WIE PRAG DIE EU AUSTRICKST
Regierung verschanzt sich in Sachen Lissabon hinter dem Verfassungsgericht – und torpediert dessen Arbeit (n-ost) – Erleichterung machte sich am Freitagmorgen in Brüssel breit. Nach einem Frühstück mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gab Tschechiens Regierungschef Mirek Topolanek klein bei: Sein Land werde sich nicht länger einer gemeinsamen Erklärung widersetzen, die dazu aufruft, den Ratifizierungsprozess für den Reformvertrag von Lissabon fortzusetzen. Tschechien selbst – so ein Zusatz – könne dies aber erst tun, wenn das Verfassungsgericht sich zu dem Vertrag geäußert habe. Doch es ist die tschechische Regierung selbst, die eine Entscheidung des Gerichts verhindert.Der Senat, die zweite Kammer des Parlaments, hatte das Verfassungsgericht in Brünn im Frühjahr angerufen. Es sollte überprüfen, ob der Text des Vertrages von Lissabon mit dem tschechischen Grundgesetz kollidiert. Der Senat wird von den Euroskeptikern der wichtigsten Prager Regierungspartei, den Bürgerdemokraten (ODS) des Ehrenvorsitzenden Präsident Vaclav Klaus, beherrscht. Seither wähnte man das Gericht bei der Arbeit. Doch das tschechische Fernsehen informierte am Freitagvormittag über eine regelrechte Posse: das Gericht könne bislang überhaupt nichts überprüfen. Es sei nämlich überhaupt nicht im Besitz einer von Brüssel autorisierten tschechischen Fassung des Dokuments von Lissabon. Mehr noch: Der Sprecher des Verfassungsgerichts, Michal Spacil, erklärte, bislang würden auch wichtige Stellungnahmen der höchsten Verfassungsorgane fehlen. Das Gericht habe solche Stellungnahmen vom Staatspräsidenten, vom Senat und von der Regierung erbeten. Vaclav Klaus und der Senat hätten geantwortet, ausgerechnet die Regierung jedoch nicht. Mehr noch, sie bat gar um eine Fristverlängerung für ihre Stellungnahme. Mit anderen Worten: die Regierung verschanzt sich in der Öffentlichkeit – und auch gegenüber den Staats- und Regierungschefs der EU – hinter dem Verfassungsgericht, torpediert aber bislang dessen Arbeit. Ein Kommentator in Prag meinte dazu : „Dies hat Schwejksches Format.“ ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0