt auf mindestens 60 bis 70 Meter gestutzt werden sollen, rechnet sich ihre Investition womöglich nicht mehr.Das Kulturministerium und die Denkmalschützer sind nicht begeistert von der Drohung der UNESCO.
Der Sprecher des Ministeriums, Jan Ciesler, sagte: „Wir haben dem Projekt bereits zugestimmt und sehen keinen Grund, diese Zustimmung zu revidieren.“ Ähnlich äußerte sich der Chef der Prager Denkmalschützer, Jan Knezinek: „Wir sind bereit zur Diskussion mit der UNESCO. Aber an unserem positiven Urteil über Pankrac müssen wir nicht rütteln.“Die UNESCO genießt im Übrigen in der öffentlichen Wahrnehmung in Prag kein großes Vertrauen. Auf der einen Seite sei sie pingelig und verbiete in zentrumsfernen Neubaugebieten den Einbau von Plastikfenstern. Und auf der anderen Seite billige sie, dass auf der architektonisch wirklich wertvollen Kleinseite die Dächer vereinheitlicht rot neu eingedeckt werden. Früher habe man von der Burg auf bunte Schiefer- und Kupferdächer sehen können.
Anders als im Falle Dresdens mischten in Prag von Beginn an auch die „großen“ Politiker richtig mit. Von Premier Mirek Topolanek ist der Ausspruch überliefert, dass man sich der UNESCO nicht beugen müsse. „Notfalls geben wir den Welterbetitel selbst zurück.“ Kommentatoren sind da vorsichtiger: „Prag verliert wegen der starken Krone und der allgemeinen Teuerung schon jetzt massiv Touristen“, heißt es da. „Der Verlust des Welterbetitels könnte womöglich noch mehr Touristen vergraulen.