Slowakei

Das Herz schlägt für Eurovallye

Die Slowakische Republik hat kürzlich von der Europäischen Union eine großzügige Finanzspritze für die Unterstützung von Wissenschaft und Forschung bekommen. Doch nicht nur damit, auch mit ausländischem und vor allem slowakischem Kapital will die Regierung die Spitzenforschung im Land stärken. Das ist auch bitter nötig, denn nach dem Ende der Tschechoslowakei sind viele Forscher abgewandert, wurden Patente ins Ausland verkauft. Nun soll eine Kehrtwende hin zu einem slowakischen Eurovalley erreicht werden. Darüber sprach Daniela Capcarová mit dem Vizepremier der Slowakischen Regierung Dušan Čaplovič.

ostpol: Slowakische Firmen erwarten bei Investitionen in die Wissenschaft Patente, die ihnen das investierte Kapital zurückbringen. Das ist bisher nicht der Fall.

Čaplovič: Im Moment haben wir das Problem, dass unsere talentierten Forscher ihre Patente ausländischen Firmen anbieten. Das ist allerdings keine Kritik an den Forschern. Sie machen das deshalb, weil in der Slowakei das Geld für Patentanmeldungen fehlt und die slowakischen Firmen an Patenten noch kein großes Interesse daran haben. Es gibt aber schon slowakische Spitzenforscher an renommierten ausländischen Universitäten, die Forschungsergebnisse generieren, die auch bei uns anwendbar wären.

Liegt das fehlende Interesse der slowakischen Firmen an Industriepatenten an der Abstinenz der Spitzentechnologien in der Slowakei vor der Wende?

Čaplovič: Ja, die Slowakei konzentrierte sich vor der Wende vor allem auf die Rüstungs- und Hüttenindustrie, Maschinenbauindustrie und Textilindustrie. Diese Industriezweige konnten nicht auf die Herausforderungen der damaligen Zeit im Bereich der Spitzentechnologien reagieren. Dazu haben wir nach 1990  unglücklicherweise die Ressortforschungsstellen bei Betrieben abgeschafft. Viele ausgezeichnete slowakische Forscher verloren ihre Arbeit und emigrierten zum Beispiel in die USA, wo sie jetzt bei diversen Firmen, an Universitäten und Forschungsinstituten wichtige Posten inne haben. Das Humankapital war also vorhanden, wir konnten es damals allerdings nicht richtig nutzen.

Wie wollen Sie der Abwanderung der slowakischen Spitzenforscher und des wissenschaftlichen Nachwuchses vorbeugen?

Čaplovič: Wir wollen den Status der Professoren deutlich erhöhen, damit bei der jungen Generation das Interesse anhält, an der Uni zu bleiben. Die Professoren werden genauso wie Richter und Generäle vom Präsidenten ernannt, sie sollen auch den gleichen gesellschaftlichen und finanziellen Status haben. Eine Riesenchance bietet sich für die Slowakei durch die Einführung des Euro und durch den Beitritt zur Eurozone. Danach sollte ein slowakischer Professor genauso bezahlt werden wie sein österreichischer Kollege. Wenn wir bis zum Jahr 2010 ein gleichwertiges Mitglied der Eurozone werden, werden wir die slowakischen Spitzenforscher nach Hause zurückholen.

Wie möchten Sie erreichen, dass ein Spitzenforscher aus einem Land mit langer Forschungstradition in der angewandten Forschung sich ausgerechnet für eine Karriere in der Slowakei entscheidet?

Čaplovič: Am 1. Januar 2009 werden wir das erste Land aus den Visegrad-Staaten sein, das den Euro einführt. Die starke Währung wird uns groβes Interesse der  Investoren garantieren, zumal die anderen Währungen der Nachbarländer in der Abhängigkeit vom Dollar schwanken können. Meiner Meinung nach ist es eine Frage von drei bis vier Monaten, bis ausländische Geldgeber in der Slowakei verstärkt investieren. Die Entwicklungen und Patente der einzelnen Länder haben jetzt  noch  nationalen Charakter. Man hat Angst davor, sie ins Ausland freizulassen. Durch den starken Euro werden die Patente und damit neue Technologien die Chance haben, sich in der Slowakei zu etablieren, ohne an Wert zu verlieren.

Wird Österreich die Slowakei nicht schief ansehen, wenn die slowakische Regierung Investoren und Forscher von dort weglocken?

Čaplovič: Österreich wird die Slowakei nicht schief ansehen, weil Österreich bereits in der Eurozone ist. Auβerdem wird die Aufnahme der Slowakei in die Eurozone die Zusammenarbeit in der Region fördern. Im Gespräch ist das übernationale Projekt Eurovalley, in das man mehrere Milliarden Euro investieren möchte. Es geht um die Verbindung von Forschungsclustern aus der Slowakei, aus dem tschechischen Mähren, vor allem aus Brno und Umgebung, mit den Forschungsstellen aus Östereich und Ungarn. Auch israelische Firmen wollen am Projekt mitarbeiten. Die gemeinsamen Forschungsergebnisse und Patente sollen dann die Bildung mehrerer Start-up-Unternehmen in der Region ermöglichen. Damit hätte Mitteleuropa eine Riesenchance, das Herz von Innovationen in Europa zu werden.

Welche Bereiche der Wissenschaft möchte die slowakische Regierung am stärksten unterstüzen?

Čaplovič: Ein Staat mit fünf Millionen Einwohnern sollte sich auf maximal vier bis fünf Prioritätsbereiche konzentrieren. Wir sollten auf Wissenschaften bauen, die in der Slowakei eine gewisse Tradition haben. Wir werden an die Forschung im Bereich der Nanotechnologie anknüpfen, in der wir noch zur Zeit der Tschechoslowakei Erfahrung sammelten. Ich persönlich vertraue am meisten den Informationstechnologien. Die IT-Branche boomt im Moment in der Slowakei. Der dritte Bereich ist die Molekularmedizin. Der vierte Bereich ist die Enwicklung   grüner Technologien.

Für die Spitzenforschung in den von Ihnen genannten Bereichen brauchen Sie Rieseninvestitionen in Labore und Forschungsanlagen.Woher sollen diese kommen?

Čaplovič: Neben der Finanzierung durch EU-Programme wie durch das Programm für Wissenschaft und Forschung haben wir die Möglichkeit öffentliche Mittel auszunutzen. Wir setzen auch auf private Investoren. In Trnava wird neben dem modernen Ionen- und Plasmazentrum, das an die Fakultät Mechanik und Technologie der Technischen Universität in Trnava gekoppelt ist, ein wichtiges Foschungszentrum gebaut.Die um Trnava angesiedelten Firmen Peugeot und Samsung wollen hier die Entwicklung der Spitzentechnologien unterstützen. Samsung will in  Nanotechnologie, Informationstechnologie und elektrotechnische Technologie investieren. Hyundai und KIA sind wiederum am Ausbau der technologischen Zentren im mittelslowakischen Žilina interessiert. Interesse an der Förderung der Technologieentwicklung haben bereits Volkswagen und Sony signalisiert.

Zur Person:
Dušan Čaplovič ist 61 Jahre alt. Als Historiker und Forscher lehrte er an der Komenský-Universität in Bratislava, wo er auch seine Doktorarbeit abgeschlossen hat. Als Dozenten habilitierte er sich im Jahr 2003 an der Universität in Nitra. In Jahren 1995-2001 war er der stellvertretende Direktor der Slowakischen Akademie der Wissenschaften. Von 2002 bis 2004 war Čaplovič der Abgeordnete des Slowakischen Nationalrates. Seit 2006 arbeitet er als Vizepremier der slowakischen Regierung und hat Bereiche Wissensgesellschaft, europäische Beziehungen, Menschenrechte und Minderheiten inne.


Weitere Artikel