Rumänien

VATERLAND MACHT LIEBESKUMMER

Homosexuelle führen in Rumänien oft ein Doppelleben, weil sie den Hass rechtsextremer Gruppen und der Gesellschaft fürchten(n-ost) – Ramona* hat versucht, vieles in ihrem Leben richtig zu machen. Die 36-Jährige absolvierte die Schule hervorragend, studierte Wirtschaft – einen sicheren Arbeitsplatz hat sie trotzdem nicht gefunden. Ungewöhnlich eigentlich. Die Kaffeepause in der Bukarester Baufirma ist zum Tratschen da, über die Ehe, die Familie, Kinder. Ramona plaudert von der Liebe. Sie spricht von „ihm“, statt von „ihr“. Sie verschweigt, dass sie lesbisch ist. Würde sich die junge Frau öffentlich zu ihrer Liebe bekennen, wäre es ihr letzter Arbeitstag – auch in dieser Firma. Ramona ist dreimal „gegangen worden“. Nicht, dass sie ihre Partnerin bei einer Betriebsfeier vorgestellt hätte – daran wäre gar nicht zu denken –, sondern weil Gerüchte schon reichen. Eine Frau über 30, unverheiratet, kinderlos, die nur mit Frauen zu sehen ist, ist verdächtig genug. Gehaltserhöhungen wurden verweigert, versprochene Aufstiegschancen zurückgenommen, die Arbeitgeber haben ihr so zu verstehen gegeben, dass sie nur noch geduldet ist – ihr offiziell wegen Homosexualität zu kündigen, ist in Rumänien verboten. Doch was allein nützt ein Gesetz, wenn die Arbeitskollegen angewidert blicken? Ramona liebt eine Frau, in ihrem Heimatland Rumänien ist sie damit erpressbar.
Was würden Vlads Nachbarn machen, wüssten sie, dass er schwul ist?
FOTO: Camil DumitrescuKnapp ein Jahrzehnt war nach der Wende um das Thema Homosexualität in Rumänien gestritten worden: Im Mittelpunkt stand ein aus der Ceausescu-Zeit stammender Strafparagraph, der gleichgeschlechtliche Liebe mit Haftstrafen sanktionierte. Es war die restriktivste Gesetzgebung in ganz Osteuropa. Die politischen Diskussionen, ob man sich von der Ceausescu-Regelung trennen sollte, lesen sich, als sei es um das Überleben der rumänischen Nation gegangen. „Homosexualität bringt Unheil über das Volk“, hieß es von Politikern, die die orthodoxe Kirche zitierten. Erst auf Druck der EU wurde 2002 die Regelung aufgehoben, die Wirklichkeit ist immer noch homophob. Das wird sie wohl auch viele Jahre noch bleiben, meint Florin Buhuceanu, Chef von „Accept“, der landesweit größten Schwulen- und Lesben-Vereinigung: „Für die meisten ist Homosexualität ein Defekt und eine Strafe Gottes, etwas, das aus der Öffentlichkeit verbannt werden muss.“ Doch nicht nur mit dem Stigma des Anormalen müssen Homosexuelle in Rumänien leben. Wer offen ein Coming-Out wagt, riskiert, die Familie zu verlieren, die Freunde, den Job. Schließlich gilt gleichgeschlechtliche Liebe als Tabu, die Kirche geißelt sie als „Sünde“, der Biologieunterricht in den Schulen verschweigt sie gänzlich.In einer Umfrage unter rumänischen Jugendlichen erklärte unlängst die Mehrheit, keinen Homosexuellen im Freundeskreis zu dulden. Vlad ist so alt wie die Befragten: Mitte zwanzig. Er studiert in Bukarest. Soll er seine Identität verstecken, ein Doppelleben führen – wie so viele Homosexuelle? Heiraten, um gesellschaftsfähig zu bleiben und seine Homosexualität heimlich in Affären ausleben? Vlad will nicht in zwei Rollen schlüpfen, sondern „die eine haben, die mein Leben ist“. Ausleben kann er sich dennoch nicht. Wie gern würde der junge Mann mit einem Liebsten auf den Straßen schlendern, turteln, Händchen haltend, wie es Liebespaare nun mal tun, ohne nachzudenken. Er würde riskieren, angepöbelt und möglicherweise auch verprügelt zu werden. „Gewalt ist bei uns eine Denkhaltung“, sagt Vlad, „Man spuckt auf die Straße, auf Ansichten, auf Andersdenkende“. Jährlich kann Vlad den Hass, den man in Rumänien gegen Homosexuelle hegt, auf der Gay-Parade spüren. Der Festumzug wird am Samstag wieder in Bukarest stattfinden. Die Stadtverwaltung hat auch eine Gegendemo der rechtsextremen Gruppierung „Neue Rechte“ („Noua Dreapta“) erlaubt. Jedes Jahr gesellen sich unter die rechtsextremen Protestler, die auf ihren Flaggen und T-Shirts verschlüsselte faschistische Symbole tragen, auch Priester und Nonnen mit Kruzifixen und Heiligenbildern. Eine Mischung, die nach Ansicht des Berliner Rechtsextremismus-Forschers William Totok eine irreführende Botschaft vermittelt: „Man könnte glauben, dass es sich hier um eine Manifestation der Kirche handelt, statt um einen rechtsextremistischen Aufmarsch.“ Die „Neuen Rechten“ sind nicht nur am Tag der Schwulenparade aktiv – Feindbilder haben sie viele: Roma, Homosexuelle, Juden, Ausländer. Die Gruppe unterhält rege Verbindungen zur deutschen NPD, veranstaltet regelmäßig Arbeitstreffen mit polnischen und slowakischen Rechtsextremen, hat einen eigenen Radiosender im Internet, mit dem sie ihre militanten Botschaften über Ländergrenzen hinweg sendet. „Die rechtsextreme Szene ist in Osteuropa aktiver als in Westeuropa. Das muss man endlich mal zur Kenntnis nehmen“, sagt Rechtsextremismus-Forscher Totok. Allein die „Neue Rechte“ zählt nach eigenen Angaben 900 Mitglieder, für eine Parteigründung fehlt es bislang an der notwendigen Mitgliederzahl. Einen Weg in politische Strukturen lässt sich aber auf andere Art und Weise finden. So sind die Rechtsextremen oft Nachwuchskader für die rumänischen Parlamentsparteien und setzen dort offiziell ihre extremistische Politik fort. Experte Totok sagt: „Wer glaubt, dass die rumänische Demokratie gefestigt ist, gibt sich einer Illusion hin.“ Dass die „Neuen Rechten“ Gott zu ihrem Chefideologen erklären und sich darauf berufen, in seinem Dienste zu stehen, kommentiert die orthodoxe Kirche nicht. Sie distanziert sich auch nicht von den jährlichen Gewaltangriffen der Rechtsextremen auf die Gay-Parade. Vielmehr trägt die unheilige Allianz aus Glauben und Extremismus längst eigene Früchte. So sind die rumänischen Blogs voller feindseliger Kommentare darüber, dass „Schwule in Arbeitslager geschickt werden sollten“, dass sie die „Fundamente des Christentums beleidigen“, dass es ganz „einfach kranke Zeiten sind“. Starker Tobak für den jungen Vlad: „Ich bin für viele kein Mann, sondern ein Vaterlandsverräter, weil ich schwul bin“. Ramona wird sich die Schwulen-Parade in diesem Jahr nur im Fernseher ansehen. „Ich scheue Konflikte“, sagt sie über sich. Ihr reichen schon die neugierigen Blicke der Rentner in ihrem Wohnblock, die schauen, wer wie oft kommt und geht und vor allem mit wem. Ramona baut sich in einem Vorort von Bukarest derzeit ein Eigenheim. Sie hat im Ausland gejobbt, Geld gespart. Das Haus wird ihre 180 Quadratmeter große Privat-Scholle, „die mir mein Eigenleben garantiert“, sagt Ramona. Auf der Baustelle wundert sich keiner, dass zwei Frauen bauen. Sie spielen ihre Rollen perfekt: Die eine ist die Architektin, die andere Chefin und Geldgeberin. Wer sollte da anderes vermuten? Den Müttern der beiden Frauen wird der gemeinsame Umzug schwieriger zu erklären sein. Sie gelten in ihren Familien als gute Freundinnen, nicht als Liebespaar. „Ich werde sagen, dass ich mich in meinem neu gebauten Haus alleine fürchte. Das ist schon mal die halbe Wahrheit“, sagt Ramona.An soviel Zukunft denkt Vlad derzeit noch nicht. Dem jungen Mann ist vielmehr wichtig, auf der Gay-Parade „ein bisschen feiern zu können“, wenngleich der Umzug in Wirklichkeit ein politischer Protest ist: für die Gleichberechtigung der homosexuellen Szene und gegen rechtsextreme Propaganda. Auch Krawalle sind am Samstag nicht ausgeschlossen. Vlad sagt: „Blieben wir alle zu Hause, wäre unsere Szene noch unsichtbarer und alle könnten stolz sagen: Rumänien hat keine Homosexuellen. Das stimmt ja nun wirklich nicht.“ * Name zum Schutz der Personen ausgetauschtENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87


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