Georgien

Der Krieg geht weiter

Nach einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Interfax nahm die georgische Artillerie die Beschießung der südossetischen Stadt Zchinwali am Montagnachmittag wieder auf. Der Präsident Südossetiens, Eduard Kokoita, erklärte, georgische Flugzeuge hätten in Zchinwali Bomben abgeworfen. Die Stadt befindet sich jetzt unter russischer Kontrolle. Einen Angriff der georgischen Bodentruppen gab es  bis Montagabend nicht. Montagvormittag hatte der georgische Präsident, Michail Saakaschwili im Beisein der Außenminister von Frankreich und Finnland, Bernard Kouchner und Alexander Stubb, ein Dokument zur Feuer-Einstellung unterschrieben. Details wurde nicht bekannt. Am Dienstag will der EU-Ratsvorsitzende Nicolas Sarkozy in Moskau vermitteln. Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Generalstabs, Anatoli Nagowizyn nannte die Erklärung des georgischen Präsident „Betrug“. Der georgische Präsident versuche die öffentliche Meinung „einzuschläfern“. Der Vertreter des Generalstabs erklärte, die russischen Truppen hätten nicht die Absicht weiter nach Georgien vorzustoßen.Das russische Außenministerium erklärte, eine Feuereinstellung sei nicht genug. Die georgischen Truppen müssten sich aus der Sicherheitszone um Süd-Ossetien zurückziehen. Außerdem müsse Tiflis einen Gewaltverzicht gegenüber Süd-Ossetien unterzeichnen.Der französische Außenminister, der die EU-Ratspräsidentschaft vertritt, schlägt eine Feuerpause aller Seiten sowie den Abzug jeglicher Truppen aus dem Konfliktgebiet unter internationaler Beobachtung und den Beginn politischer Verhandlungen vor. Die russische Seite hatte sich in der Vergangenheit gegen jeden Versuch gewehrt, den Konflikt um die abtrünnigen Provinzen in Georgien zu internationalisieren. Moskau fürchtet dadurch eine Minderung seines Einflusses.

Saakaschwili erklärte, 50 russische Bomber hätten in der Nacht auf Montag Ziele in Georgien bombardiert. Diese Angaben wurden von russischer Seite nicht kommentiert. Die Internetzeitung Gaseta.ru berichtete, seit Beginn der Kampfhandlungen hätten mehrere Tausend Touristen und Diplomaten Georgien verlassen. Die Ausreise erfolgt vorwiegend über Armenien. Russland hat den Flugverkehr mit Georgien eingestellt. Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen nach Georgien, da die Gefahr von Luftangriffen im Hinterland besteht.Auch in der zweiten Konflikt-Region Abchasien bleibt die Lage gespannt. Russische und abchasische Truppen hatten nach eigenen Angaben die georgischen Stellungen im oberen Kodori-Tal umzingelt. Das obere Kodori-Tal ist das einzige Gebiet von Abchasien, wo sich zur Zeit georgische Truppen aufhalten. Russland forderte die georgischen Truppen ultimativ zum Abzug aus Abchasien auf.

In Abchasien befinden sich jetzt 10.000 russische Soldaten, die offenbar vorwiegend im Gali-Bezirk, im Süden Abchasiens, stationiert sind. Auf der anderen Seite der Grenze zwischen Abchasien und dem georgischen Kernland gibt es eine Sicherheitszone in der sich nach russischen Angaben georgische Truppen konzentriert haben. Die russischen Militärs drohen mit der Beschießung dieser Truppen, wenn sie die Sicherheitszone nicht verlassen.  Der russische Präsident Dmitri Medwedjew kündigte ein baldiges Ende der Kämpfe an. „Ein wesentlicher Teil des Einsatzes mit dem Ziel, die georgische Regierung zu einem Friedensschluss in Südossetien zu zwingen, ist abgeschlossen.“ Zchynwali sei unter Kontrolle der russischen Truppen.Als der französische Außenminister und der georgische Präsident in der georgischen Stadt Gori, die sich nicht weit von der Frontlinie befindet, zerstörte Wohnhäuser besichtigten, kam es zu einem Zwischenfall. Am Himmel tauchten angeblich russische Flugzeuge auf. Kouchner und Saakaschwili wurden in Sicherheit gebracht.  Der russische Fernsehkanal ORT zeigte den Vorfall. Saakaschwili guckte zum Himmel und begann zu laufen. Hinter einer Straßenecke warfen sich mit schusssicheren Westen bewehrte Leibwächter über ihn.

Ob es eine reale Gefahr gab, war aus dem Videofilm nicht ersichtlich. Der russische Kommentator erklärte in genüsslichem Unterton, „vor irgendetwas hat sich Saakaschwili wohl gefürchtet“. Ein russisches Kampfflugzeug hatte im April 1996, während des ersten Tschetschenienkrieges, den damaligen tschetschenischen Präsident Dschochar Dudajew mit einer Rakete getötet. Saakaschwili rangiert in den russischen Medien heute als Kriegsverbrecher. Putin und Medwedjew erklärten, die georgischen Führung trage die Verantwortung dafür, dass es in Zchinwali zu ethnischen Säuberungen gekommen sei.


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