Schindler und die Erinnerung
In der Oskar-Schindler-Fabrik bei Krakau soll eine Ausstellung an den Retter von über 1200 Juden erinnern – doch es gibt auch kritische Stimmen (n-ost) – Das Gelände der einstigen Emailwarenfabrik Oskar Schindlers im Krakauer Industriegebiet Zablocie wirkt verwaist. Noch. Denn die Renovierungsarbeiten an dem zweistöckigen Verwaltungsgebäude sowie an den drei Produktionshallen sind seit einigen Monaten in vollem Gange. Von 1939 und 1944 betrieb der sudetendeutsche Industrielle Schindler hier eine Fabrik, in der er zeitweilig bis zu 800 Personen, meist Juden, beschäftigte. 1944 verlegte er den Betrieb ins tschechische Brnenec. Er nahm fast 1.200 Juden als Arbeiter mit und rettete sie so vor dem sicheren Tod.
Heute steuern immer wieder einzelne Touristen oder ganze Reisebusse die Ulica Lipowa im Viertel Podgorze an, um zumindest einen Blick auf die Außenfassade der filmisch verewigten Fabrikstätten zu erhaschen. Doch sie müssen sich noch bis zum März 2009 gedulden. Dann nämlich will die Stadt Krakau in dem ehemaligen Verwaltungsgebäude Schindlers den zentralen Ort ihrer neuen, auf drei Stätten verteilten Dauerausstellung zur Stadtgeschichte der Jahre 1939 bis 1956 eröffnen. Im März 2008 wurde das Konzept der Ausstellung von dem 13-köpfigen Programmrat der Stadt abgesegnet, schon seit 2007 werden das Verwaltungsgebäude und die Produktionshallen saniert.
Die Produktionshallen der ehemaligen Emailwarenfabrik.
FOTO: Katarzyna OpielkaDass die historische Schau in der alten Schindler-Fabrik beherbergt sein soll, in der bis in die 90er Jahre ein polnischer Elektronikbetrieb produzierte, hat auch eine neue Diskussion befeuert. Denn der Ort zieht nicht nur Touristen an, er spaltet auch viele Krakauer. „Schindlers Geschichte ist eben nicht nur schwarz-weiß zu sehen”, sagt Monika Bednarek vorsichtig. Sie ist Kuratorin der auf dem Gelände geplanten Ausstellung. Die Tatsache, dass Schindler zunächst als Okkupant und Kriegsgewinnler nach Krakau gekommen sei, der mit billigen Zwangsarbeitern gute Geschäfte machte, werde häufig vergessen, sagt Bednarek. Unter anderem deshalb soll auf dem Fabrikgelände kein reines Schindler-Museum entstehen. Die späteren Taten Schindlers aber würdigt Bednarek ausdrücklich.
Eingang zur Schindler-Fabrik im Krakauer Industrieviertel Zablocie.
FOTO: Katarzyna OpielkaMichal Niezabitowski, Direktor des Krakauer Historischen Museums, hatte unlängst einer Tageszeitung gesagt: „Oskar Schindler wird in der Ausstellung als einer von vielen Rettern von Juden dargestellt werden, aber nicht als der einzige. Denn viele Juden wurden von Polen gerettet, die zudem wesentlich mehr riskiert haben als er, der ja auch einiges daran verdient hat.” Pawel Kubisztal, Geschäftsführer des gemeinnützigen Vereins Podgorze.pl, der sich die Förderung des Stadteils auf die Fahnen geschrieben hat, schließt sich diesen Vorbehalten an: „Schindler ist eine zumindest zweideutige Persönlichkeit”, sagt er. Die meisten Menschen hätten eine von dem Hollywood-Film Steven Spielbergs geprägte Vorstellung Schindlers, die eben auch Fiktion sei. Kubisztal meint, dass viele Polen die Leistungen ihrer eigenen Landsleute im Krieg zu wenig wahrgenommen sehen. „Viele Polen wurden für ihre Hilfe für Juden gleich an die Wand gestellt, Schindler hätte sich wohl auch dann rausgekauft, wenn er erwischt worden wäre”, sagt er. So wird die geplante Schau nicht in erster Linie die Geschichte Schindlers darstellen, sondern die der Stadt Krakau während des Krieges: Einmarsch der Deutschen 1939, Bildung des Generalgouvernements, Unterdrückung der Bevölkerung, Germanisierung alles Polnischen, Terror auf den Straßen, öffentliche Hinrichtungen, das Leben der Juden im Krakauer Ghetto, die Aktivitäten im polnischen Untergrund, den Einmarsch der Sowjetarmee. Gezeigt werden auch die Etablierung des kommunistischen Regimes seit 1945, der Nachkriegs-Antisemitismus in Krakau und die Prozesse gegen deutsche Kriegsverbrecher. Oskar Schindlers Fabrik und seine Rettung von über 1.000 Krakauer Juden – auch dies wird thematisiert, aber eben im größeren Rahmen der Stadtgeschichte während der Okkupationszeit. Das sagt zumindest Kuratorin Bednarek. Oskar Schindler und die von ihm geretteten Juden sollen laut ihren Programmentwürfen lediglich ein Teil der umfangreichen Schau werden, jedoch nicht der wichtigste.
Kuratorin Monika Bednarek und der Historiker Grzegorz Jezowski.
FOTO: Katarzyna OpielkaAndrzej Chwalba, Historiker an der Jagiellonen-Universität Krakau und Vorsitzender des Programmrats zur Ausstellung, zeichnet hingegen ein etwas anderes Bild der künftigen Ausstellung. „Die Geschichte um Oskar Schindler wird Hauptelement der Exposition”, erläutert er. Allerdings räumt auch Chwalba ein, dass sie in einen breiten Kontext eingeordnet werde, insbesondere weil „Schindler ein Teil von Krakau war”. Vor allem die jüdischen Vertreter im Programmrat, der national und international besetzt ist, hätten sich für diese breite Form ausgesprochen, sagt Chwalba. Die Ausstellung in der Ulica Lipowa soll zudem weniger eine Museumsschau, als vielmehr ein Bildungszentrum werden. Die Frage nach kritischen Krakauer Stimmen gegenüber einer allzu starken Glorifizierung von Schindler umschifft Chwalba diplomatisch: „Seine Verdienste sind unbestritten, jedoch soll die Ausstellung auch diejenigen zeigen, die getötet wurden, weil sie geholfen haben.” Diese Menschen stünden in der öffentlichen Wahrnehmung ansonsten etwas im Abseits. Die konkreten Inhalte der Ausstellung sollen der Öffentlichkeit am 28. April, dem 100. Geburtstag Oskar Schindlers, vorgestellt werden. Dann dürften die Räume der ehemaligen Fabrik in der Ulica Lipowa gut gefüllt sein. ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87