Auf Kuschelkurs mit Medwedew
Es gibt noch Leute in Europa, die über den Zustand des Euro Witze reißen können. Tschechiens Präsident Vaclav Klaus gehört zu ihnen. Als Ende vergangener Woche Kreml-Chef Dmitri Medwedew in Prag war, fragte Klaus ihn scherzhaft, ob Russland seine Reserven, die es in Euro angelegt habe, nicht lieber in tschechischen Kronen anlegen möchte. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz sprach Klaus übrigens Tschechisch; mit Medwedew selbst konferierte er auf Russisch. Eine Geste, die Klaus wichtig ist. Der Prager Burgherr sieht alles – auch Außenpolitik – ausschließlich unter pragmatisch wirtschaftlichem Blickwinkel. Im konkreten Fall hat sich das wieder gelohnt: In Anwesenheit der beiden Präsidenten wurden mehrere Milliarden Euro schwere Verträge abgeschlossen. Und Klaus warb für eine Ausweitung der Zusammenarbeit, lobte dabei ausdrücklich das Angebot russischer Interessenten am Ausbau des in den Nachbarländern Deutschland und Österreich beargwöhnten Atomkraftwerks in Temelin.
Servilität gegenüber Medwedew
Um die gute Stimmung nicht zu stören, nahm die Prager Burg dem Reporter des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehsenders das Recht auf eine Frage während der Pressekonferenz. Der Reporter hatte angedeutet, eine Frage zu den umstrittenen Russland-Wahlen stellen zu wollen.
Die Servilität, mit der Klaus und Co. Medwedew begegneten, äußerte sich auch in der Bemerkung des Präsidenten, wonach alle Beschwernisse aus der Vergangenheit ausgeräumt seien – womit vor allem der Sowjet-Einmarsch 1968 gemeint war. In einem Leserbrief an eine große Prager Zeitung fragte deshalb am Montag ein gewisser Josef Vohnout aus Prag, ob es jetzt schon so weit sei, dass sich die Tschechen bei den Russen für den Prager Frühling entschuldigen müssten.
Selbsternannter EU-Kritiker Klaus
Tags nach dem Medwedew-Besuch zögerte Tschechiens Premier Petr Necas in Brüssel mit der Zustimmung zum vorgeschlagenen EU-Paket zu größerer Haushaltsdisziplin und fand dafür Zustimmung bei Klaus. Das Projekt der EU-Gemeinschaftswährung sei „schlecht“ und „nicht wert, es um jeden Preis zu retten“, sagte der selbsternannte EU- und Euro-Kritiker Klaus.
Seither fragen sich die Tschechen, wohin ihr Land driftet. Für den früheren christdemokratischen Außenminister Cyril Svoboda ist das klar: Klaus mache einen Fehler, wenn er auf Russland setze, schrieb der Diplomat am Montag in der liberalen „Mlada fronta Dnes“. Und er verglich Klaus mit dem früheren tschechoslowakischen Präsidenten Benesch, der die Tschechoslowakei nach dem Krieg zu einer „Brücke zwischen Ost und West“ machen wollte. „Wie das ausging für uns wissen wir: schlecht. Wir wurden Teil Osteuropas.“ Auch heute werde eine solche Brücke nicht gebraucht. Tschechien sei dabei, sich gegen den europäischen Hauptstrom zu stellen, kritisierte Svoboda weiter. „Früher haben wir die europäische Politik mitbestimmt, heute sind wir EU-Querulanten.“
Svoboda warnt vor Isolation Tschechiens
Svoboda steht nicht allein mit seiner Meinung. Selbst die Wirtschaftszeitung „Hospodarske noviny“, die die Versuche zur Euro-Rettung immer eher kritisch begleitete, warnte am Montag davor, dass sich Tschechien unter Klaus‘ Führung zu isolieren drohe: „Tschechien liegt weder auf dem Mond noch im Stillen Ozean, es wird von Europa auch nicht von einem (Ärmel)- Kanal getrennt. Unser wirtschaftliches Schicksal ist unwiderruflich mit dem Schicksal der EU verbunden. Weder unsere eigene Währung noch unsere Reserviertheit gegenüber Europa garantiert uns, dass wir eine ‚Insel der Stabilität‘ oder ‚die Schweiz des Ostens‘ werden.“
An die Adresse der EU-Gegner, die sich darüber ereifern, dass Tschechien mit dem Vertrag über größere Haushaltsdisziplin womöglich einen Teil seiner Souveränität an Brüssel abgeben muss, schließt das Blatt mit den Worten: „Souveränität ist sicher eine prima Sache; aber kaufen kann man sich dafür nichts.“
Die linke Opposition hat die Regierung aufgefordert, über den Kurs des Landes eine gesamtgesellschaftliche Diskussion zu führen. Tschechien stehen damit nach Meinung von Beobachtern spannende Wochen und Monate bevor, die richtungsweisend sein werden: Entweder kehrt das Land zu Kerneuropa zurück oder es folgt Klaus in Richtung Russland.