Rumänien

PLATZVERWEIS FÜR DEN KÖNIG?

Bukarest streitet über ein Denkmal für den beliebten deutschen Herrscher Karl I. (n-ost) – Karl I. ist im Stadtzentrum von Bukarest nicht zu übersehen: 18 Meter ist seine Reiterstatue hoch. Auch wenn sie vorerst nur ein Modellentwurf ist – Mihai Oroveanu, der Chef der landesweiten Denkmalkommission, freut sich außerordentlich. Jahrelang hat er die Rückkehr eines Königsdenkmals in Bukarest gefordert, weil die Monarchie ein „Symbol für eine glückliche Zeit in Rumänien ist“. Doch ausgerechnet ihm bereitet das Denkmal jetzt Sorgen. Die von Oroveanu geleitete Denkmalkommission – ein Gremium aus Historikern und Kunstexperten – hat sich gegen eine Rückkehr des Königsdenkmals in die Innenstadt ausgesprochen: Auf dem Revolutionsplatz, wo die Probe-Statue derzeit thront, stand vor 60 Jahren bereits das Original. Oroveanu aber sagt: „Das Probeentwurf ist deplatziert“.
 
Gründe dafür gibt es viele. So ist der Revolutionsplatz zwar einer der prominentesten Orte in Bukarest, an dem einst die Monarchie regiert hat: Der frühere Königspalast und die königliche Wissenschaftsstiftung erinnern noch heute daran. Mit diesen Bauten könnte die Gegend eine der schönsten von Bukarest sein – hätte man sie nicht zu einer der chaotischsten verkommen lassen. So stehen im Sommer Bierzelte auf dem einstigen Monarchenplatz, er ist von Werbebannern überflutet und vor allem ist er ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Im Berufsverkehr rauschen hunderte Autofahrer vorbei, was die staunenden Touristengruppen vor dem Königspalast als Plage empfinden. Die Reiterstatue auf dem Platz wirkt, „als ob der König gerade über den Verkehr springt“, sagt Mihai Oroveanu empört.
Kritiker Oroveanu: „Als ob der König gerade über den Verkehr springt“.
FOTO: Annett MüllerDoch nicht nur aus ästhetischen Gründen will die Denkmalkommission die Reiterstatue für Karl I. andernorts postieren. Das Gremium stört vielmehr, dass der Platz mit Monumenten schon völlig überladen ist: Mit vier Denkmalen genauer gesagt. Sie erinnern an Dissidenten und an die Opfer des kommunistischen Regimes, weil in der Innenstadt 1989 auch der rumänische Diktator Nicolae Ceausescu gestürzt worden war. Die Monumente stammen von den wechselnden Regierungen in Rumänien, die alle alleinig entscheiden wollten, an wen der Platz denn nun erinnern soll. Mit dem Wettstreit ums höchste, ums teuerste Denkmal, erinnert der Ort jetzt an etwas ganz anderes, sagt Mihai Oroveanu: „An ein Depot von Monumenten, mit dem wir die Geschichte verhöhnen.“ Eigentlich wäre es die Aufgabe der Denkmalkommission gewesen zu verhindern, dass der Platz zu einem Monumenten-Friedhof verkommt. Das Gremium ist das einzige, das entscheiden darf, welches Denkmal in Rumänien wo stehen soll – auf dem Papier zumindest. Denn die Kommission ist in den vergangenen Jahren selten gehört worden, da die Machthaber die kollektive Erinnerungskultur nicht Experten überlassen wollen. Mittel dafür gibt es viele: War der Ausschuss zu kritisch, wurde er zwischenzeitlich aufgelöst und nach der Denkmalseinweihung wieder eingesetzt. Bei so viel Willkür ist nicht verwunderlich, dass jetzt auch das Bukarester Bürgermeisteramt rebelliert. In einer Nacht- und Nebelaktion hat es die Probe-Statue von Karl I. auf dem Revolutionsplatz aufgestellt – trotz Verbot der Denkmalkommission. Die Stadtverwaltung bezahlt für das fertige Monument über drei Millionen Euro und will sich bei solch einer Prestigesumme nicht mit einem Nebenschauplatz begnügen. Zur Verstärkung hat das Amt die Einwohner zu einer Abstimmung im Internet aufgerufen, die auf der Rathaus-Website erklären, „dass das Königsdenkmal nicht einen Meter von seinem Originalstandort abweichen darf“ und dass die „Statue die Identität eines Volkes stärkt, das so viele Ungerechtigkeiten in seiner Geschichte erlebt hat“. Dass auch das Rathaus gerade eine Ungerechtigkeit begeht, erwähnt niemand.
 
Die Kommentare der Bukarester zeigen auch, wie beliebt Karl I. ist. Der deutsche Prinz aus dem Haus Hollenzollern-Sigmaringen wurde vor 140 Jahren in die Stadt gerufen. Beim ersten Anblick der Hauptstadt soll er gesagt haben: ‚Was für ein Dorf!’ Weil er Rumänien im russisch-türkischen Krieg in die Unabhängigkeit führte, kürte man ihn später zum König. Doch nicht als Kriegsgewinnler ist Karl I. im kollektiven Gedächtnis der Rumänen verankert. Er hat das provinzielle Bukarest in ein Klein-Paris verwandelt, landesweit das Verwaltungssystem erneuert, die Infrastruktur ausgebaut. Dass er seine Aufgaben als König äußerst ernst genommen hat, wundert in Rumänien niemanden. Es heißt dort: „Er war doch ein Deutscher, der seine Krone selbst im Bett getragen hat.“ Ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod ließ die Königsfamilie zur Erinnerung an ihren Vorfahren eine Statue in Bukarest aufstellen. Es war kein Denkmal für die Ewigkeit – es stand lediglich neun Jahre. Mit der kommunistischen Herrschaft wurde die Königsfamilie aus dem Land gejagt und das Denkmal geschleift – aus der Bronze wurde eine Lenin-Statue gegossen. Nach dem Sturz von Nicolae Ceausescu wäre Zeit für Wiedergutmachung gewesen, doch hat sich die Nomenklatura mit dem monarchischen Erbe äußerst schwer getan: Aus Angst, die politische Macht teilen zu müssen, wurden die Mitglieder der Königsfamilie als ungebetene Gäste deklariert, an eine Statue für Karl I. war nicht zu denken. Da inzwischen die Monarchie-Anhänger in der Minderheit sind, darf die Erinnerung wieder lebendig werden: Der König kehrt zurück, zumindest als Statue. Die neue Bronze-Statue von Karl I. ist erst im nächsten Jahr fertig. Bis dahin könnte sich das Bukarester Bürgermeisteramt noch einmal in Ruhe überlegen, ob es die Reiterstatue wie das Probemodell am umstrittenen Originalstandort platziert. Falls es das tut, wäre das Denkmal damit ein Symbol für einen Gesetzesverstoß. Wüsste Karl I. das, er würde wohl auf und davon reiten.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0


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