Tschechien

ENDE DES KRIEGS UM DIE WAHREN SPECKWÜRSTCHEN

Tschechen und Slowaken einigen sich über gemeinsame Registrierung ihrer kulinarischen Spezialität bei der EU (n-ost) – Aufatmen in Prag und Bratislava: die lange schwelende Gefahr einer Verstimmung in den Beziehungen zwischen Tschechen und Slowaken scheint gebannt. Nach Monate währendem harten Ringen einigten sich die beiden einstigen Brüder am Donnerstag über eine Grundsatzfrage: In welchem von beiden Ländern werden die „wahren“ Speckwürstchen hergestellt?Was sich für Außenstehende wie ein Witz anhört, ist in Tschechien und der Slowakei eine durchaus ernst zu nehmende Sache. Speckwürstchen – in der Landessprache „spekacky“ – gehören zu den kulinarischen Leckerbissen in beiden Ländern, auch wenn das nicht jedermann nachvollziehen kann. Die kurzen dicken Würstchen zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie vor Fett triefen. Mit diesem bekleckert man sich beim Essen garantiert. Geschmacklich sind sie für Auswärtige eher ungewöhnlich. Am ehesten sind sie als „ertrunkene Würstchen“ genießbar, eingelegt in einer sauer-scharfen Lake mit reichlich Zwiebeln und höllisch beißendem Paprika. Als solche werden sie unter der Bezeichnung „utopenci“ gern zum Bier gegessen.Die Slowaken wollten sich Anfang des Jahres hinter dem Rücken der Nachbarn die Speckwürstchen in Brüssel als nationale Spezialität schützen lassen. Das hätte aber bedeutet, dass die Tschechen fortan ihre spekacky nach slowakischem Rezept hätten herstellen müssen. Anderenfalls wären sie gezwungen gewesen, sich für ihre eigenen Speckwürstchen einen neuen Namen auszudenken. Diese Vorwitzigkeit der Nachbarn ging den tschechischen Würstchenmachern gegen den Strich. Sie bombardierten ihr Landwirtschaftsministerium mit der Forderung, den Slowaken zu zeigen, wer am längeren Ende der Wurst sitzt. Prag drohte denn auch in Brüssel ein Veto an. Und im März wurde das Thema allen Ernstes bei einer Krisensitzung der beiden Minister, Petr Gandalovic und Zdenka Kramplova, aufgetischt. Jetzt nun einigten sich beide Seiten in Brüssel über die Vorgehensweise. Man werde nicht nur für die Speckwürstchen die Namensrechte beantragen, sondern für insgesamt vier Wurst- und Salamispezialitäten. Zwei Rezepte, die für Zipser und die Liptauer Salami, werden die Slowaken einbringen, für die Jägersalami und die Speckwürstchen haben die Tschechen das Vorschlagsrecht. Geschützt werden sollen alle vier Sorten aber für beide Länder gleichermaßen.Kommentatoren nutzten die Gelegenheit, um gleich noch einen dringenden Wunsch im Interesse des eigenen Gaumens und dem der Verbraucher nachzulegen: Die tschechischen Würstchenmacher sollten tunlichst darauf achten, dass bei ihrer Rezeptur für die „spekacky“ Ersatzprodukten der Garaus gemacht wird. Das bezieht sich auf die Würstchen, die seit einiger Zeit die Ladentheken erobern. Sie bestehen statt aus Fleisch aus einer undefinierbaren Soja-Masse. Diese Soja-Würstchen, „Möchtegern-spekacky“, seien eine einzige Zumutung und hätten mit einem wahren Speckwürstchen nichts zu tun. Der Kommentator der „Lidove noviny“ beendete seinen ausführlichen Beitrag über das Grundsatzthema Würstchen mit dem Stoßseufzer: „Der liebe Herrgott und die EU mögen uns für immer vor solchen Speckwürstchen bewahren!“ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0


Weitere Artikel