KEIN ANSCHLUSS UNTER DIESER NUMMER
Die tschechische Polizei kann mit Notrufen auf Englisch wenig anfangen – zum Ärger der vielen Touristen(n-ost) – Schenkelklopfen war Anfang der Woche bei den Lesern der Prager Zeitung „Prazsky denik“ angesagt. Die Redaktion hatte wieder mal einen ihrer beliebten Tests veranstaltet, um auf Mängel im Alltag aufmerksam zu machen. Sie schickte einige Redakteure in die Spur, die die Sprach- und Weltgewandtheit der tschechischen Polizei untersuchen sollten. Das Ergebnis ist zwar erheiternd, aber gleichzeitig auch verheerend. Eine Kostprobe: Redakteur auf Englisch: „Guten Tag, ist dort jemand, der Englisch spricht?“ Polizist auf Tschechisch (erschrocken): „Jesus Maria, nein!“ Redakteur auf Englisch: „Bitte? Ich habe Sie nicht verstanden. Ich brauche dringend jemanden, der Englisch spricht.“ Polizist auf Tschechisch: „Ich verstehe Sie nicht.“ Redakteur auf Englisch: „Das habe ich nicht verstanden.“ Polizist auf Tschechisch: „Rufen Sie die 156 oder die 158 an!“ Redakteur auf Englisch: „Wie bitte?“ Polizist auf Tschechisch: „Ich verstehe Sie nicht. R u f e n Sie 1 5 6 oder 1 5 8 an!“ Redakteur auf Englisch: „Können Sie nicht jemanden holen, der Englisch spricht. Ich brauche Hilfe!“ Polizist auf Tschechisch (reichlich genervt und jetzt sehr nachdrücklich): „N e i n!!! 1 5 6 o d e r 1 5 8! Ich kann Ihnen nicht helfen, wenn ich Sie nicht verstehe!“ Die meisten anderen Versuche endeten damit, dass die Polizisten einfach den Hörer auflegten, obwohl die Redakteure zu erklären versuchten, dass sie gerade ausgeraubt wurden.Eigentlich bedurfte es keiner Zeitungsaktion, um den Tschechen vor Augen zu führen, dass es mit der Sprachgewandtheit ihrer Ordnungshüter nicht weit her ist. Seit Jahren schon erzählt man sich beispielsweise diesen Witz: Fragt ein Prag-Tourist am Wenzelsplatz zwei Streifenpolizisten nach dem Weg zum (einen Steinwurf entfernten) Hauptbahnhof. Er versucht es auf Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Schwedisch, Dänisch und Griechisch. Erfolglos. Am Ende sagt einer der Polizisten zu seinem Kollegen bewundernd: „Mann, der konnte aber viele Sprachen.“ Entgegnet der andere Uniformierte: „Na und, hat es ihm geholfen?“So lustig sich das liest – für die betroffenen Touristen wird die Bekanntschaft mit Taschendieben oder schlimmeren Kalibern schnell zum Albtraum. Sie werden gleich doppelt gestraft, erst als Opfer eines Kriminellen und dann als Opfer der Hilflosigkeit der Polizei. Eine Frau aus der Nachbarschaft wurde vor Jahren beinahe täglich mit einem Streifenwagen, Martinshorn und Blaulicht aus ihrer Wohnung in eine Prager Polizeidienststelle kutschiert. Das kam den Leuten in der Umgebung einigermaßen verdächtig vor. Bis sich die Sache aufklärte. Die Frau war schlicht mehrerer Sprachen mächtig und musste den überforderten Polizisten dolmetschen – bis das den Vorgesetzten der Wache zu teuer wurde.
Die Sprecherin der Prager Polizei, Eva Miklikova, sieht die mangelhaften Fremdsprachenkenntnisse ihrer Beamten aber nicht als Problem an: „Es gibt Arbeitsplätze, für die wir das erwarten. Aber das gilt nicht für die Mehrheit der Polizisten.“ Man arbeite daran. „Aber das geht nur langsam. Bei Neueinstellungen namentlich junger Bewerber achten wir schon darauf, dass sie eine Fremdsprache sprechen können. Und an der Polizeiakademie wird auch Sprachunterricht erteilt“, beruhigt Miklikova. Der Chefkommentator von „Prazsky denik“, Ivan Hoffman, findet den Zustand aber gar nicht lustig. Fast 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gebe es keine Ausreden mehr für mangelnde Sprachkenntnisse. Seit dem Fall der Schengen-Grenzen würden zudem zunehmend auch Sprachfertigkeiten bei Ärzten oder Verkäuferinnen erwartet. „Wer sich nicht verständlich machen kann, hat ein Handicap, ist nur ein ‚halber Mensch‘“, schreibt Hoffman und fügt ironisch hinzu: „Oder hoffen wir ernsthaft, dass die Europäer jetzt alle Tschechisch lernen?“ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87