Buddhatempel an der Grenze zu Sachsen
In Varnsdorf steht das erste vietnamesische Heiligtum auf tschechischem Boden(n-ost) – Die Zittauer Straße in Varnsdorf hat ein ganz eigenes Flair. Die Zahl deutscher und tschechischer Autos hält sich hier die Waage. Kein Wunder, ins sächsische Großschönau sind es nur wenige Meter. Die Verbindungsstraße ist von Industriebauten und Häusern gesäumt, die unbewohnt aussehen und aus denen doch Leute ein- und ausgehen. Ein echtes Buddha-Heiligtum würde hier wohl niemand vermuten und doch: Im Januar wurde in Varnsdorf der erste buddhistische Tempel Tschechiens eröffnet. Das schönste Haus der Straße ist mit buddhistischen Fahnen, bunten Wimpeln und roten Lampions geschmückt. Den Eingang bewachen zwei Löwen.Initiator des Heiligtums ist Vu Linh Ngoc, ein in Tschechien erfolgreicher Unternehmer. Zur Einweihung des Tempels im Januar reiste sogar der vietnamesische Botschafter aus Prag an. Der große Saal mit den drei vergoldeten Buddhastatuen war bis auf den letzten Platz gefüllt. Vu gelang es sogar, einen buddhistischen Mönch aus seiner Heimat für das Projekt zu gewinnen. Die Anwesenheit eines Mönchs ist nämlich Grundvoraussetzung für einen buddhistischen Tempel. „Die Bedingungen hier sind nicht einfach. Er bewegt sich in einer für ihn völlig fremden Umgebung, außerdem kommen hier viel weniger Leute in den Tempel als in Vietnam und dann ist es noch kalt“, schildert Vu das Leben eines buddhistischen Mönchs in der nordböhmischen Provinz.
Der erste buddhistische Tempel Tschechiens
Steffen Neumann„Wir wollten einen Ort schaffen, wo wir unsere Kultur leben können“, begründet Vu seine Motivation. Er spricht bewusst von Kultur, denn für ihn ist der Buddhismus mehr als eine Religion. Er selbst hat sie noch erlebt, der 29-jährige wuchs in Vietnam auf und kam erst mit 14 Jahren nach Tschechien. Inzwischen ist er mit einer tschechischen Frau verheiratet und hat einen siebenjährigen Sohn. Gerade sein Sohn gab den entscheidenden Ausschlag für sein Engagement. „Ich will ihm zeigen, woher er kommt“, sagt Vu.Dafür soll das Gebäude nach und nach zu einem richtigen Tempel umgebaut werden. Anhänger asiatischer Lebensweise können sich also auf eine traditionelle vietnamesische Pagode im deutsch-tschechischen Grenzgebiet freuen. „Zu einer Pagode gehört auch ein Garten mit Statuen“, skizziert Vu die weiteren Pläne. Außerdem sollen schon bald Buddhismus- und Yogakurse angeboten werden, die nicht nur für Vietnamesen offen stehen. Das gilt auch für den zweimal monatlich stattfindenden liturgischen Ritus. Regelmäßig treffen sich hier laut Vu rund 70 Besucher vorwiegend vietnamesischer Herkunft, Tschechen kommen eher aus Neugier, um sich die Räume anzusehen.Etwa 3.000 Vietnamesen leben im Schluckenauer Zipfel, der Region rund um Varnsdorf. Nach 1989 waren sie vor allem mit ihren Ständen als Händler an der deutsch-tschechischen Grenze tätig. Inzwischen wurden die Handelsaktiväten in Geschäfte verlagert, die dritte und vierte Generation spricht fließend Tschechisch und studiert nicht selten an der Hochschule. Insofern nimmt es nicht Wunder, dass der Tempel gerade hier entstanden ist. Vu betont zwar, dass das Heiligtum keineswegs eine lokale Angelegenheit ist, denn an seiner Entstehung waren viele Unterstützer aus der ganzen Republik beteiligt. Trotzdem bemüht sich Vu um den Aufbau eines vergleichbaren Zentrums auch in der Hauptstadt. Gerade im Prager Süden leben viele Vietnamesen, einige Stadtbezirke werden daher im Jargon bereits „Klein-Saigon“ genannt.
Vor dem buddhistischen Heiligtum in Varnsdorf.
Steffen NeumannIn Varnsdorf wird das ungewöhnliche Heiligtum verhalten positiv aufgenommen. In einer Umfrage auf den Internetseiten der Stadt zeigt sich fast die Hälfte der Teilnehmer erfreut darüber, dass so etwas gerade in ihrer Stadt entstanden ist. „Sieht aus wie ein chinesisches Teehaus“, mutmaßt ein Passant. „Ja, das ist doch der Buddha-Tempel“, zeigt sich eine junge Frau mit Kind informierter und fügt hinzu: „Ich will ihn mir auf jeden Fall einmal ansehen.“KASTEN
Offiziell leben in Tschechien rund 46.000 Vietnamesen. Schätzungen gehen allerdings von bis zu 60.000 aus. Auch wenn die Vietnamesen als nach innen gekehrte Gesellschaft gelten, gewinnen sie in Tschechien immer mehr an Bedeutung. Die Zahl vietnamesischer Hochschulabsolventen steigt, Vietnamesen drängen zunehmend in Berufe vor, in denen sie bisher nicht zu finden waren. Der Erfolg misst sich auch in der höchsten Geburtenrate und nicht zuletzt in der Eröffnung eines eigenen Heiligtums. Im März rief der vietnamesische Premierminister die tschechische Regierung auf, Vietnamesen in Tschechien als Minderheit anzuerkennen.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87