Slowakei

Slowakei ratifiziert EU-Reform-Vetrag

Im dritten Anlauf ist am Donnerstag der EU-Reformvertrag von Lissabon überraschend durch das slowakische Parlament ratifiziert worden. Im Januar und Februar waren Abstimmungen geplatzt, weil alle Oppositionsparteien zuvor das Parlament verlassen hatten. Sie protestierten mit dem Boykott gegen den Entwurf eines neuen Pressegesetzes. Am Mittwochabend peitschte die Regierung von Premier Robert Fico dieses umstrittene Pressegesetz trotzdem durch das Parlament.

Doch am heutigen Donnerstag war es mit der Einigkeit der Opposition vorbei: Die Partei der ungarischen Minderheit scherte aus und unterstützte im Parlament den Lissabonner Vertrag. Begründung: Die Slowakei könne sich unmöglich eine internationale Schande erlauben. Letztlich stimmten 103 von 109 anwesenden Parlamentariern für den EU-Vertrag. Die notwendige Mehrheit lag bei 90 Stimmen. Premier Fico geht damit als strahlender Sieger aus dem Machtkampf hervor.Der Chef der Ungarnpartei, Pal Csaky, begründete das Einknicken seiner Partei mit der Notwendigkeit, der Slowakei eine internationale Schande zu ersparen. Der Vertrag von Lissabon könne unmöglich abgelehnt werden, zumal die Slowakei zu den europafreundlichsten Ländern der EU gehöre. Bei seinen Oppositionskollegen fand er dafür keinerlei Verständnis.

Der frühere christdemokratische Premier Mikulas Dzurinda nannte die Haltung der Ungarnpartei „charakterlos“. Tief enttäuscht zeigte sich auch der Vorsitzende der katholischen Christlich-Demokratischen Bewegung (KDH), Pavol Hrusovsky. „Mit dem heutigen Tag hat die Regierung mit der Ungarnpartei einen stillen Teilhaber. Damit scheint mir eine künftige Zusammenarbeit mit den Ungarn innerhalb der Opposition ausgeschlossen.

Es gibt mit Dzurindas und meiner Partei fortan nur noch zwei wirkliche Oppositionskräfte“, sagte Hrusovsky. Die beiden Oppositionsparteien hatten am Donnerstag erneut die Abstimmung boykottiert und mussten hilflos mit ansehen, wie der EU-Vertrag durch die 25 Abgeordneten der Ungarnpartei die nötige Mehrheit erhielt.Deren Parteichef Csaky hatte nicht verschwiegen, dass seine Partei ganz offensichtlich unter dem Druck der christlichen und liberalen Parteien im Europaparlament gestanden habe. Und in der Tat hatte man in Straßburg und Brüssel mit größter Besorgnis verfolgt, dass die slowakische Opposition den Vertrag von Lissabon quasi in Geiselhaft genommen hatte, um grundsätzliche Änderungen im ungeliebten Entwurf des Pressegesetzes durchzusetzen.

Das Unbehagen darüber war umso stärker, als die Slowakei niemals auch nur im Ansatz als „Wackelkandidat” in Sachen Lissabonner Vertrag gegolten hatte.Immerhin waren es ausgerechnet Dzurindas Christdemokraten gewesen, die nach der Ära des autokratischen Premiers Vladimir Meciar erst mit durchgreifenden Reformen die Weichen für den EU-Beitritt des Landes gestellt hatten. Ex-Premier Dzurinda hatte in den vergangenen Wochen auch immer wieder betont, dass man in Westeuropa keinerlei Zweifel an der unbedingten Europatreue der bürgerlichen Kräfte in der Slowakei hegen brauche.

Das Pressegesetz sei aber so gefährlich für die Pressefreiheit und letztlich für die Demokratie in der Slowakei, dass alle Mittel zu seiner Verhinderung erlaubt sein müssten – auch der Boykott des Vertrages von Lissabon.Das neue Pressegesetz war auch von internationalen Journalisten-Vereinigungen und der OSZE scharf kritisiert worden. Es sieht unter anderem vor, dass Zeitungen künftig zur Veröffentlichung breiter Gegendarstellungen und Richtigstellungen verpflichtet werden. Journalisten befürchten einen Missbrauch durch Politiker, die damit gegen unliebsame Berichte vorgehen könnten.
 
Dass die Ungarnpartei am Ende zur Regierungsseite überlief, hatte womöglich auch noch einen anderen Grund: Die Regierung sicherte ihr Zugeständnisse beim neuen Schulgesetz zu. Danach soll die ungarische Sprache im Unterricht der ungarnstämmigen Schüler denselben Stellenwert bekommen wie der Unterricht in der „Staatssprache“ Slowakisch. Das ist umso bemerkenswerter, als das Bildungsressort n den Händen der ansonsten höchst ungarnfeindlichen Slowakischen Nationalpartei liegt.Ihre Kritik am Pressegesetz hält die Ungarnpartei dennoch aufrecht. Wie mehrere andere Organisationen und Parteien beabsichtigt sie, das Gesetz vom Verfassungsgericht überprüfen zu lassen. Wenigstens in diesem Punkt gibt es noch Einigkeit innerhalb der Opposition.Die schwersten Wunden nach dem wochenlangen Ringen um das Pressegesetz trägt Ex-Premier Dzurinda davon. Seine persönlichen Popularitätswerte sind schon seit Monaten im Sinken begriffen. Mehrere wichtige Parteikollegen hatten ihm kürzlich den Rücken gekehrt.

Dzurinda, so sagen sie, trage die Verantwortung für den Niedergang der ganzen Partei. Gut möglich, dass seine Tage an der Spitze der Partei gezählt sind.


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