Abchasischer Winzer mit großen Plänen
Sie haben so exotische Namen wie Psou, Anakopija, Dioskuria, Apsny und Buket Abchasia. In Russland sind die Rot- und Weißweine aus Abchasien bekannt und beliebt. Die exotischen Marken erinnern die Russen an Urlaub am Schwarzen Meer. Seit dem abchasisch-georgischen Bürgerkrieg Anfang der 90er Jahre leben die Bewohner Abchasiens, dazu gehören auch Armenier, Griechen und Russen, unabhängig von Tiflis. Trotz der Spannungen mit Tiflis kommen von Jahr zu Jahr mehr Touristen in den Zipfel am Schwarzen Meer. Das im März 2006 von der russischen Gesundheitsbehörde verhängte Importverbot für Wein aus Georgien galt auch für Wein aus der abtrünnigen Provinz Abchasien.
Das russische Gesundheitsministerium beanstandete, in den Weinen sei ein zu hoher Anteil von Schwermetallen und Pestiziden. Doch der wahre Grund waren wohl eher die politischen Spannungen zwischen Georgien und Russland. Das russische Importverbot für georgischen Wein wurde bisher nicht aufgehoben, doch abchasischer Wein wird seit Februar dieses Jahres wieder in Moskauer Supermärkten verkauft.
Das Moskau die Abchasen, die völkerrechtlich immer noch zu Georgien gehören, bevorzugt, hat politische Gründe. Moskau gefällt nicht, dass Georgien unter allen Umständen Nato-Mitglied werden will. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist in dieser Woche nach Tiflis aufgebrochen, um zwischen Georgiern und Abchasen zu vermitteln. Am Freitag reiste er mit den Ergebnissen seiner Verhandlungen weiter nach Suchumi, die Hauptstadt Abchasiens, und Moskau. Lange hatte der Westen die Abchasen ignoriert. Doch das geht jetzt nicht mehr.
Nach der Anerkennung Kosovos fühlen sich die Abchasen in ihrem Streben nach Unabhängigkeit gestärkt. „Ich möchte wissen, warum Kosovo mehr Unabhängigkeit verdient als Abchasien“, fragte der selbst ernannte Präsident Abchasiens, Sergej Bagapsch, im Gespräch mit dieser Zeitung. Der Moskauer General-Importeur für abchasischen Wein, Liviu Sytnik, rechnet damit, dass seine Firma Yupshara in diesem Jahr drei Millionen Liter abchasischen Wein in Russland verkauft. Im nächsten Jahr will man die Menge verdoppeln. Zum Vergleich: Bevor die russische Regierung 2006 das Import-Verbot für georgischen Wein verhängte, importierte Russland aus Georgien 36 Millionen Liter Wein. Gorbatschows Anti-Alkohol-Kampagne und der abchasisch-georgische Bürgerkrieg haben dem abchasischen Wein fast den Garaus gemacht, erklärt Nikolai Achba, Direktor der einzigen noch existierenden abchasischen Weinfabrik. Zu Sowjetzeiten gab es noch vier Fabriken.
In der Weinfabrik von Achba sind 110 Menschen beschäftigt, darunter einige Georgier. Die Fabrik, die wegen der Beanstandungen aus Moskau zwei Jahre still stand, hat je zur Hälfte abchasische und russische Besitzer. 80 Prozent der Produktion wird nach Russland verkauft. Der 46-jährige Achba wirkt müde. Er ist dünn und schlaksig, ganz anders als sein Großvater, der Gründer der Weinfabrik, dessen großes Bild über Nikolais Arbeitsplatz hängt. Der Großvater hatte ein bulliges Gesicht. Nikolai ist überhaupt kein bulliger Typ, aber ziemlich selbstbewusst. Letztes Jahr wurde er in Suchumi zum „Unternehmer des Jahres“ gewählt, erzählt er, und das, obwohl die Weinfabrik still stand. Nun klirren wieder die Flaschen in der automatischen Abfüllanlage, wo am Ende gleich die russische Steuermarke aufgeklebt wird. Achbas Fabrik exportiert Wein-Verschnitt. Was in der Weinflasche ist, stammt nur zum Teil aus Abchasien. Die eigenen Weinfelder haben bisher nur eine Größe von 150 Hektar. Die Erträge reichen nicht und so kauft er Wein aus der Ukraine und dem südrussischen Krasnodar-Gebiet dazu. Große Tankwagen warten vor der Fabrik auf die Entladung. Um dem abchasischem Wein die bei den russischen Verbrauchern beliebte Süße zu geben, wird Weinhonig aus Argentinien, ein Naturprodukt, beigemischt.
Dass es sich bei dem Wein aus Suchumi um Verschnitt handelt, störe die Kunden in Russland nicht, so der Fabrik-Direktor. „Die Leute interessiert nicht, wo ich den Wein gekauft habe. Der Wein soll einfach einen bestimmten Geschmack haben.“ Trotzdem, so erklärt Achba, wolle er mit seiner Produktion auf „europäisches Niveau“ gelangen, das heißt, Jahrgangs-Wein aus bestimmten Anbaugebieten produzieren. Zu diesem Zweck arbeite er mit französischen Winzern zusammen. Said Achba, ein 28-jähriger Wein-Experte und Cousin des Chefs, hat bereits ein einjähriges Praktikum in einem Anbaugebiet bei Bordeaux absolviert hat. Stolz zeigt er die neuen Eichenfässer, die man aus Frankreich importiert hat. Darin reifen jetzt die französischen und italienischen Weinsorten, die man zu Test-Zwecken in kleinen Mengen anbaut.
In Abchasien regnet es viel. Pilze breiten sich schnell aus. Man müsse doppelt soviel spritzen, wie im Gebiet Bordeaux, klagt Said. Achba hat keinen Hass auf die Georgier. Zwei seiner Schwestern sind mit Georgiern verheiratet. Trotzdem will er nicht, dass Abchasien in den georgischen Staatsverband zurückkehrt. Die georgischen Flüchtlinge sollen erst zurückkehren, wenn Abchasien als Staat international anerkannt ist, erklärt der Fabrikdirektor. Für alle Fälle hat Achba zu Hause eine Kalaschnikow. „Jeder Mann hat zu Hause eine Waffe“, erklärt der Winzer. „Wir haben so ein Schweizer System. Im Falle eines Krieges weiß jeder, wohin er gehen muss.“ Offiziell hat die abchasische Armee 5.000 Soldaten. Im Kriegsfall können angeblich zusätzlich 25.000 Reservisten mobilisiert werden.Dass die Georgier während des Bürgerkriegs geflüchtet sind, findet Said „normal“. Sie seien unter Stalin gewaltsam in Abchasien angesiedelt worden. „Wenn Europa uns anerkannt hätte, dann würden wir jetzt schon leben wie in Monte Carlo“, scherzt Said, der wie sein Vetter eine sündhaft teure Uhr trägt. Bis sich Abchasen und Georgier versöhnen, wird es wohl noch ein paar Generationen dauern.