Tschechien

RETTUNGSAKTION FÜR PRAGER KARLSBRÜCKE

Zustand des wichtigsten Wahrzeichens der Moldaustadt ist bedenklich(n-ost) – Eigentlich wimmelt es auf der Prager Karlsbrücke immer von Menschen. Die Moldauquerung, die Peter Parler vor 650 Jahren auf Geheiß von Kaiser Karl IV. errichtete, ist das meistbesuchte Denkmal der tschechischen Hauptstadt. Derzeit ist das Geschiebe und Gedränge auf dem reichlich 500 Meter langen und 10 Meter breiten Bauwerk mit der aus der Barockzeit stammenden Skulpturenallee aber noch größer: Unter den Augen der Besucher aus aller Welt wird die Brücke  umfangreich saniert.Dieses Vorgehen  war allerdings lange umstritten. Die Architekten und Bauleute hätten lieber in Ruhe vor sich hingearbeitet. Für die Tourismuslobby und die Stadtväter wäre eine Sperrung der Brücke jedoch einem Selbstmord gleichgekommen. Dazu ist die Brücke zwischen der Altstadt und dem Burgviertel oberhalb der malerischen Kleinseite einfach zu berühmt und wichtig. Zumal die Arbeiten mehrere Jahre dauern sollen. Also entschied man sich für halbseitige Absperrungen. Die Neugierigen können den Arbeitern so direkt auf die Hände sehen.
Blick über die Karlsbrücke auf den Hradschin.
FOTO: Andreas MetzWie dringend notwendig die Sanierung war, lässt sich schon jetzt am steinernen „Geländer” ermessen, wo derzeit die Quader ausgewechselt werden. Fast jeder zweite Stein ist neu; man sieht es an der deutlich helleren Farbe des Sandsteins. Der „Flickenteppich“ wird aber nicht so bleiben. Die neuen Steine werden mit einer Spezialfarbe behandelt, die sie rasch nachdunkeln lässt. Hinzu kommt die natürliche Verwitterung. Dass so viele Steine ausgetauscht werden müssen, hat die Experten überrascht. Doch der Sandstein zerbröselte den Bauleuten teilweise regelrecht unter den Händen. Es ist nicht nur der Zahn der Zeit, der an der Brücke genagt hat. Die letzte große Sanierung in den 1960er und 1970er Jahren ist schlampig ausgeführt worden. Das wird jetzt deutlich. Zudem hat das in den vergangenen Jahren in die Brücke eingedrungene Wasser die innere Konstruktion und den Brückenmantel erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Ein Übriges tat das Salz, das im Winter auf den Weg gestreut wurde. Der hohe Bedarf an neuen Steinen hat inzwischen schon zu einem Engpass geführt. Der Sandstein für die Karlsbrücke muss besondere Eigenschaften aufweisen. Vor allem muss er fest genug sein, um mindestens die kommenden 50 Jahre zu überstehen. Die Vorräte sind nicht unendlich. Geologen suchen deshalb schon eine neue Sandsteingrube für den zweiten Teil der Sanierung, der 2010 beginnen soll. Schon jetzt besteht die Brücke nur noch zu 40 Prozent aus den Steinen, die man einst im Mittelalter verbaut hatte.Bauleiter Zdenek Batal, der mit diesen Zahlen an die Öffentlichkeit ging, räumte zugleich mit einem Mythos auf: Anders als die Legende sage, seien dem Mörtel beim Bau der Brücke keine rohen Eier hinzugefügt worden, um die Festigkeit zu erhöhen. „Wahr ist lediglich, dass die Bauarbeiter seinerzeit teilweise mit Naturalien entlohnt wurden, darunter mit Eiern.“ Die Legende, so die Prager, höre sich irgendwie hübscher an. Aber sie werden sich nicht groß darum scheren. Für die Prager steht auch bis heute fest, dass der Generalvikar Johannes von Pomuk 1393 von der Brücke gestürzt wurde, weil er ein süßes Beichtgeheimnis der etwas leichtlebigen Königin Sophie bewahrt hatte. In Wahrheit musste der arme Nichtschwimmer Sankt Nepomuk (Johannes von Pomuk) jämmerlich ersaufen, weil er gegen den Willen des Königs einen neuen Abt in sein Amt eingeführt hatte. Die Prager sind halt romantisch veranlagt.Dieser Romantik wollen die Stadtväter bei der Sanierung der Brücke gerecht werden: Bei den Arbeiten wird eine Leitung verlegt, durch die Gas für neue Laternen strömen soll. Künftig wird also ein Lampenanzünder über die Brücke gehen und sie Abend für Abend ins rechte, leicht schummrige Licht rücken. Vor allem die Verliebten, für die die Brücke immer ein besonderer Anziehungspunkt war und ist, werden es ihm danken.
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