RADAR? NEIN DANKE!
Die Einigung mit Washington über eine Raketenabwehr stößt in Tschechien auf wenig Gegenliebe(n-ost) – Nahezu zehn Minuten flimmerte die Nachricht rot unterlegt als Eilmeldung über die Live-Bilder des tschechischen Fernsehnachrichtenkanals CT 24: „Tschechien und die USA haben sich über die Errichtung einer Radarstation für die US-Raketenabwehr geeinigt“. Am Rande des Nato-Gipfels in Bukarest hatten dies die Außenminister beider Länder, Condoleezza Rice und Karl Fürst Schwarzenberg, vor der Presse mitgeteilt. „Das Abkommen ist ein wichtiger Schritt in unseren Bemühungen, unsere Länder und die Nato-Alliierten vor den wachsenden Gefahren ballistischer Raketen und Massenvernichtungswaffen zu schützen”, erklärten sie. Anfang Mai, so Schwarzenberg, werde der Hauptvertrag dazu beim Prag-Besuch seiner amerikanischen Amtskollegin unterzeichnet.Für die Regierenden in Prag ist das eine Erfolgsnachricht, auf die sie lange hingearbeitet haben. Premier Mirek Topolanek hatte wiederholt betont, das Abkommen bis zum Nato-Gipfel unterschriftsreif bekommen zu wollen. Seine Bürgerpartei steht voll hinter dem Projekt. Das gilt auch für die Christdemokraten. Der dritte Koalitionspartner – die Grünen – sind nicht ganz so begeistert. Von Beginn an forderten sie eine klare Einbindung der Radaranlage, die mit zehn Abwehrraketen in Polen verbunden werden soll, in eine Gesamtstrategie der Nato. Topolanek wäre auch mit einem rein bilateralen Projekt zufrieden gewesen. Jetzt, da sich die Allianz in Bukarest das Projekt insgesamt zu eigen gemacht hat, dürften auch die letzten Vorbehalte der Grünen vom Tisch sein. Das ist wichtig genug: Die Regierung hat nur dank einiger Überläufer aus dem sozialdemokratischen Oppositionslager eine hauchdünne Mehrheit im Parlament. Und eben dieses Parlament muss das Projekt absegnen. Eine Volksabstimmung, wie sie unter anderen die Sozialdemokraten fordern, würde in einem Desaster enden. Zuletzt waren rund 70 Prozent der Tschechen gegen die Radarstation.Besonders hart ist der Widerstand gegen den Horchposten im vorgesehenen Stationierungsgebiet, einem Militärgelände von Brdy in der Nähe der westböhmischen Stadt Plzen (Pilsen). In lokalen Referenden hatten sich die Bewohner dort fast zu hundert Prozent gegen die Anlage verwahrt. Diese Abstimmungen hatten jedoch keinerlei Bedeutung. Sie konnten lediglich als Gradmesser für die Stimmung in der Bevölkerung generell betrachtet werden. „Wir werden hier zur Zielscheibe“, schimpfte beispielsweise Jiri Prokes, der Bürgermeister eines Örtchens im Stationierungsgebiet, bei jeder Gelegenheit. „Wie sind verängstigt, weil uns niemand die Auswirkungen der Radaranlage auf Umwelt und Mensch erklärt.“ Andere sehen es rein politisch: „Früher waren hier die Russen, jetzt kommen die Amerikaner – und uns fragt wie immer keiner“, hört man in den Kneipen. Und die Regierungspolitiker in Prag kontern: „Dass die Russen die Tschechen nicht fragten, als sie 1968 einmarschierten, stimmt. Die Amerikaner werden eingeladen.“ Das sei ein gewaltiger Unterschied.Mit reichlich Geld versuchte die Regierung, aufgebrachte Ortsansässige ruhig zu stellen. Das halbe Kabinett fuhr nach Westböhmen, Premier Topolanek konnte gar nicht genug Geld für eine Region versprechen, die bis dahin von Gott und Prag vergessen worden war. Die Dörfler begrüßten diese Unterstützung. Die Straßen müssten gemacht werden, die Kanalisation dümple schon ewig vor sich hin und im Sommer, nach tagelanger Hitze, versiege auch schon mal ein Wasserhahn. Doch das Radar wollen die Leute um Brdy herum immer noch nicht. Ihre sorgenvollen Fragen sehen sie nicht beantwortet. Bis heute nicht.Ganz und gar nicht begeistert sind sie auch davon, dass nach Lage der Dinge nicht nur Amerikaner in die Dörfer kommen werden, sondern auch wieder die noch immer ungeliebten Russen. Sie sollen kontrollieren können, dass da nichts geschieht, was Moskauer Sicherheitsinteressen zuwider läuft. Das jedenfalls haben die Amerikaner dem russischen Präsidenten Wladimir Putin angeboten. Der lehnt das Projekt rundweg ab und sieht dadurch das Verhältnis zwischen Russland und der Nato schwer belastet. Seine Bedenken dürfte er weder in Bukarest, wo er am Freitag erwartet wurde, noch auf dem anschließenden Gipfel mit George W. Bush in Sotschi verschweigen.Ob am Ende alles so kommt, ist freilich trotz der Einigung in Bukarest nicht unbedingt ausgemacht. Polen zieht die Verhandlungen mit Washington über die zehn Raketen für den Schutzschild in die Länge und verlangt als Gegenleistung massive Hilfe für die Modernisierung der eigenen Streitkräfte. Sollte der Deal platzen, hört man schon aus den USA, würden sich die Amerikaner auch mit dem Radar in Tschechien zufrieden geben. „Das freilich würde die Lage völlig ändern“, sagt die Prager Verteidigungsministerin Vlasta Parkanova. Dann stünden die Verhandlungen auch mit Tschechien wieder am Anfang. Dabei gehört Parkanova zu den glühendsten Befürwortern des Projekts. Als George W. Bush zu seinem letzten Besuch in Prag war, hatte die Ministerin gar eine CD mit einem Loblied auf das Radar besungen und dem Mann aus dem Weißen Haus geschenkt. Soviel Servilität auf einmal hatte der bis dahin selten erlebt.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87