Kosovo

Uno greift durch gegen Kosovo-Serben

Bei schweren Zusammenstößen zwischen Kosovo-Serben und internationalen Sicherheitskräften in Mitrovica sind am Montag mindestens 100 Menschen verletzt worden. Erstmals seit der Unabhängigkeitserklärung Kosovos vor genau einem Monat gingen die Uno-Polizei und die Friedenstruppe KFOR offensiv gegen Protestierende vor und nahmen 32 von ihnen fest.

Zu den Ausschreitungen war es gekommen, als Uno-Polizisten in den frühen Morgenstunden ein von Kosovo-Serben besetztes Uno-Gerichtsgebäude im fast ausschließlich serbisch bewohnten Nordteil der Stadt Mitrovica räumten. Die Besetzer waren frühere serbische Richter und Gerichtsangestellte, die bis zur Übernahme der Verwaltung des Kosovo durch die Uno-Behörde Unmik im Sommer 1999 bei diesem Gericht gearbeitet hatten. Nachdem sie am Freitag einen Absperr-Ring von Uno-Polizisten durchbrochen hatten, waren die Gerichts-Mitarbeiter gewaltsam in das Gebäude eingedrungen und hatten die serbische Flagge gehisst. Sie forderten ihre Wiedereinstellung und die Eingliederung des Gerichts ins serbische Justizsystem. Die Uno-Polizei hatte zunächst nicht reagiert.

Hunderte aufgebrachter Serben blockierten gestern die Straßen, als die Uno-Polizisten, unterstützt von der Nato-geführten Kosovo-Friedenstruppe KFOR, die im Gebäude verhafteten Besetzer abtransportieren wollten. Die internationalen Sicherheitskräfte wurden mit Steinen beworfen und teilweise auch aus Feuerwaffen beschossen, mehrere ihrer Fahrzeuge gingen in Flammen auf. Die Einsatzkräfte reagierten mit dem Einsatz von Tränengas. Es sei erstmals überhaupt auf die Friedenstruppe geschossen worden, bestätigte ein KFOR-Sprecher.

21 der zunächst 53 Verhafteten konnten im Chaos wieder entkommen. Unter den Verletzten sind nach Informationen von Ärzten in Mitrovica etwa 70 serbische Demonstranten. Nach Angaben der Kosovo-Polizei wurden mindestens 25 internationale Sicherheitskräfte verletzt. Fünf von ihnen schwebten in Lebensgefahr, wie der Belgrader Sender B92 berichtete. Als Folge der Zusammenstöße zogen sich die Mitarbeiter der Uno-Verwaltung inklusive der Uno-Polizei vorübergehend aus Nord-Mitrovica zurück. Die KFOR übernahm die vollständige Kontrolle über den Stadtteil.

Serbiens Präsident Boris Tadic rief die Kosovo-Serben dazu auf, die internationalen Sicherheitskräfte nicht zu provozieren. Gleichzeitig kritisierte er die "übermäßige Gewaltanwendung" durch die Unmik und die KFOR, "besonders heute am 17. März, am Tag, an dem das serbische Volk einen der schlimmsten Pogrome durchlebt hat". Vor genau vier Jahren war es nach dem Tod von zwei albanischen Jungen zu massiven Übergriffen eines kosovo-albanischen Mobs auf Serben gekommen. Dabei kamen elf Kosovo-Albaner und acht Serben ums Leben, etwa 800 Häuser von Nicht-Albanern und 35 serbisch-orthodoxe Kirchen und Klöster wurden zerstört oder beschädigt.

Der serbische Kosovo-Minister Slobodan Samardzic verlangte die umgehende Freilassung der festgenommenen Serben und drohte den internationalen Sicherheitskräften unverhohlen: "Falls wir Ordnung und Stabilität aufrechterhalten und falls wir kooperieren sollen, dann ist das eine absolut ultimative Forderung, die Leute sofort freizulassen." Bei einer Ansprache in Nord-Mitrovica rief er den Versammelten zu: "Das, was sie uns angetan haben, werden wir ihnen zurückzahlen!" Samardzic hatte schon unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung Kosovos die Stimmung angeheizt, als er die Zerstörung von zwei Uno-Grenzübergängen zwischen Kosovo und Serbien durch einen wütenden kosovo-serbischen Mob begrüßt und gerechtfertigt hatte. Damals hatte die Uno-Polizei nicht aktiv eingegriffen.

Ungeachtet der Unabhängigkeitserklärung Kosovos vom 17. Februar ist die Resolution 1244 des Uno-Sicherheitsrates aus dem Jahr 1999 weiterhin in Kraft. Die Resolution, die von Serbien unterstützt wird und auf die sich Belgrad selbst immer wieder beruft, verbietet den serbischen Behörden jede Wahrnehmung von staatlichen Funktionen und Amtshandlungen auf dem Territorium von ganz Kosovo. Unmik-Chef Joachim Rücker hatte die Erstürmung des Uno-Gerichtsgebäudes schon am Freitag als "völlig unakzeptabel" verurteilt und die Unmik-Polizei angewiesen, "Recht und Ordnung wieder herzustellen und das Gericht unter Uno-Kontrolle zu bringen". Rücker sagte, eine der "roten Linien der Unmik" sei überschritten worden.


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