Tschechien

EIN FELDMARSCHALL AUF DEM PARKPLATZ

Tschechische „Patrioten“ protestieren gegen Wiederaufstellung des Radecky-Denkmals in Prag(n-ost) –  Seit Jahren schon liegen sich die Prager in den Haaren darüber, ob die alte Mariensäule auf dem zentralen Altstädter Ring wieder errichtet werden soll. Sie war – wie nahezu alles „Habsburgische“ – nach der Gründung der Tschechoslowakei 1918 geschleift worden. Es ist ein zutiefst politischer Streit, der da tobt. Selbst ernannte tschechische „Patrioten“ finden den Gedanken bis heute unerträglich, ein Monument neu aufzustellen, das für sie nichts anderes ist als ein Symbol 300-jähriger „Finsternis“ unter „Wiener Knechtschaft“. Im Windschatten dieses Streits zieht nun ein neuer herauf: Denkmalschützer plädieren dafür, das prachtvolle Denkmal für Feldmarschall Radecky (1766-1858) wieder auf dem Kleinseitner Ring der Moldaustadt aufzurichten. Das Entsetzen tschechischer „Patrioten“ ist groß.Vor allem der bis heute kommunistisch angehauchte Verband der Freiheitskämpfer läuft Sturm gegen die Idee. Deren Vorsitzende Andela Dvorakova sagte der Tageszeitung „Lidove noviny“: „Beifall dafür können sie von uns ganz sicher nicht erwarten. Weshalb errichten wir nicht ein Denkmal für den tschechischen Widerstand?“ Noch heftiger reagiert die Tschechoslowakische Legionärsvereinigung: „Radecky ist keiner von uns. Er war Österreicher durch und durch. Er gehört ganz und gar nicht auf den Kleinseitner Ring, der schließlich direkt unterhalb der Prager Burg liegt.“ Derlei kleingeistige tschechische Arroganz bringt andere in Wallung. Der stellvertretende Chef des Nationalmuseums, Karel Ksandr, etwa sagt: „Radecky ein Österreicher durch und durch? Der war immer ein Tscheche von Schrot und Korn.“ Zumindest die böhmische Herkunft Radeckys ist unbestritten. Er wurde als Johann Joseph Wenzel Anton Franz Karl Graf Radetzky von Radetz (tschechisch: Jan Josef Václav hrabe Radecký z Radce) in Trebnitz geboren und nach dem Tod seiner Eltern vom Großvater in Prag in die Schule geschickt. Später besuchte er unter anderem die Ritterakademie in Brünn, bis es ihn nach Wien zog, wo er zum wohl bedeutendsten österreichischen Heerführer in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts reifte. Er diente unter fünf Kaisern und beteiligte sich an 17 durchweg siegreichen Feldzügen. Dafür wurde er von vielen national-monarchistisch gesinnten Österreichern sehr verehrt. Franz Grillparzer verfasste ihm zu Ehren das Gedicht „In deinem Lager ist Österreich“, und Johann Strauß d. Ä. komponierte 1848 den „Radetzkymarsch“. Derlei Lobhudelei aus Wien fällt Radecky bei den national gesinnten Tschechen bis heute auf die Füße.Dem Kunsthistoriker Frantisek Dvorak geht das antiösterreichische Gehabe im heutigen Tschechien allerdings gegen den Strich: „Wir sollten nicht vergessen, dass die Österreicher uns den Weg in die Welt öffneten. Und sie hinterließen uns auch eine eigene Kultur – den böhmischen Barock.“Letzteres klingt gut, wird aber von den meisten Tschechen anders gesehen. Der böhmische Barock ist für sie der Barock der Habsburger aus der Zeit der Gegenreformation. So sehr sie diesen Barock lieben, beim Gedanken an dessen Herkunft oder an die seiner Architekten verfinstert sich die eine oder andere Miene.Dvorak besteht darauf, dass die Tschechen stolz auf Radecky sein können. „Er war ein berühmter Tscheche und hat sich immer zum Tschechentum bekannt.“ Auch bei den Ratsherren des ersten Prager Bezirks stößt der Plan zur Wiederaufstellung des Radecky-Denkmals auf Zustimmung. Den Kleinseitner Ring finden sie in seiner jetzigen Gestalt ohnehin nicht unbedingt gelungen. Der eigentlich sehr hübsch angelegte Platz, gesäumt von pittoresken Palästen, dient derzeit in erster Linie als oft verstopfter Verkehrsknotenpunkt mit einem Parkplatz. Sollte Radecky wieder auf den Platz kommen, müssten die Straßenbahnschienen verlegt und der Parkplatz ersatzlos gestrichen werden. Letzteres könnte am Ende zum eigentlichen Problem werden. Auf dem Platz parken nämlich nicht nur normal sterbliche Tschechen oder Touristen ihre Autos, sondern auch zahlreiche Abgeordnete des Parlaments, das nur einen Steinwurf entfernt liegt. Und Abgeordnete sind in Prag heilig. Als das Parlament nach der Trennung von den Slowaken vom oberen Ende des Wenzelsplatzes auf die barocke Kleinseite umzog, wurden Proteste sowohl der Anwohner als auch der Denkmalschützer gegen die neue Nutzung vom Tisch gewischt. Heute gehört die Kleinseite faktisch den Politikern. Von einem „zweifelhaften Habsburger“ werden sie sich und ihre Autos nicht so ohne weiteres vertreiben lassen.Wie auch immer die Sache ausgehen wird, eines ist bereits jetzt klar: Der originale Radecky wird es nicht sein, der womöglich wieder auf seinen angestammten Platz kommt. Karel Ksandr vom Nationalmuseum zufolge will man eine Kopie des Bronzedenkmals aufstellen. Das Original soll in Museumshand bleiben. Aber vielleicht wird Radecky dann länger stehen als beim ersten Mal. Da waren dem bronzenen Feldmarschall nur 61 Jahre auf dem Kleinseitner Ring vergönnt, bis er unter der Aufwallung patriotischer Tschechen zum ersten Mal schmachvoll fiel.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87


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