Rumänien

VIER BEWEGTE JAHRZEHNTE

Heute liest nicht nur die deutsche Minderheit in Rumänien die Hermannstädter Zeitung(n-ost) - Es war nicht leicht, in Rumänien zu kommunistischen Zeiten eine Zeitung herauszugeben. Eine deutschsprachige Zeitung zu verlegen, war da schon fast unmöglich. Und dennoch wurde im rumänischen Sibiu (Hermannstadt) vor 40 Jahren die deutschsprachige Hermannstädter Zeitung (HZ) gegründet. Als am 25. Februar 1968 die erste Ausgabe erschien, lebten rund 25.000 Deutschstämmige in Hermanstadt - knapp ein Viertel der gesamten Bevölkerung im Kreis Sibiu.
Erste Ausgabe der Hermannstädter Zeitung
Ruxandra StanescuGeorg Scherer, von 1979 bis 1996 Chefredakteur der HZ, erinnert sich zurück an eine "goldene Zeit": "Als ich zur Zeitung kam, funktionierte die Zensur bereits. Wahrscheinlich funktionierte sie seit der Gründung des Blattes. Die Securitate, der Geheimdienst im kommunistischen Rumänien, übersetzte unsere Zeitung, denn in der Partei sprach ja keiner Deutsch. Wir hatten einen Zensor - ich weiß nicht, wo dieser angestellt war - der uns dann sagte, was erscheinen dürfe und was nicht. Später wurde die staatliche Zensur durch Selbstzensur ersetzt. Von da an waren die Redakteure - insbesondere der Chefredakteur - zuständig für den Inhalt der Zeitung. Vor dem Erscheinen mussten wir dem Propaganda-Sekretär des Kreisparteikomitees sagen, was erscheinen wird. So war es für uns leichter, denn wir haben immer so formuliert, dass wir keinen Ärger bekamen." Unannehmlichkeiten gab es trotzdem manchmal, den einige Fehler wurden nicht toleriert: "Ich kann mich an eine Ausgabe erinnern", erzählt Scherer, "in der wir den Namen von Nicolae Ceausescus Sohn falsch geschrieben hatten. Ich habe es zu spät bemerkt, die ganze Ausgabe musste eingestampft und auf meine Kosten neu gedruckt werden. Dennoch ist die Sache für uns gut ausgegangen, schließlich kamen manche Journalisten für ihre Fehler ins Gefängnis."Die Partei, so die damalige Linie, war unangreifbar - und zwar nicht nur, weil sie die Zeitung finanziell unterstützte. Für die gesamte rumänische Presse gab es Vorgaben, was geschrieben werden durfte und was nicht. So waren die Redakteure beispielsweise verpflichtet, die vielen, seitenlangen Ansprachen von Nicolae Ceausescu umgekürzt zu drucken. "Weil wir eine Wochenzeitung waren, blieben wir davon verschont", sagt Scherer. "Wir mussten meist nur Auszüge der Reden drucken, die bekamen wir direkt aus Bukarest übersetzt." Manchmal füllten aber auch diese Auszüge mehr als die Hälfte der zwölf Seiten dicken Zeitung.Trotz Zensur versuchten die Redakteure der Hermannstädter Zeitung, das Leben der deutschen Minderheit in Rumänien so genau wie möglich darzustellen. Allerdings gehörten auch Meldungen wie "Heltau wird 56 Hektar Teppiche exportieren" und "In Kleinkopisch wurde der Schwefelsäureplan mit 1.260 Tonnen überschritten" zum Pflichtprogramm. Unter dem Namen "Hermannstädter Zeitung" erschienen genau 200 Ausgaben des Blattes. Ab dem 29. Oktober 1971 musste die Zeitung umbenannt werden und wurde fortan als "Die Woche" herausgegeben. Ein Gesetz der kommunistischen Regierung hatte die Namensänderung notwendig gemacht. Es verbot den rumänischen Minderheiten, die Namen ihrer Ortschaften in der Öffentlichkeit zu benutzen. Erhalten blieb der Zeitung die gotische Schriftart in der Kopfzeile, genau wie bei der "Hermannstädter Zeitung". Auch das Staatswappen und die für alle Zeitungen obligatorische Losung "Proletarier aller Länder - vereinigt Euch!" wurden übernommen.Als Mitte der 80er Jahre der Sohn des Diktatoren-Paares, Nicu Ceausescu, von seinen Eltern als erster Sekretär des Kreisparteikomitees nach Hermannstadt versetzt wurde, fürchteten die Redakteure schwere Zeiten. Doch die Repressionen blieben aus. "Unter ihm hatten wir eigentlich die meisten Freiheiten. Er kümmerte sich nicht um Kleinigkeiten", erinnert sich Georg Scherer.Damals hatte der Wegzug der Siebenbürger Sachsen bereits begonnen. Nicht nur Leser der Hermanstädter Zeitung verließen das Land, auch einige ihrer Redakteure kehrten Rumänien den Rücken. "Wenn einer seinen Schreibtisch aufräumte und nur unwichtige Papiere da ließ, war klar, dass er am nächsten Tag nicht mehr wieder kommen würde", sagt Scherer. Meist ging man, ohne sich zu verabschieden. Für Kollegen und Verwandte folgten meist schwierige Zeiten, in denen sie von der Securitate aufmerksam beobachtet wurden. Mit dem Exodus vieler deutschstämmiger Rumänen ging auch die Auflage der HZ zurück.Die Dezember-Revolution des Jahres 1989 brachte neue Probleme für die Hermannstädter Zeitung. "Die schwersten Jahre für die HZ waren 1990 und 1991, denn wir hatten kein Geld und haben nur mit Hilfe der lokalen rumänischen Zeitungen überlebt", resümiert Scherer. "Gleich nach der Wende haben wir festgestellt, dass viele Rumänen deutschfreundlich eingestellt waren. Das hat uns unser Überleben gesichert. So konnten wir beispielsweise unsere Zeitung kostenlos drucken und der Direktor des Finanzamtes hat uns mit guten Tipps geholfen", erinnert sich der damalige Chefredakteur. "Danach hat das Kultusministerium die Subventionierung der HZ übernommen."Eine weitere Schwierigkeit war Anfang der 90er Jahre die drohende Übernahme der Hermanstädter Zeitung durch die "Allgemeine Deutsche Zeitung" (vormals "Neuer Weg"). Der Tageszeitung mit Sitz in Bukarest gelang es, alle deutschen Lokalzeitungen unter einem Titel zu vereinen - bis auf einer Ausnahme: Die Hermanstädter Zeitung konnte ihre Unabhängigkeit behaupten. "Wir wollten einfach selbstständig bleiben", sagt Scherer. Doch die Lage für die deutschsprachigen Zeitungen war nicht einfach. Sowohl die Hermannstädter Zeitung als auch die Allgemeine Deutsche Zeitung kämpften um ihr Überleben. "Sehr viele Deutsche wanderten damals aus. Außerdem war die Inflation sehr hoch. Viele Menschen mussten sich entscheiden, welche Zeitung sie - wenn überhaupt -weiterhin beziehen wollten. Und natürlich bevorzugten die Hermannstädter ihre Lokalzeitung."Seit einigen Jahren wird die Hermannstädter Zeitung vom Minderheitenrat der rumänischen Regierung finanziell unterstützt. Das Interesse an dem Blatt steigt wieder, die Auflage liegt heute bei rund 2.000 Exemplaren, obwohl nur noch etwas mehr als 2500 Deutschstämmige (1,6 Prozent der Einwohner) in Hermannstadt leben. Die Redakteure der HZ schreiben inzwischen nicht mehr nur für die Minderheit in ihrer eigenen Stadt. Zu den Lesern gehören auch Abonnenten aus dem Ausland, insbesondere aus Deutschland, sowie deutschsprachige Unternehmer, die in und um Hermannstadt leben und arbeiten. Insgesamt sind in ihrer 40-jährigen Geschichte 2070 Ausgaben der Hermanstädter Zeitung erschienen, an denen im Laufe der Zeit mehr als 70 feste Mitarbeiter mitgewirkt haben. ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87


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