Steinmeiers Friedensplan für Abchasien
Auf einer Sondierungsreise zur Entschärfung des Abchasien-Konflikts hatte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier Gewichtiges im Gepäck: einen Plan für eine friedliche Lösung des Konfliktes zwischen Georgien und der abtrünnigen Republik Abchasien. Steinmeier will nach dem Besuch in Tiflis auch die Hauptstadt Abchasiens Suchumi und Russlands Hauptstadt Moskau besuchen. Gerade in den vergangenen Tagen ist der blutige Konflikt um die abtrünnigen Gebiete wieder aufgeflammt. Der von der deutschen Regierung ausgearbeitete Friedensplan besteht aus aus drei Etappen. In der ersten Etappe sollen die Konfliktparteien wieder soviel Vertrauen zueinander bekommen, dass die georgischen Flüchtlinge wieder nach Abchasien zurückkehren können. Die zweite Etappe sieht den Wiederaufbau Abchasiens vor: Deutschland und mehrere EU-Staaten seien bereit, dabei mit finanziellen Mitteln zu helfen. In der dritten Etappe müsse letztlich der Status Abchasiens bestimmt werden.
In letzter Zeit ist die Situation in den abtrünnigen Autonomien Georgiens Abchasien und Südossetien wieder häufiger eskaliert, die Beziehungen zwischen Moskau und Georgien sind erneut sehr gespannt. Nach dem Absturz zweier georgischer Spionage-Flugzeuge über dem Territorium Abchasiens folgten nacheinander vier Bombenanschläge in dieser international nicht anerkannten Republik. Tiflis beschuldigte in den letzten Tagen Moskau, seinen Luftraum verletzt zu haben, doch Moskau wies dies zurück und berichtete von georgischen Kampfflugzeugen über Abchasien und Südossetien. Nach einem Schusswechsel zwischen georgischen und südossetischen Soldaten in der Nacht auf den 4. Juli erklärte Südossetien die Mobilisierung seiner Armee. Nachdem vier georgische Soldaten von Südossetiern festgenommen wurden, sah es so aus, als sei es nicht mehr möglich, den Krieg zwischen Georgien und Südossetien zu verhindern. Erst vor kurzem wurden die Mobilisierung der Armee in Südossetien gestoppt und die vier georgischen Soldaten wieder freigelassen.
Die Führung Südossetiens erklärte jedoch in den letzten Tagen, dass Tiflis mit der Evakuierung der Grenzregion zu Südossetien begonnen habe. Am 9. Juli wurden vier südossetische Polizisten von georgischen Soldaten unter Schuss genommen, zwei von ihnen wurden dabei verletzt. Die Situation in Georgien beunruhigt nicht nur die EU ernsthaft, sondern auch Washington, das meist schnell auf die Ereignisse in dieser Region reagiert. Am 9. Juli beschloss der US-Senat eine neue Resolution, die vor allem die anderen G8-Ländern auffordert, ihr Verhältnis zu Russland zu verbessern. Durch die widersprüchliche Innen - und Außenpolitik Moskaus, so die Resolution, werde auch oft die Sicherheit in Russlands Nachbarländern, besonders in der Ukraine und Georgien, gefährdet.
Am 15. Juli begannen in dem georgischen Ort Visani, weniger als 100 Kilometer von der Grenze zu Russland entfernt, die gemeinsamen amerikanisch-georgischen Militär-Manöver. Das teilte am Dienstag die Nachrichtenagentur „Nowosti-Gruzia“ mit. An diesen Manövern nehmen 1650 Soldaten und Offiziere, darunter auch Vertreter der Armeen Aserbaidschans und Armeniens teil. Gleichzeitig begannen im Nordkaukasischen russische Militärmanöver. Das Ziel dabei sei, die „Bevölkerung Südossetiens und Abchasiens vor möglichen Agressionen seitens Georgiens zu schützen“, sagte der Pressesprecher dieses Militärbezirks Sergej Makarow der Nachrichtenagentur „Kawkazski Uzel“.
Wenige Tage zuvor, am 10. Juli, schickten die USA ihre Außenministerin Condoleezza Rice in die georgische Hauptstadt Tiflis. Rice unterstützte während ihres Besuches die georgischen Bemühungen, die russischen Friedenstruppen in der Konfliktregion durch internationale Beobachter zu ersetzen. Sie kritisierte die militärische und diplomatische Unterstützung Russlands für Abchasien und Südossetien. Russland müsse, so Rice, die internationalen Prinzipien achten und an der gewaltfreien Lösung des Konflikt mitwirken. Die Zukunft Georgiens liege in der Nato, erklärte die US-Außenministerin.
Russland allerdings sieht die Lösung des Konfliktes im Abzug der georgischen Polizei aus dem zu Abchasien gehörenden Kodori-Tal. Deswegen versucht Moskau momentan, eine Resolution über die Situation im Südkaukasus im UN-Sicherheitsrat vorzutragen. In dieser Resolution wird Tiflis aufgefordert, gemäß den Moskauer Vereinbarungen von 1994 die Truppen aus dem oberen Teil des Kodori-Tals abzuziehen. Als weiteres Zeichen Moskaus dürften die Gespräche zu deuten sein, die Abchasiens Präsident Sergej Bagapsch in Moskau führte. Im russischen Außenministerium diskutierte er die Möglichkeit, eine diplomatische Vertretung der Russischen Föderation in Suchumi einzurichten.
Die Konflikte zwischen Georgien und seinen autonomen Gebieten Abchasien und Südossetien, die Ende der 80er, Anfang der 1990er Jahre begannen, gehören zu den größten ethnischen Unruhen in der ehemaligen Sowjetunion. Nachdem Georgien sich im April 1990 von der Sowjetunion unabhängig erklärte, wollten seine beiden autonomen Republiken in der UdSSR bleiben. Nach der Auflösung der Sowjetunion erklärten Abchasien und Südossetien ihre Unabhängigkeit von Georgien und wurden dabei von Moskau unterstützt. Die darauffolgenden Unruhen gipfelten in einem Bürgerkrieg, der 1994 mit einem von den vereinten Nationen vermittelten Waffenstillstand endete. Den abtrünnigen Gebieten fehlt bis heute die internationale Anerkennung.
Russische Soldaten, die während des Kriegs auf abchasischer Seite kämpften, sind heute unter Aufsicht der Vereinten Nationen in Abchasien stationiert. In Südossetien sind es russische, georgische und ossetische Truppen. In den letzten Jahren haben viele russische Geschäftsleute in die abchasische Wirtschaft investiert. Viele Abchasier und Südossetier besitzen heute die russische Staatsangehörigkeit. Das Streben Georgiens nach Westeuropa und sein möglicher Nato-Beitritt sind Moskau immer ein Dorn im Auge. Die Unterstützung der separatistischen Kräfte ist die Antwort des Kremls darauf. Als beim Nato-Gipfel im April in Bukarest Georgien und die Ukraine als neue Kandidaten für den Beitritt in die Nordatlantische Allianz gehandelt wurden, erhöhte Moskau seinen Druck wieder auf Tiflis. Die Zahl der russischen Truppen in der Konflikt-Region wurde auf 3000 Soldaten erhöht.Ob es jetzt der deutschen Regierung gelingt, die Konfliktparteien zu versöhnen, darüber will Steinmeier keine Prognosen geben. „Worüber ich in Moskau sprechen werde, hängt davon ab, zu welchen Ergebnissen ich bei den Treffen in Tiflis und Suchumi komme“, sagte Steinmeier der Nachrichten-Agentur „Nowosti Gruzia“.