ABSCHIED VON LENKA REINEROVA
Trauergäste aus Tschechien und Deutschland gaben der deutsch-jüdisch-tschechischen Autorin das letzte Geleit (n-ost) – In der überfüllten großen Trauerhalle des Krematoriums Prag-Strasnice haben am Freitag Trauergäste aus Tschechien und Deutschland bewegt Abschied von Lenka Reinerová genommen. Die letzte auf Deutsch schreibende Prager Autorin war Ende Juni im Alter von 92 Jahren gestorben.Kränze des deutschen Außenministeriums, der deutschen und der österreichischen Botschaft in Prag, des tschechischen Botschafters in Deutschland, des Goethe-Instituts und der Stadt Prag, deren Ehrenbürgerin Lenka Reinerová gewesen ist, bezeugten den großen Respekt, den die Grand Dame der deutsch-jüdisch-tschechischen Literatur über ihre Heimatstadt hinaus genoss. Respekt und Hochachtung wurde Reinerová auch in den Trauerreden zuteil. Viera Glosikova vom Prager Literaturhaus deutschsprachiger Schriftsteller nahm Anleihe an Reinerovás Buch „Das Traumcafé einer Pragerin”. Reinerová sei jetzt ebenfalls dort eingezogen und treffe ihre Freunde und Weggefährten wie Kisch, Weißkopf, Haas, Goldstücker oder Anna Seghers. Auf deren Frage, was es denn Neues auf der Erde gebe, werde Reinerová unter anderem von ihrem einzigartigen Projekt erzählen können, besagtem Literaturhaus, dessen Anfänge sie noch erlebt und genossen habe. Der frühere tschechische Botschafter in Deutschland, Frantisek Cerny, würdigte das politische Engagement, das die Autorin immer geprägt habe. Unter Hinweis darauf, dass die ganze Familie Reinerovás von den Nazis umgebracht worden war, sagte Cerny: „Sie hätte allen Grund gehabt, alles Deutsche zu meiden. Sie hat es nicht getan.” Eine Sprache sei doch unschuldig – das war immer ihr Argument. „Lenka Reinerová war vielleicht die wichtigste Botschafterin der deutsch-tschechischen Aussöhnung“, sagte Cerny. Der frühere Diplomat verlas auch die ehrenden Worte, die Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zum Ableben Reinerovás gefunden hatte. Sie habe sich „ihr Leben lang unermüdlich für ein lebendiges deutschsprachiges Literaturleben in Prag eingesetzt“. Das Prager Literaturhaus sei ihr „Herzensprojekt“ gewesen. „Ihr Tod ist uns Verpflichtung, es zum Erfolg zu führen.“Reinerova war 1916 als Tochter einer Deutschböhmin und eines tschechischen Eisenwarenhändlers in Prag geboren worden. Als junge Frau musste sie vor den Nazis fliehen und überlebte den Zweiten Weltkrieg im mexikanischen Exil. Zurück in Prag wurde sie vom kommunistischen Regime mit Publikationsverbot belegt. Erst nach der Wende von 1989 konnte sie frei veröffentlichen und wurde bei Lesern in Deutschland und Tschechien beliebt.Zu ihren Zeitgenossen und Freunden zählten im Vorkriegs-Prag Autoren wie Kisch, Brod und Werfel. Literarisch befasste sie sich mit Kafka. Auf dem jüdischen Friedhof in Prag, auf dem Kafka begraben liegt, wird nun auch Lenka Reinerová ihre letzte Ruhe finden.ENDE