Slowakei

Aus für slowakische Gauck-Behörde?

Jan Slota, der Chef der in Bratislava mitregierenden rechtsextremen Slowakischen Nationalpartei (SNS), ist nicht eben das, was man einen Musterdemokraten nennt. Als Oberbürgermeister der Stadt Zilina (Sillein) fiel er durch undurchsichtige Machenschaften und Vetternwirtschaft auf. Er brüstet sich mit seinen engen Kontakten zu zweifelhaften rechtslastigen Führern in anderen Ländern. Legendär sind seine zumeist alkoholgetrübten Verbalangriffe gegen die starke ungarische Minderheit der Slowakei und gegen die Regierung in Budapest.

Jetzt sorgt Slota erneut für Negativschlagzeilen, indem er vehement die Schließung der „Behörde für das Gedächtnis der Nation” betreibt. Die Institution lässt sich mit der deutschen Gauck- oder Birthler-Behörde vergleichen. Sie hatte vor kurzem Dokumente des kommunistischen tschechoslowakischen Geheimdienstes ans Tageslicht geholt, die peinliche Details aus dem Vorwende-Dasein Slotas enthielten. In den 1970er Jahren flüchtete Slota danach einmal nach Österreich. Auf dem Weg dorthin beging er in der Slowakei mehrere Ladendiebstähle und in Österreich selbst klaute er ein Auto. Nach nur vier Tagen kehrte er in die kommunistische Tschechoslowakei zurück.

Eigentlich könnte man Slota das alles nachsehen. Immerhin, so sagt er selbst, wollte er damals aus politischen Gründen flüchten. Dass er es dabei mit dem Eigentum anderer nicht so genau nahm, ließe sich mit der Notsituation erklären, in der er sich damals befand. Doch Slota ist nicht bei allen Slowaken wohl gelitten. Und für seine Gegner sind die Enthüllungen Wasser auf die Mühlen. Also befand Slota, die Behörde, aus der seine Jugendsünden durchgesickert waren, müsse weg. Natürlich begründet er seinen plötzlichen Widerwillen gegen die Institution nicht damit. Die Behörde erfülle vielmehr schon längere Zeit nicht mehr den Auftrag, den sie eigentlich habe.

Das ist insofern seltsam, als dass der Chef der Behörde, der erst ein Jahr im Amt ist, ausgerechnet auf Vorschlag der Partei Slotas in sein Amt gehievt wurde. Vorher war der Posten länger vakant. Und schon damals stand die Behörde auf der Kippe, was in der Slowakei niemanden verwundert.Die Behörde für das Gedächtnis der Nation ist eine Erfindung von Jan Langos, einem der wenigen slowakischen Dissidenten während der kommunistischen Herrschaft. Langos, der nach der „Wende“ 1989 tschechoslowakischer Innenminister gewesen war, hatte sich die Aufarbeitung der beiden totalitären Regime auf slowakischem Boden – die des von Hitlers Gnaden existierenden selbstständigen Slowakei zwischen 1939 und 1945, und die des Kommunistischen Regimes- auf die Fahne geschrieben. Und er verteidigte die Entstehung der Behörde gegen massive Widerstände namentlich in der Ära des autokratischen Regierungschefs Vladimir Meciar. Dass Meciar die Behörde nicht wollte, hatte seine eigene Logik. Immer wieder gab es Gerüchte, der einstige Boxer habe auch auf der Lohnliste des kommunistischen Spitzeldienstes und/oder auf der des KGB gestanden. Möglicherweise findet sich eines Tages in den Akten der Behörde ein Beleg dafür.

Es nimmt nicht wunder, dass sich Meciar nun auch hinter die Forderung von Slota nach Schließung der Behörde stellt. „Der Lack wäre endgültig ab“, schrieb eine Zeitung über die Möglichkeit weiterer peinlicher Enthüllungen aus dem Vorleben heutiger hochrangiger Politiker. Ob das Aus für die Behörde tatsächlich kommt, soll in einer Koalitionsrunde entschieden werden. Entscheidend dabei wird die Haltung der größten Regierungspartei Smer von Premier Robert Fico sein. Und die ist bislang etwas verschwommen. Sollte die Behörde tatsächlich zwangsweise schließen müssen, gäbe es auch keinen Zugriff mehr auf die Akten des früheren Geheimdienstes.

Die sollen dann lediglich noch anderweitig archiviert werden. Die gerade in der Slowakei angelaufene Aufarbeitung des Totalitarismus käme zum Erliegen. Für die meisten slowakischen Kommentatoren ist dies ein Unding. Immer wieder kann man von ihnen Sätze lesen, wie: „Wer sich seiner Geschichte nicht stellt, kann nicht nur nicht aus ihr lernen. Er verbaut sich damit auch seine Zukunft.“ Bleibt abzuwarten, ob solche Kommentare bei den verantwortlichen Politikern ausreichend Wirkung haben werden.


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