Belarus

Lukaschenko jagt oppositionelle Medien

Geheimdienstes nahm mehrere Journalisten im ganzen Land fest / Größte Jagd auf kritische Medien seit Amtsantritt Lukaschenkos(n-ost) – „Um sieben Uhr früh brachen sie die Tür auf, drängten herein und durchsuchten die Wohnung“, berichtet einer der festgenommenen Journalisten. Er wurde zur Wache gebracht, verhört und nach einigen Stunden wieder freigelassen. Was seinen verhafteten Kollegen passierte, weiß er nicht. Über ihre Mobiltelefone jedenfalls ist seither nur der Anrufbeantworter zu erreichen. Ziel der Aktion des weißrussischen Geheimdienstes KGB waren Mitarbeiter aller unabhängigen Medien des Landes, die im Ausland registriert sind: Radio Svoboda, das Europäische Radio Belarus, Radio Racja, der Fernseh-Sender Belsat und die Nachrichtenagentur BelaPan. Zu gleichen Zeit wurden in mehreren Städten Journalisten festgenommen – sowohl in den Redaktionen, als auch zu Hause. Festplatten und Aufzeichnungen wurden beschlagnahmt, Internetseiten blockiert. „Das ist nicht nur die größte gegen unabhängige Medien gerichtete Aktion“, sagt Aleksej Dzikavicki, „es ist die erste Aktion dieser Art in der gesamten Geschichte des Regimes Lukaschenko“. Dzikavicki leitet die Nachrichtenredaktion des TV-Senders Belsat, der in Warschau sitzt.Ersten Berichten zufolge wurden 16 Journalisten festgenommen, das Schicksal von über 20 weiteren ist bislang nicht geklärt. Redaktionsleiter Dzikavicki stellt, ähnlich wie andere Oppositionelle, die Festnahmen in Zusammenhang mit der Niederschlagung einer Demonstration, die nur zwei Tage vorher in Minsk stattgefunden hatte. Die Opposition feierte am 25. März den Tag der Unabhängigkeit, den das Regime Lukaschenkos nie anerkannt hat. Im Jahr 1918 wurde an diesem Tag der erste unabhängige weißrussische Staat gegründet. Weißrussen, die vorher unter polnischer oder russischer Herrschaft gelebt hatte, riefen damals die Volksrepublik aus. Seitdem Lukaschenko an der Macht ist, finden am 25. März keine Feierlichkeiten mehr statt. Die Opposition nutzt ihn hingegen regelmäßig für Kundgebungen. 2006 wurden nach der bisher größten Demonstration anlässlich des Unabhängigkeitstags mehrere Dutzende Menschen festgenommen, darunter auch der damalige Gegner Lukaschenkos bei der Präsidentenwahl, Aleksandr Kosulin. Er ist bis heute in Haft. Auch in diesem Jahr kam es in Minsk zu massiven Ausschreitungen. In den weißrussischen Medien war dies kaum ein Thema. Oppositionelle Sender hingegen berichteten über die Niederschlagung der Demonstration und die Festnahmen. Einen ausführlichen Bericht strahlte zum Beispiel der weißrussische Sender aus Warschau, TV Belsat, aus. Auch ausländische Medien übernahmen das Material. Die Journalisten von Belsat vermuten darin den Grund für den unerwarteten Angriff auf ihre Kollegen. Der Vorsitzende des Europaparlaments, Hans-Gert Pöttering, verurteilte das Vorgehen der weißrussischen Behörden. Auch der litauische Ministerpräsident Giediminas Kirkilas und Polens Präsident Lech Kaczynski kritisierten den Staatschef im Nachbarland.Radio Svoboda, das Europäische Radio Belarus, Radio Racja und der Fernsehsender Belsat gehören zu den wichtigsten kritischen Medien in Weißrussland. Sie werden finanziell aus dem Ausland unterstützt, unter anderem von der EU und Polen, und senden teilweise auch von ausländischem Territorium aus. In Weißrussland selbst werden immer weniger Zeitungen und Blätter der Opposition gedruckt. ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87


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