Georgien

Krieg im Kaukasus

Bereits in der Nacht zu Donnerstag hatte es georgische Angriffe gegeben. Sechs Süd-Ossetier und zwei georgische Soldaten wurden dabei getötet. In den letzten Tagen waren über Tausend Kinder aus Süd-Ossetien mit ihren Müttern nach Nord-Ossetien in Sicherheit gebracht worden. Nun macht Georgien mobil und greift die abtrünnige Provinz Süd-Osstien an.

Abchasien teilte mit, Süd-Ossetien im Falle einer georgischen Großoffensive beizustehen. Das melden russische Nachrichtenagenturen. In der ebenfalls nicht anerkannten Provinz wurden Anfang Juli bei Bombenanschlägen vier Menschen getötet und zwölf verletzt. Georgische Partisanen seien dafür verantwortlich, erklärte der abchasische Präsident Sergej Bagapsch.

Die georgische Armee sei nicht wirklich stark, sagt der stellvertretende Verteidigungsminister Abchasiens, Garri Kupalba. Er residiert in einem ehemaligen Sanatorium südlich von Suchumi. Der Eingang wird von einem Posten bewacht, doch das Gebäude wirkt heruntergekommen. Die USA hätten Georgien Hubschrauber verkauft, die noch aus Zeiten des Vietnam-Krieges stammten, und die Ukraine hätten Panzer geliefert, die bei Manövern „einfach stehen bleiben“, behauptet der Minister.

Die eigenen abchasischen Streitkräfte seien dagegen voll einsatzfähig. Die Sowjet-Armee habe massenweise Waffen in Abchasien zurückgelassen, unter anderem „mehrere Millionen Patronen“. Stolz zählt Kupalba die eigenen Waffen auf: ein paar tschechische L-39 Trainingsflugzeuge, Mi-Hubschrauber und Suchoi-Kampfflugzeuge – zusammen etwa vierzehn Fluggeräte. Außerdem seien da noch „etwa 200 T 55-Panzer“. Sieben unbemannte georgische Aufklärungsflugzeuge – so genannte Drohnen - habe man bereits abgeschossen, brüstet sich der Minister. Beweisen kann er das aber nicht.

Doch nicht nur der Verteidigungsminister, auch die Abchasier selbst sind von ihrer Überlegenheit gegenüber Georgien überzeugt. Nikolai Achba, Direktor einer Weinfabrik in Suchumi, der Hauptstadt Abchasiens, hat für alle Fälle eine Kalaschnikow zu Hause. „Wir haben so ein Schweizer System“, erklärt er. „Im Falle eines Krieges weiß jeder, wohin er gehen muss.“ Offiziell hat die abchasische Armee 5.000 Soldaten. Im Kriegsfall können angeblich zusätzlich 25.000 Reservisten mobilisiert werden.

Angesichts so großer Bereitschaft zur Mobilmachung kann von Normalität in der Kaukasus-Region, die Anfang der 90er-Jahre durch einen blutigen Bürgerkrieg erschüttert wurde, heute keine Rede sein. Auch die Bemühungen des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD) um Vermittlung zwischen Georgien und dessen abtrünnigen Gebieten brachten keinen Erfolg. Mitte Juli reiste er von Tiflis über Suchumi nach Moskau, sein Drei-Stufen-Plan zur Lösung des Konflikts fand jedoch keine Zustimmung.

Für den georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili ist die Rückgewinnung der abtrünnigen Gebiete eines seiner wichtigsten Ziele. Doch die wehren sich nach Kräften dagegen. Dabei spielt Russland eine wesentliche Rolle. Wenn Süd-Osseten und Abchasen weiter nach Unabhängigkeit streben, wird es Georgien schwer haben mit der erstrebten Nato-Mitgliedschaft, so das Moskauer Kalkül. Jedoch, so der Vorwurf aus Tiflis, unterstütze Moskau nicht die Unabhängigkeit der Provinzen, sondern deren Eingliederung nach Russland.

Russland hat, wie alle anderen Staaten, bisher weder Süd-Ossetien noch Abchasien als unabhängige Staaten anerkannt. Aus Russland kommen zwar Touristen, Renten, Kapital und Soldaten für die 3.000 Mann starke Friedenstruppe. Aber die Abchasen glauben fest daran, dass sie seit 16 Jahren ein unabhängiger Staat sind. Gibt es dieses Land – Abchasien – überhaupt? Oder existiert es nur in den Köpfen seiner Bewohner und der russischen Generäle und Touristen? Die Abchasen hätten in den vergangenen Jahren genug Möglichkeiten gehabt, sich wieder Georgien anzuschließen. Doch das wollten sie nicht.

Der abchasisch-georgische Bürgerkrieg Anfang der 90er-Jahre hatte auf beiden Seiten mehrere Tausend Menschen das Leben gekostet und eine gewaltige Flüchtlingswelle ausgelöst. 250.000 Menschen, vor allem Georgier, flüchteten aus der Provinz am Schwarzen Meer.

Friedensgespräche mit Georgien seien „unabdingbar“, sagt die 21-jährige Marina. Sie studiert im vierten Semester Geschichte an der Pädagogischen Universität von Suchumi. Doch die georgischen Flüchtlinge sollen ihrer Meinung nach nicht zurückkehren. Marina möchte aber nicht als Nationalistin dastehen und betont, dass die Abchasen im Grunde ein sehr gastfreundliches Volk seien. Es gebe noch „viel freie Erde und unbewohnte Häuser“. Man könne Zuzügler gebrauchen, bloß eben keine Georgier.

Heute leben in dem kleinen Land, das bislang international nicht als Staat anerkannt wurde, etwa 200.000 Menschen. Die genaue Zahl kennt niemand. Es sind nicht nur Abchasen, sondern auch Armenier, Russen, Griechen und Juden. Wenn alle georgischen Flüchtlinge zurückkommen, könnten die Abchasen in ihrem kleinen Staat wieder zu einer Minderheit werden, fürchten sie. Doch zunächst solle die internationale Gemeinschaft Abchasien anerkennen, dann könne man auch über die Flüchtlingsfrage neu verhandeln, sagt Marina.

Seit einigen Jahren kommen wieder russische Touristen nach Abchasien. Und es kommen Abchasen, die in Moskau Geld gemacht haben und es jetzt in ihrer Heimat investieren, wie der Millionär Beslan Butba, der jetzt das legendäre Riza Hotel in Suchumi wieder aufgebaut hat. Sie wollen, dass der einstige Tourismus-Magnet wieder alten Glanz bekommt. So wie an der Pier von Gagra, wo vor 20 Jahren große Schiffe anlegten. Heute angeln dort ein paar Männer nach kleinen Fischen, die in einem großen Schwarm im Kegel einer Lampe kreisen. Damals sei die Küste nachts hell erleuchtet gewesen, sagt der Armenier Lew. Heute blinken am Ufer nur ein paar Lichter.

Das könnte sich bis 2014 wieder ändern. Denn für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi hat der Kreml Abchasien schon fest verplant. In den Sanatorien von Gagra und Pitsunda will man Bauarbeiter unterbringen, denn in Sotschi ist kein Platz. Außerdem will man in Abchasien Zement-Fabriken bauen. Sie sollen die Olympiade-Bauten versorgen. Wer kann schließlich etwas gegen wirtschaftliche Wiederaufbauhilfe haben?


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